Liebe europäische Solarindustrie: Falls wir uns nicht die Butter vom Brot nehmen lassen wollen, brauchen wir eine gemeinsame Plattform-Strategie, bevor es zu spät ist.
Während China die CAPEX für Module und Wechselrichter im Alleingang reduziert, hat Europa langsam, aber sicher verstanden, dass Hardware nicht der heilige Gral ist – ganz allgemein gesprochen. Der Aufstieg von Huawei, Sungrow und Co. wird nicht durch zusätzliche Forschungs- & Entwicklungsausgaben oder die Optimierung der Lieferkette aufgehalten. Die Auswirkungen kennen wir bereits: Solarworld, ABB, Schneider und KACO. Derzeit steht der globale Technologieführer SMA enorm unter Druck, so liest man es in der Presse. Wood Mackenzie bestätigt diesen Trend unlängst und erwartet eine weitere Konsolidierung im Wechselrichtermarkt.
Was wird als Nächstes passieren? Vielleicht eine andere europäische Spezialität? Die Datenlogger-Unternehmen? Die führenden Wechselrichterhersteller schließen die Datenlücke und integrieren alle relevanten Funktionalitäten direkt in die Wechselrichter, Byte für Byte.
Umsätze und Margen für Hardware werden auch in Zukunft unruhige Zeiten durchlaufen. Ist es an der Zeit für eine neue Strategie, um sich zumindest digital mit einem „Global Champion“ durchzusetzen?
Die Plattform Strategie
Unsere Antwort muss eine gemeinsame Plattformstrategie sein. Ein offenes Netzwerk, welches die Kräfte bündelt und Kunden über ein einziges Interface bedient. Alle Produkte und Services der Solarindustrie aus einer Hand. Eine horizontale Ebene, die mit allen Photovoltaik-Anlagen verbunden ist und als First-Level-Support dient, um Potenziale in Echtzeit zu identifizieren. Diese Potenziale müssen direkt mit Angeboten von vertikalen Spezialisten – beispielsweise Anlagenreinigung, Direktvermarktung, Versicherung oder Speicher/Batterie – verknüpft werden. Genau wie Amazon, nur für Solar.
Eine Solarplattform (IoT) hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber herkömmlichen Plattformen: Sie ermöglicht es, die Nutzer proaktiv über Potenziale zu informieren, da die Solarplattform immer über ein Monitoring mit der Photovoltaik-Anlage verbunden ist und Potenziale über die KI-Datenanalyse identifiziert. Bei einer herkömmlichen Plattform muss der User den Bedarf ermitteln, online gehen, sich informieren, Optionen auswählen und entscheiden. Eine Solarplattform, die immer mit der Photovoltaik-Anlage verbunden ist, identifiziert Bedürfnisse und bietet direkt Lösungen an, sortiert nach Preis und Qualität, damit die User nur noch mit einem einzigen Klick das endgültige „GO“ auslösen brauchen.
Die Wettbewerbslandschaft
Europa, insbesondere Deutschland als Geburtsort der Solarenergie, hat die einzigartige Chance, eine Plattformstrategie für Millionen von Photovoltaik-Anlagen zu entwickeln und mittels Daten zu vernetzen. Die Daten sind dabei der entscheidende Punkt, da sich Bedürfnisse ermitteln und in Potenziale übersetzen lassen, um Usern die Wege der Ertragssteigerung zu zeigen. Durch den historischen Standortvorteil haben wir derzeit noch gute Karten und es wäre wünschenswert, nicht noch ein weiteres Plattform Business an die USA oder China zu verlieren. Und bitte vergessen Sie nicht, dass ein Plattform-Business in der Regel nur einen Gewinner kennt, der die gesamte Branche dominiert. Der globale Wettbewerb ist auf dem Vormarsch.
Aus dem Osten kommt Huawei, der weltweit führende Wechselrichterhersteller, der 2018 insgesamt 15 Milliarden US-Dollar für Forschung und Entwicklung innerhalb der gesamten Holding ausgab, ist bereits mit „AI BOOST Fusion Solar“ im Rennen, einer digitalen Plattform für die Solarindustrie, um jede PV-Anlage mit jedem Photovoltaik-Unternehmen zu verbinden. Wenn der Hardware-Konkurrent Nummer 1 auch noch die digitale Plattform steuert, könnte das für die europäischen Akteure durchaus schwierig werden.
Aus dem Westen kommen US-Unternehmen wie Also Energy, die aktuelle Nummer 1 mit 30 Gigawatt, nachdem Skytron, Locus und Deck übernommen wurden, hat das Unternehmen rund 193.000 Photovoltaik-Anlagen im Residential-, Commercial- & Industrial als auch im Utility/SCADA-Segment. Ein One-Stop-Shop für alle mit einem gemischten Photovoltaik-Portfolio. Also Energy könnte noch 2 bis 3 Jahre benötigen, um die hinzugekauften Portale zusammenzuführen. Aber sobald es erledigt ist, ist Also Energy ein echtes Schwergewicht.
Ein weiteres Beispiel: Meteocontrol, einer der führenden Monitoring-Anbieter mit Hauptsitz in Augsburg, wurde 2014 von Shunfeng International Clean Energy aus China übernommen.
Wie steht es um Europa?
Europa hat SMA mit 20 Gigawatt und 330.000 Photovoltaik-Anlagen. Europa hat Solare Datensysteme (Solar-Log) mit 14 Gigawatt und 300.000 Photovoltaik-Anlagen. Europa hat Siemens/Kaco, Schneider Electric, Fimer/ABB, KOSTAL, Fronius, Danfoss, Delta, Refu und viele mehr. Green Power Monitor (GPM) hatte einen erstaunlichen Erfolg mit einem Zuwachs von 8 auf 22 Gigawatt in den letzten zwei Jahren. Da GPM sich auf Utility/SCADA konzentriert, verwaltet das Unternehmen jedoch „nur“ 3500 Photovoltaik-Anlagen.
Die Verknüpfung aller Portfolios mit einer einzigen offenen Plattform bedeutet, eine zentrale Schnittstelle für eine große Anzahl von Photovoltaik-Anlagen und Unternehmen zu haben. Am Ende des Tages wandelt jede Photovoltaik-Anlage Sonnenlicht in Energie um, sie teilt Daten, muss gereinigt werden, braucht Versicherungen, Finanzierungen, Repowering, Direktmarketing und O&M: Insgesamt mehr als 35 Dienstleistungen während ihrer Lebensdauer.
Europa braucht ein Amazon für Solar
Derzeit wäre es für Europa vergleichsweise einfach, das nächste Amazon/Airbnb/Alibaba für unseren Photovoltaik-Markt zu entwickeln, solange wir bei direkt angeschlossenen PV-Anlagen an europäische Server noch führend sind. Die Zeit läuft jedoch, denn die Welt installiert immer mehr chinesische Wechselrichter, was den Verlust der Kundenschnittstelle (Monitoring-Portal) bedeutet. Die Bündelung der Kräfte, um eine starke Nachfrageseite (Netzwerk von Millionen von PV-Anlagen) aufzubauen und mit der Angebotsseite (jedes PV-Produkt und jede PV-Dienstleistung da draußen) zu verbinden, muss unsere Antwort auf den globalen Wettbewerb sein.
Einzelne bilaterale Partnerschaften sind ein positives Zeichen, aber nicht genug, um ein modernes Ökosystem aufzubauen, das die Nutzer weltweit lieben.
Andere Industrien haben diesen schmerzhaften Prozess durchlaufen und jetzt geschieht es innerhalb der Solarbranche. „Wir brauchen ein Amazon“ auf dem Markt, sagt ein Architekt in einem „Greentech Media“-Artikel, eine Plattform, die dem Benutzer sagt, was er tun soll und wann er es tun soll, alles datengesteuert mit voller Preistransparenz, denn „Kosten sind die größte Barriere“ für die Skalierung von Photovoltaik.
Die einzige Frage ist: Werden wir führen oder folgen?
Wir laden alle ein, ihre Kräfte zu bündeln und eine offene Plattform aufzubauen, in die sich Solar-Nutzer verlieben können: https://www.solytic.com/plattform/
— Konrad Perenyi ist Gründer und Geschäftsführer von Solytic, einem unabhängigen, VC-finanzierten Start-up aus Berlin. Es baut die erste europäische Plattform für Photovoltaik-Anlagen auf. —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com
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sehr interessant
Hallo Herr Perenyi,
besten Dank für Ihren Aufruf!
Ja, wir sollten uns nicht von einem US-amerikanischen oder asiatischen Konzern beherrschen (digital kolonialisieren) lassen, aber m.E. auch nicht von von einem europäischen. Das gemeinsame Ziel sollte das Gelingen der Energiewende sein, nicht ein weiteres Konsortium/Unternehmen als „man in the middle“.
Anstelle eines „PV-Amazon“ benötigen wir eine wirklich transparente Plattform mit einer kooperativen Governance und einer offenen, standardisierten Sprache für den Datenaustausch, eine Art „Datenesperanto“ oder „Digitalisierungs-GSM“ für den Energiesektor.
Die letzten drei Jahre wurde hierfür, aufbauend auf europäische Standards und SGAM (Smart Grid Architecture Model), eine durchgängige Prozesskette, von der Use-Case-Beschreibung bis zur Veröffentlichung getesteter Integrationsprofile erprobt und dokumentiert – das Wissen hierfür ist frei zugänglich.
Dies ist die jüngste wissenschaftliche Veröffentlichung zum Thema: http://www.mdpi.com/1996-1073/11/12/3375/pdf
Gerne stehe ich für weiterführende Gespräche zur Verfügung – bitte nehmen Sie gerne über die Redaktion Kontakt zu mir auf.
Mit sonnigen Grüßen
Georg Koch
(Projektpartner von IES – Integrating the Energy System)