Die Linke schreibt in ihrem Wahlprogramm, dass sie es den Bürgern erleichtern will, an der Energiewende teilzunehmen. Wie will die Linke das erreichen?
Ja, wir wollen die Strom- und Wärmeerzeugung sowie deren Verteilung so dezentral wie möglich und so zentral wie nötig organisieren. Wir setzen deshalb auf Strom und Wärme von den Dächern und Wärmepumpen der Bürgerinnen und Bürger. Wir stärken die aktive Rolle von Bürgern und Betrieben in der Energiewende als Prosumer, die selbst produzierte Energie konsumieren, und fördern hierfür Energiemanagement- und Speichertechnik.
Die Linke spricht sich dafür aus, Energie bezahlbar zu machen. Mit welchen Mitteln planen sie das umzusetzen?
Wir fordern die Senkung der Stromsteuer auf den europäischen Mindeststeuersatz. Mit diesen Maßnahmen lassen sich die Strompreise kurzfristig um bis zu neun Cent je Kilowattstunde senken, das entspricht einer Entlastung von 315 Euro pro Haushalt im Jahr. Wir wollen für den durchschnittlichen Verbrauch von Strom und Heizenergie preisgünstige Sockeltarife schaffen. Wer mehr verbraucht, zahlt mehr. Das ist sozial gerecht und regt trotzdem zum Energiesparen an. Zusätzlich wollen wir einen Energie-Soli für Reiche einführen, mit dem die preisgünstigen Sockeltarife gegenfinanziert werden.
Im Wahlprogramm heißt es, ein Strommarktsystem muss leistungsgerecht sein. Was bedeutet das im Sinne der Linken?
Ein gerechtes Strommarktsystem muss leistungslose Übergewinne ausschließen. Sollten sie durch externe Schocks dennoch auftreten, müssen sie konsequent abgeschöpft werden.
Die Linke lehnt das Merit-Order-Prinzip zur Preisbildung am Strommarkt ab. Welche tragfähige Alternative schlägt die Linke als Ersatz vor?
In der Diskussion sind verschiedene Modelle, denen wir als Linke etwas abgewinnen können. (Hierzu vertieft ein Papier der Europäischen Linken im Europaparlament). Klar ist für uns: Wenige teure fossile Kraftwerke dürfen nicht mehr die Preise für den gesamten Strommarkt setzen. Ziel des Strommarktsystems muss es sein, allen Verbraucherinnen und Verbrauchern bezahlbaren Strom zur Verfügung zu stellen, anstatt Konzernen Profite zu ermöglichen. Wir kämpfen für eine Versorgung mit Strom und Wärme in der Hand von Bürgern, von Kommunen und Genossenschaften, nicht von Konzernen. Wir wollen einen Fonds, aus dem Genossenschaften und Kommunen eine Anschubfinanzierung erhalten können, wenn sich ein konkretes Projekt als wirtschaftlich schwierig umsetzbar erweist. Der Fonds kann beispielsweise durch die Einnahmen aus einer Übergewinnsteuer gespeist werden.
Die Linke setzt auf klare Vorgaben und will nachhaltige Alternativen stärker fördern.
Die Linke fordert in ihrem Wahlprogramm eine neue Netzentgeltstruktur. Wie soll diese aussehen?
Wir fordern eine neue Netzentgeltstruktur. Stromerzeuger und der internationale Stromhandel müssen an den Kosten des Stromtransports beteiligt werden. Strom soll so möglichst erzeugungsnah eingesetzt werden.
Da Stromerzeuger ihre Kosten auf den Strompreis umlegen, kommen die Kosten dafür schlussendlich wieder beim Verbraucher an. Welche Vorteile verspricht sich die Linke davon, Stromerzeuger an den Kosten des Stromtransports zu beteiligen?
Regionale Stromproduzenten erhalten dadurch in ihrer Region Kostenvorteile. Wir versprechen uns durch eine Verringerung des Netzausbaubedarfs und somit niedrigere Netzkosten und somit letztlich auch eine relative Entlastung bei den Verbraucher*innen.
Wie beabsichtigt die Linke, Gewerbetreibende dazu anzuregen, ihre industrielle Stromnachfrage zu flexibilisieren?
Eine flexible Stromnachfrage von Großverbrauchern, etwa von Kühlhäusern, soll belohnt werden.
Die Linke plant, die Strompreise durch den Erlass der Stromsteuer zu senken. Wie hoch werden die einnahmenseitigen Verluste für den Bundehaushalt sein? Wie sollen die Einnahmen ersetzt werden?
Die Absenkung der Stromsteuer auf das EU-Mindestmaß, wie Die Linke es fordert, würde rund drei Milliarden Euro Mindereinnahmen bedeuten. Die Linke hat ein umfassendes Steuerkonzept vorgelegt, mit dem wir untere und mittlere Einkommen entlasten und Spitzenverdienende,
Superreiche und Konzerne mehr zur Finanzierung des Allgemeinwohls heranziehen. So ersetzen wir auch die Mindereinnahmen bei der Stromsteuer.
Welche Orte sieht die Linke als strategisch günstig, für den Aufbau von Energiespeichern?
Langzeit-Energiespeicher für die Dunkelflaute wollen wir an strategisch günstigen Orten in das bestehende Stromnetz integrieren, sodass der Netzausbau minimiert werden kann. Wir stärken die aktive Rolle von Bürgern und Betrieben in der Energiewende als Prosumer, die selbst produzierte Energie konsumieren, und fördern hierfür Energiemanagement- und Speichertechnik.
Was bedeutet die Wahlprogramm-Aussage: „Wir überlassen die Energiewende nicht dem Markt?“
Wir halten politische Instrumentarien, die ausschließlich auf Anreize, Subventionen und Monetarisierung setzen für unzureichend. Die Steuerungswirkung zum Beispiel vom CO₂-Preis ist gerade im Segment der Wohlhabenden – mit dem größten ökologischen Fußabdruck
zweifelhaft. Hier braucht es stärkere ordnungspolitische Vorgaben. Die öffentliche Hand soll auch selbst aktiv werden im Aufbau der neuen Energieversorgung: Der größte Teil unserer zukünftigen Energieversorgung muss erst noch gebaut werden. Der
Staat und Kommunen sollen sich stark am Aufbau der erneuerbaren Energien beteiligen, auch um so große Teile der Energieproduktion in die öffentliche Hand zurückzuholen. Das wollen wir nutzen, um Windrad- und Solarfabriken (wieder) in Deutschland anzusiedeln.
Wie will die Linke Windrad- und Solarfabriken (wieder) in Deutschland ansiedeln und dabei international wettbewerbsfähig bleiben?
Europäischen Produzenten ist es kaum mehr möglich, mit ihren subventionierten Konkurrenten aus dem außereuropäischen Ausland standzuhalten. Insbesondere die Volksrepublik China und die Vereinigten Staaten fördern die Solarindustrie auf vielfältige Weise und in erheblichem Umfang, was zu Verzerrungen am Weltmarkt geführt hat. Europäische Hersteller sitzen auf vollen Lagern, da sie ihre Produkte derzeit nicht verkaufen können. Die Lagerbestände stellen gebundenes Kapital dar und beeinflussen die wirtschaftliche Bilanz der Unternehmen. Wir fordern einen Resilienzbonus im Rahmen der Solarförderung, sichere Absatzmärkte für klimafreundliche Produkte durch massive öffentliche Ausschreibungen für den Kauf
von Solarmodulen schafft, deren inhaltliche Ausgestaltung Resilienz- und Nachhaltigkeitskriterien in den Mittelpunkt stellt. Und wir streiten für einheitliche europäische Standards für Sorgfaltspflichten entlang der Lieferketten. Das würde dazu beitragen, Wettbewerbsnachteile für europäische Solarmodulhersteller auszugleichen, die – anders als internationale Konkurrenten – den Anforderungen
bereits entsprechen.
Welche Förderprogramme plant die Linke für Energiemanagement und Speichertechnik?
Als Erstes müssen die bestehenden Förderprogramme wieder freigegeben werden, die wegen der vorläufigen Haushaltsführung des Bundes gesperrt sind. Wir wollen die bestehenden Förderprogramme zunächst verstetigen und aufstocken. Im Rahmen einer Evaluierung müssen die Förderprogramme gegebenenfalls neu justiert werden.
Welche Dachpflichten plant die Linke für den Solarausbau auf Privat- und Gewerbedächern?
Die Partei Die Linke plant eine verpflichtende Installation von Photovoltaik- oder Solarthermieanlagen bei Neubauten und größeren Bestandsgebäudesanierungen.
Wie will die Linke Städte und Gemeinden gezielt bei dem Aufbau von Erzeugern erneuerbarer Energien unterstützen?
Wir sehen zusätzliche Investitionen in Höhe von zwölf Milliarden Euro jährlich für die kommenden Jahre für den Ausbau der erneuerbaren Energie vor. Diese sollen zu einem großen Anteil an die Kommunen gehen.
Welche Förderprogramme plant die Linke für kleine E-Fahrzeuge? Was bedeutet „klein“?
Die Linke hält am Job-Bike fest, auch für E-Bikes und Pedelecs. Nach Bedarf fördern wir den Umstieg auf effiziente E-Autos für Handwerk, soziale Dienste, Taxibetriebe, Kleingewerbe und Menschen auf dem Land mit niedrigem Einkommen. Die Förderprogramme sollten als
Kriterien den Energieverbrauch in der jeweilig vorgesehenen Anwendung ebenso, wie die Verfügbarkeit berücksichtigen. „Klein“ ist somit etwas anderes für ein Handwerkerauto als für einen Ein-Personen-Haushalt im ländlichen Raum. Für einen durchschnittlichen Haushalt halten wir Privat-PKWs über 2 Tonnen für „zu groß“.
Welche Investitionen für die öffentliche Ladeinfrastruktur sind geplant?
Die Linke will den zügigen Ausbau einer öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur, vor allem in öffentlicher und genossenschaftlicher Hand. EU-Regelungen, die das Betreiben von Ladeinfrastruktur und Stromnetz einschränken, wollen wir zurücknehmen.
Wo sieht die Linke Einsatzgebiete für Wasserstoff? Wo soll er erzeugt werden?
Wasserstoff ist der Champagner der Energiewende: teuer und energieintensiv. Deshalb darf Wasserstoff nur dort eingesetzt werden, wo er absolut unverzichtbar ist, vor allem in Bereichen der industriellen Produktion. Perspektivisch wollen wir, dass in allen
Anwendungsbereichen lediglich Wasserstoff aus der Elektrolyse von Strom aus erneuerbaren Energiequellen zum Einsatz kommt. Wir wollen die Herstellung und den Transport von Wasserstoff in Deutschland mit Mitteln aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) ausbauen. Den Import
und die Förderung von Wasserstoff aus Atomkraft oder fossilen Quellen lehnen wir ab. Den Import von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien wollen wir auf ein notwendiges Minimum begrenzen.
Die Fragen stellte Scarlet Schmitz.
Außerdem stellten wir unsere Fragen noch an CDU, SPD, die Grünen und FDP. Die Antworten veröffentlichen wir nach und nach, in der Woche vor der Bundestagswahl.
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Zitat: Die Linke lehnt das Merit-Order-Prinzip zur Preisbildung am Strommarkt ab. Welche tragfähige Alternative schlägt die Linke als Ersatz vor? Zitat Ende.
Ich erlaube mir mal mit einem Vorschlag für die „Linke“ einzuspringen.
Ganz ohne Merit Order kann ich mir den Strommarkt nicht vorstellen. Bei etwa 90% EE nach dem Ausschreibungsmodus, werden die letzten 10% mit einem Kapazitätsmarkt – Vorschlag der CDU – bedient. Dieser funktioniert dann technologieoffen nach dem Merit Order Prinzip. Wenn mit EE geladene Speicher diesen Kapazitätsmarkt dominieren, haben die teuren Gaskraftwerke – zu mindestens im Sommerhalbjahr – keine Chance den Preis zu bestimmen. Der Merit Order Effekt findet andersrum statt. Das preisbestimmende Grenzkraftwerk in Gestalt eines Speichers muss möglicherweise sogar noch preislich fixiert werden.