Neuhaus: „Am Fortbestand von Solarwatt besteht kein Zweifel“

Produktion, Solarwatt

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pv magazine: Sie haben kürzlich angekündigt, Mitte des Jahres entscheiden zu wollen, ob Sie die Produktion von Solarmodulen in Dresden Ende 2024 schließen müssen. Können Sie nochmal kurz die Gründe nennen?

Detlef Neuhaus (Foto): Genau wie Sie sagen, habe ich nur von unserer Dresdner Modulproduktion gesprochen, nicht von der Herstellung von Solarmodulen an sich oder über das Gesamtunternehmen. Solarwatt als Anbieter von Photovoltaik-Komplettsystemen ist stabil. In den vergangenen sechs bis neun Monaten ist der Preis für Solarmodule aber um rund 60 Prozent gefallen, weil chinesische Anbieter den europäischen Markt mit ihren Überkapazitäten fluten und weit unter Herstellkosten verkaufen. Diese Situation wird für die produzierende Solarbranche aufgrund der Wettbewerbsverzerrungen immer bedrohlicher – und darüber verhandeln wir auch immer wieder mit den politischen Entscheidern in Brüssel und Berlin, aber es passiert einfach nichts. Solarmodule in Europa wirtschaftlich sinnvoll zu produzieren, ist unter den gegebenen Voraussetzungen nicht mehr möglich. Wenn sich die Situation bis Mitte des Jahres also nicht grundsätzlich verbessert, dann werden wir eine Entscheidung treffen müssen und das könnte dann eben auch Auswirkungen auf unsere Produktion in Dresden haben – auch wenn wir dieses Szenario unbedingt verhindern wollen und andere Pläne in der Schublade haben.

Was würde Sie denn davon abhalten, sprich welche politische Unterstützung wäre erforderlich, damit sie weiter in Dresden Solarmodule produzieren?

Die europäische Solarbranche wird gerade von China und den USA richtig unter Druck gesetzt, und darauf brauchen wir eine Antwort. Die Amerikaner lassen kaum noch in China produzierte Module ins Land, also landen diese bei uns in Europa und werden hier zu Billigpreisen verkauft. Brüssel und Berlin müssen klare Entscheidungen treffen, wie man dieser Situation begegnen will – und zwar am besten noch heute. Um es klar zu sagen: Wir wollen als Branche keine Subventionen, wie es ja manchmal fälschlicherweise behauptet wird, sondern wir fordern nur, dass die Politik Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbewerb schafft und es weiterhin eine produzierende Solarbranche in Europa gibt. Wir müssen uns als Unternehmen aber natürlich auch auf andere Szenarien einstellen, alles andere wäre unverantwortlich.

In der Bundesregierung wird gerade über die Resilienzboni diskutiert, mit der die Einspeisevergütung für Anlagen mit EU-Modulen erhöht wird. Wären dies nicht auch Subventionen? Und in Brüssel hat die Herstellervereinigung ESMC erst vergangene Woche verkündet, dass sie Handelsbeschränkungen fordert, wenn nicht innerhalb von zwei Monaten andere Maßnahmen wie die Resilienzauktionen und die Möglichkeit zu direkten Subventionen geschaffen werden. Wie stehen Sie zu diesen Maßnahmen und Forderungen?

Ich habe es ja gerade schon gesagt, wir brauchen Entscheidungen der Politik, sonst wird es auf Sicht keine in Deutschland produzierenden Solarunternehmen mehr geben. Ein Resilienzbonus ist ein mögliches Instrument, aber es wird nicht ausreichen, um die Produktionen hier zu halten. Ich sehe das auch nicht als direkte Subvention für die Branche, sondern der Resilienzbonus soll nur einen Anreiz schaffen, dass Endkunden aus wirtschaftlicher Sicht zumindest die Wahl haben, für welche Produkte sie sich entscheiden: aus europäischer Fertigung oder eben aus Asien. Von Handelsbeschränkungen und Strafzöllen halten wir bei Solarwatt nichts. Wir glauben an fairen Wettbewerb – den es aber aktuell für europäische Produzenten nicht gibt. Und dafür brauchen wir Lösungen.

Wenn sie wirklich entscheiden, nicht mehr in Deutschland ihre Module zu produzieren, heißt das ja nicht, dass Sie keine Photovoltaik-Komplettpakete mehr anbieten.

Nein, überhaupt nicht. Solarwatt ist schon lange viel mehr als ein reiner Modulproduzent. Wie sie sagen, haben wir uns bereits vor mehr als zehn Jahren auf die Entwicklung, den Vertrieb und die Installation von ganzheitlichen Photovoltaik-Systemen spezialisiert. Dazu gehören auch Lösungen für Elektromobilität und den effizienten Betrieb von Wärmepumpen mit Solarenergie. Das ist schon lange der Kern unseres Geschäftsmodells und darauf legen wir weiter unseren Fokus. Hausbesitzer und Gewerbetreibende wollen am liebsten ein effizientes System aus einer Hand, in dem alle Komponenten möglichst gut aufeinander abgestimmt sind. Und genau das bieten wir und dieser Markt hat für unser Unternehmen ein riesiges Wachstumspotenzial.

Sie produzieren aktuell schon bei Auftragsfertigern in Asien. Würden Sie das dann ausbauen, um die Nachfrage zu bedienen?

Wir sind in den vergangenen Jahren stark gewachsen, so dass wir auf der Modulseite eine Entscheidung treffen mussten, wie wir zusätzliche Kapazitäten aufbauen können. Wir haben nach intensivem Auditing in Asien Produktionsstraßen gefunden, auf denen mittlerweile seit sechs Jahren exakt nach unseren strengen Qualitäts- und Nachhaltigkeitsstandards Solarwatt-Module hergestellt werden. Diese unterscheiden sich faktisch nicht von den Modulen, die in unserer Dresdner Produktion von den Bändern laufen. Ein nahe liegendes Szenario ist natürlich, dass wir die Kapazitäten dort weiter hochfahren. Allerdings wäre unser Plan A, an der eigenen Produktion festzuhalten und unsere Produktionskapazitäten in Deutschland noch weiter auszubauen.

Wie viele Mitarbeiter wären vom Ende der Modulproduktion betroffen?

Wir beschäftigen europaweit aktuell rund 710 Personen, davon arbeiten etwa 600 Menschen hier in Deutschland. Sollten wir die Modulproduktion in Dresden tatsächlich schließen, würde das 120 Stellen betreffen. Wir würden aber ohnehin versuchen, die betroffenen Personen in anderen kundennahen Bereichen im Unternehmen zu halten, wie beispielsweise im Vertrieb, im Servicebereich, im Produktmanagement und insbesondere auch bei unseren Installationsstandorten. Wir wollen in 2024 trotz allem weiter wachsen, da können wir definitiv Unterstützung gebrauchen.

Sie bieten ja auch eigene Batteriespeicher an. Wie stellt sich denn die Situation auf dem Markt dar?

Der Speichermarkt wächst immer weiter. Aktuell werden schon neun von zehn Photovoltaik-Anlagen im Einfamilienhaus-Segment mit Batteriespeicher verkauft. Wir haben mit „Battery flex“ ein Produkt am Markt, das wegen seiner Effizienz und seiner extrem hohen Sicherheitsstandards bei Installationspartnern wie Endkunden sehr geschätzt wird. Dazu kommt, dass der Speicher sehr gut mit unserem Energiemanagementsystem harmoniert, was die Wirtschaftlichkeit der gesamten Photovoltaik-Anlage noch mal deutlich erhöht. Der erzeugte Solarstrom wird intelligent dorthin verteilt, wo er gerade am sinnvollsten verwendet werden kann. In den nächsten Monaten werden wir zusätzliche Features und Installationsmöglichkeiten für „Battery flex“ vorstellen. 

Nach der Ankündigung haben sich einige Fachpartner Sorgen gemacht, ob das Unternehmen weiterbesteht. Können Sie sagen, wie es jetzt mit Solarwatt weitergeht?

Am Fortbestand von Solarwatt besteht kein Zweifel. Unsere Installationspartner und Kunden müssen sich um unser Unternehmen keine Sorgen machen. Wir stehen trotz der widrigen Umstände und der Wettbewerbsverzerrungen, von denen ich vorhin gesprochen habe, auf sicheren Beinen, weil wir uns schon seit Jahren diversifiziert haben – was das Geschäftsmodell angeht, aber eben auch die Herstellungsorte der Solarkomponenten, die wir in unseren Photovoltaik-Systemen verbauen. Wir sind, wie gesagt, schon lange mehr als ein reiner Produzent und das kommt uns unter den aktuellen Marktbedingungen natürlich zugute.

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