Eine Forschergruppe unter Leitung von Wissenschaftlern des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat die Installation von Photovoltaik-Balkonanlagen an den Kabinen von Kreuzfahrtschiffen zur Energieversorgung simuliert. Da die Kreuzfahrtindustrie auf Gleichstrom (DC)-Netze an Bord umsteigt, hat das Team drei Ansätze für die Integration von Photovoltaik-Anlagen vorgeschlagen und sie hinsichtlich ihrer Effizienz verglichen. Um den idealen Ansatz zu finden, simulierten sie Kreuzfahrten in der Karibik sowie entlang der norwegischen und dänischen Küste und präsentierten die Leistungen des Systems.
„Dieser Artikel stellt ein realistisches Photovoltaik-System für ein Kreuzfahrtschiff mit Optimierungspotenzial vor. Außerdem wird eine Unterteilung der Photovoltaik-Anlage und die Spannungsebene, an die sie angeschlossen werden kann, vorgeschlagen“, so die Autoren. „Das Konzept wird mit der Einführung eines Batteriespeichersystems, das speziell für diesen Anwendungsbereich entwickelt wurde, weiterentwickelt. Dieses System wird sowohl systemdienliche als auch sicherheitsrelevante Aufgaben übernehmen.“
Im DLR-Vorschlag werden auf jedem Kabinenbalkon zwei Module mit einer Leistung von 250 Watt und einem Wirkungsgrad von 22 Prozent installiert – eines ist in einem Winkel von 90 Grad in die Glasbarriere des Balkons integriert; das andere ist in einem Winkel von 30 Grad unter dem Balkon und zwischen den Decks angebracht. Zur Veranschaulichung: Ein Kreuzfahrtschiff der Helios-Klasse verfügt über 1655 Balkonkabinen, womit eine maximale Photovoltaik-Leistung von 827,5 Kilowatt erreicht wird.
„Das angenommene Niederspannungs-Gleichstromverteilungsnetz basiert auf zwei Spannungsebenen, 700 Volt und 350 Volt. Das 700-Volt-Netz, ausgehend vom Maschinenraum, wird als Haupt-Niederspannungsverteilung betrachtet und versorgt alle Brandabschnitte auf dem Schiff mit Strom“, erklärten die Wissenschaftler. „Ein Brandabschnitt ist definiert als ein Bereich, der durch automatische Brandschotts von anderen Bereichen isoliert werden kann. Die Stromverteilung für jedes Deck innerhalb eines Brandabschnitts, bestehend aus neun Steuerbord-, neun Backbord- und 18 Innenkabinen, ist unidirektional und hat eine untere Spannungsebene von 350 Volt. Die Kabinen werden über ein 48-Volt-Netz versorgt, das aus dem 350-Volt-Netz gespeist wird.“
Drei verschiedene Konzepte gestestet
Auf der Grundlage dieser Merkmale hat die Forschergruppe drei Konzepte vorgeschlagen: Beim ersten werden die Solarmodule direkt an das 48-Volt-Kabinennetz angeschlossen, beim zweiten an das 350-Volt-Verteilernetz und beim dritten an das primäre 700-Volt-Netz. Beim Vergleich aller Vorschläge stellte das Team fest, dass der Umwandlungsverlust bei der dritten Variante um zwei bis drei Prozent höher ist als bei den beiden anderen Systemen. Der Vorschlag für das Kabinennetz war der sicherste, aber auch derjenige mit dem höchsten Kosten- und Wartungsaufwand. Da das 350-Volt-Verteilernetz sicherer als der 700-Volt-Netzvorschlag und kostengünstiger und wartungsärmer als das Kabinenraumsystem war, wurde es als ideales System für die Simulationsaufgabe ausgewählt.

Quelle: DLR Institute of Networked Energy Systems, International Journal of Electrical Power & Energy Systems, CC BY 4.0
Es wurde eine Reihe von Simulationen durchgeführt, um die optimale Größe der Batterie zu ermitteln, wobei nur ein Deck einer Brandzone für die Simulation berücksichtigt wurde. „Die Batterie dient zur Notstromversorgung und zur Pufferung von Lastspitzen in den 36 Kabinen im Normalbetrieb“, so das Team. „Da 18 Innenkabinen von den Photovoltaik-Anlagen der 18 Außenkabinen versorgt werden müssen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Energieertrag ausreicht. Daher ist ein Anschluss an das 700-Volt-Netz unerlässlich. Folglich sollte die Batterie ausreichend groß sein, um einen konstanten Energiefluss von 700 Volt zum 350 Volt-Netz zu gewährleisten.“
Die Decksimulation erfolgte während einer 15-tägigen Karibikkreuzfahrt im März und einer 8-tägigen Kreuzfahrt vor der Küste Dänemarks und Norwegens von August bis September. Es gab hundert Simulationen mit Python, wobei jeder Kabine 37 Bedarfsprofile nach dem Zufallsprinzip zugewiesen wurden. Für den sicheren Betrieb an Deck wurde eine Lithium-Eisenphosphat (LiFePO4)-Batterie angenommen.
„Die beobachteten Autarkiegrade von 45 Prozent bei der Karibik-Kreuzfahrt und 47 Prozent bei der Norwegen-Kreuzfahrt deuten auf ein erhebliches Energieeinsparpotenzial hin. Werden diese Werte auf ein ganzes Schiff der Helios-Klasse hochgerechnet, könnten täglich durchschnittlich 3,2 Megawattstunden respektive 3,8 Megawattstunden eingespart werden“, so das Forscherteam. „Um eine kontinuierliche zusätzliche Stromversorgung durch das Bordnetz aufrechtzuerhalten, sind 1,8 Kilowatt in der Karibik und 2 Kilowatt im norwegischen Fall erforderlich. Um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten, ist eine Batteriekapazität von 161,4 Amperestunden für die Karibikkreuzfahrt und 127,5 Amperestunden für die Norwegenkreuzfahrt erforderlich“.
Die Ergebnisse hat das DLR in der Studie „Efficiency analysis and performance modeling of a photovoltaic system for cruise ship cabins with battery storage using direct current distribution networks“ im „International Journal of Electrical Power and Energy Systems“ veröffentlicht. Die Wissenschaftler des DLR-Instituts für Vernetzte Energiesysteme und von Siemens Energy Global forschten gemeinsam an dem Thema.
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Eine gute Sache, die wohl noch Jahre detailliere Entwicklungsarbeit brauchen wird, bis alles perfekt ineinandergreift.
Als Unding sehe ich allerdings an, dass man überhaupt Sicherheit und Effektivität konkurrieren lässt – bei einem mobilen Objekt, welches „nicht mal schnell“ einen Spezialisten-Trupp + SpezialMaterialien aus näherer Umgebung verfügbar hat !
Auch frage ich mich, warum denn Li-Akkus ?! – Moderne Blei-Akkus bringen ja auf einem Schiff kein Gewichtsproblem – und sind ältere und sicherere Technik als Li-Akkus ?!
Doch: Kreuzfahrtschiffe haben ein riesiges Gewichtsproblem. Vor allem oben, wo die Kabinen sind: Da kommt noch das Problem mit dem Gewichtsschwerpunkt dazu.
Blei-Akkus sind außerdem nicht nur schwer, sondern auch ineffizienz. Und aus Blei und Säure – will man beides nicht im Hotel haben.
Und wie kommst Du darauf, man würde Sicherheit und Effektivität konkurrieren lassen?
Warum überhaupt Akkus? Die Generatoren laufen auf Kreuzfahrtschiffen 24/7 mit und die Oberfläche wird den gigantischen Bedarf nie decken können. Wirkt als hätte die Stidie die ökonomoschen Ask
Pekte völlig außen vor gelassen. Interessant wäre gewesen wie dad Gewicht den Diesel verbrauch erhöht und wieviel die Erzeugung im Gegenzug an Schiffsdiesel einspart.
Ihre Zusammenfassung der Studie unterschlägt leider ein paar wichtige Aspekte, z.B. dass die beiden Module pro Balkon über separate MPP-Tracker (Moduloptimierer) an das DC-Netz angeschlossen sind.
@Herr Friedrichs
Nein, wirtschaftliche Aspekte waren nicht primärer Gegenstand der Untersuchung, sondern die Integration der PV in das DC-Versorgungssystem. Es muss nicht jedes technische Forschungsprojekt gleich die gesamtwirtschaftlichen oder womöglich volkswirtschaftlichen Fragen klären….
Die Studie geht leider nicht näher auf den Unterhaltungsaufwand ein. Schließlich sind die Schiffen auf Meeren unterwegs mit hohem Salzgehalt. Folglich schlägt sich Salz in erhöhtem Maße auf den Modulen nieder. Ohne Module werden die Außenbereiche der Schiffe, hier insbesonde auch Glasbrüstungen, täglich aufwendig gesäubert. Zudem steigt der Aufwand bei Unterhaltungsarbeiten bspw. Farbanstrichen der Außenhaut im Bereich der PV Module, hier insbesondere im Übergangsbereich von 90° zu 30°.
Es ist leider typisch,eine ansich gute Idee wird wieder schlecht geredet und es werden alle möglichen
Probleme herbeifantasiert.
Lasst das Ding doch mal laufen und dann schaun mer mal was draus wird.
So machen das Entwickler und Forscher im wirklichen Leben.