DUH erhebt erneut gemeinsam mit jungen Menschen Klimaschutz-Verfassungsbeschwerde

Bundesverfassungsgericht, Gebäude, Karlsruhe

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Das von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Montag unterzeichnete novellierte Klimaschutzgesetz wird nach der erfolgten Veröffentlichung am Mittwoch in Kraft treten – und sofort Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und elf junge Leute zwischen 14 und 27 Jahren haben sich an das Bundesverfassungsgericht gewandt. Einige von ihnen haben bereits 2020 gegen das Ende 2019 von der damaligen Regierung vorgelegte Klimaschutzgesetz Verfassungsbeschwerde eingelegt und damit ein im April 2021 ergangenes Urteil mit sehr weit reichenden Folgen erstritten: Das Karlsruher Gericht kam zu dem Schluss, dass die ab 2031 vorgesehene Emissionsminderung nicht ausreiche, um den verfassungsmäßig gebotenen rechtzeitigen Übergang zur Klimaneutralität zu erreichen. Damit erklärten die Richter das Gesetz für in Teilen verfassungswidrig und erzwangen damit einen grundlegenden Umbau.

Deutsche_Umwelthilfe_Verfassungsbeschwerde
Erneuter Gang nach Karlsruhe: Vertreter der DUH und einige der Beschwerdeführer.

Foto: Neuschäffer / DUH

Die hieraus entstandene Fassung hat die Bundesregierung nun erneut geändert. Im April einigte sich die Ampelkoalition auf eine neue Gesetzesfassung, das Geschacher hierum verknüpfte sich mit dem monatelang umstrittenen „Solarpaket 1“. Der Bundestag stimmte am 26. April zu, am 17. Mai billigte auch der Bundesrat das neue Klimaschutzgesetz. „Der Klimaschutz wird vorausschauender und die Gesamtverantwortung aller Bereiche gestärkt – bei weiterhin voller Transparenz einzelner Sektoren“ – hieß es seinerzeit beim federführend zuständigen Bundeswirtschaftsministerium.

„Nahezu alle Änderungen dienen dem Aufschub von Klimaschutzmaßnahmen“

Folgt man Remo Klinger, der für die Berliner Kanzlei Geulen & Klinger Rechtsanwälte die jetzige – und auch die vor vier Jahren erhobene – Beschwerde ausgearbeitet hat, dann ist das eine mindestens eigenwillige Interpretation. Die seit Bekanntwerden der Regierungspläne bereits vielfach kritisierte „Flexibilisierung“, also das Aufweichen zeitlich definierter Emissionsminderungspfade für einzelne Sektoren wie Energie, Verkehr, Gebäude, Industrie oder Landwirtschaft und damit auch die zuständigen Ministerien, ist dabei nur ein Teil seiner Kritik. Das Gesetz belasse es nicht bei diesen Flexibilisierungen, die überdies von der Sache her gar nicht nötig seien, weil auch die bisherige Fassung hier durchaus Möglichkeiten geboten habe.

Die wichtigsten Gesetzesänderungen, so Klinger in einer Mitteilung der DUH, verfolgten vielmehr „nur das Ziel, bis zum Jahr 2030 keine relevanten Klimaschutzmaßnahmen mehr beschließen zu müssen. Damit sollen sowohl der aktuellen als auch der nächsten Bundesregierung weitere Maßnahmen erspart werden.“ In einer stichpunktartigen Zusammenfassung der mehr als 200 Seiten umfassenden Verfassungsbeschwerde heißt es sinngemäß, das novellierte Klimaschutzgesetz missachte das vom Bundesverfassungsgericht 2021 postulierte Recht der Jüngeren darauf, dass ihre künftigen Handlungsoptionen und damit ihre Freiheit nicht durch heutige Unterlassungen eingeschränkt werden. Die „intertemporale Freiheitssicherung“ erfordere die frühestmögliche Einleitung des Übergangs zur Treibhausgasneutralität, aber „nahezu alle Änderungen des novellierten Klimaschutzgesetzes dienen dem genauen Gegenteil, nämlich dem Aufschub von Klimaschutzmaßnahmen.“

Mehr noch: Die Novelle „ignoriert das Ziel der Treibhausgasneutralität“, so die Kritik. Das Klimaschutzprogramm, in dem die Regierung laut Klimaschutzgesetz die Schritte definieren muss, mit denen sie die Gesetzesziele erreichen will, muss laut novellierter Fassung nur noch Maßnahmen für die Zwischenziele enthalten (65 Prozent Reduktion gegenüber dem Basisjahr 1990 bis 2030 und 88 Prozent bis 2040) – dies sind Ziele gemäß Paragraph 3 Absatz 1 des Gesetzes. Paragraph 3 Absatz 2, der das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 definiert, ist in den Programmvorgaben nicht enthalten. Auch ein im Gesetz vorgesehener „Nachsteuerungsmechanismus“ läuft 2040 aus. Die Folge sei, dass selbst bei einer – nach Lage der Dinge höchst wahrscheinlichen – Prognose, der zufolge die angestrebten Emissionsminderungen für 2041 bis 2045 nicht erreicht werden, keine gesetzlich definierten Konsequenzen folgen. Die Bundesregierung müsse also gemäß ihrer Novelle „ab 2040 überhaupt keine Klimaschutzmaßnahmen mehr beschließen und umsetzen, obwohl dann binnen 5 Jahren Klimaneutralität erreicht werden soll.

Systematische Rechtsverletzung durch die Bundesregierung

Diese und noch weitere Kritikpunkte wögen umso schwerer, als schon jetzt die im bestehenden Klimaschutzgesetz vorgegeben Reduktionspfade nicht eingehalten würden – die übrigen Sektoren tun sich weit schwerer damit als der Energiebereich, der bislang durch den schnellen Zubau vor allem von Windkraft und Photovoltaik einigermaßen auf Kurs ist. Der Gebäudebereich etwa, so DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz, „hat die Klimaziele schon viermal verfehlt. Eine Entkernung des Klimaschutzgesetzes wird diese Situation weiter fortsetzen und verschärfen.“ Ihr Amtskollege, Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch, konstatierte eine „Rückabwicklung der Verkehrswende“, die sich nicht allein durch das Aufweichen der Sektorenziele zeige. Die Bundesregierung weite überdies „die finanzielle Förderung von Luxus-Geländewagen mit Verbrennungsmotoren aus und schwächt gezielt den Schienengüter- und Personenverkehr.“

Die DUH ist bei der aktuellen Verfassungsbeschwerde selbst eine der Beschwerdeführerinnen, während sie 2021 formal nicht dazugehörte; dies sei durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zum Verbandsklagerecht möglich geworden. Der Verband führt rund um das Klimaschutzgesetz zudem noch etliche weitere Klagen gegen die Bundesregierung, die mit der Novelle auch nicht hinfällig seien. Jederzeit gern gesehen ist hierbei Unterstützung durch Menschen, die sich den Klagen anschließen.

So hat die DUH im Mai vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ein Urteil erstritten, dem zufolge die Klimaschutzprogramme der Bundesregierung ergänzt werden müssen; vor allem der Verkehrs- und Gebäudesektor seien in der Pflicht. Die Regierung hat hiergegen Revision zum Bundesverwaltungsgericht eingelegt. Zuletzt erhob die Umwelthilfe Klage, weil der im Klimaschutzgesetz geforderte Klimaschutzbericht der Bundesregierung zum gesetzlich vorgeschriebenen Stichtag 30. Juni nicht vorlag. Die Missachtung der Frist geschieht nicht zum ersten Mal, und Remo Klinger erkennt in einer derart „systematischen Verletzung“ eines geltenden Gesetzes durch die Bundesregierung „ein Novum in der deutschen Rechtsgeschichte“. Seine Einschätzung zur Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen durch die Bundesregierung ist deshalb hart: „Es ist ihr entweder egal, oder der politische Wille fehlt dazu.“

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