Sunowe und der Zollbetrug: Module abschrauben ist möglich

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Ein „Betrugskartell mit Solarmodulen“ hat die Zollfahndung nach eigener Aussage am vergangenen Montag ausgehoben. Betroffen ist (wie berichtet) die in Nürnberg ansässige Firmengruppe Sunowe Photovoltaic. Die Sunowe Solar GmbH ist nach eigenen Angaben „deutsche 100-prozentige Tochtergesellschaft der chinesischen Zhejiang Sunflower Light Energy Science & Technology Limited Liability Company“. Sunowe sowie ein weiteres Dutzend Firmennamen der Gruppe schmücken den Briefkasten des Firmensitzes. Offenbar günstige Solarmodulpreise sowie das Versprechen, „unsere Module lagern wir in Deutschland und wir können diese direkt ab Lager verkaufen“, locken Kunden an. Der Kunde schließt seine Verträge mit einer deutschen Gesellschaft, gerne in deutscher Sprache und alle Bestimmungen unterliegen deutschem Recht“. Es lockte viele, „chinesische Qualitätsmodule zum attraktiven Herstellerpreis direkt ab Deutschland“ zu kaufen. Zumal „Bestellung und Garantieabwicklung nach deutschem Recht in deutscher Sprache“ stattfindet, wie auf der Sunowe-Webseite zu lesen ist.

Doch laut Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth soll die Sunowe-Gruppe dabei gegen die seit Jahren geltende, EU-weite Mindestimportpreisregelung verstoßen haben. Die Mindestimportpreise soll „chinesische Billigimporte zum Schutz der europäischen Wirtschaft unterbinden“. Der Zoll will den Verstoß bei „über 150 Importvorgängen“ nachweisen, alle aus dem Zeitraum November 2013 und November 2016. Dafür haben Beamte auf richterliche Anordnung 17 Privat- und Firmenräume durchsucht. Auf 30 Millionen Euro beziffern die Behörden die hinterzogenen Zölle.

Milan Nitzschke, Präsident des Verbands EU Prosun spricht für etwa 30 europäische Hersteller und mehr als 200 Installationsfirmen. Sie wehren sich dagegen, dass „die chinesische Regierung zuerst Überkapazitäten im eigenen Land finanziert und danach mit Staatsbankkrediten den Export zu Dumpingpreisen“. Der Verband hätte sich einen 50-prozentigen Importzoll gewünscht, den die EU-Kommission zunächst auch vorgeschlagen hat, aber Ende 2013 dann in einen Mindestpreis von 56 Cent pro Watt umgewandelt hat. Zuvor waren Module für unter 50 Cent pro Watt verkauft worden.

Wenn die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth stimmen, hat Sunowe diesen Mindestimportpreis wohl umgangen. Und zwar durch „ein ausgeklügeltes Modell von Schein- und Briefkastenfirmen in Luxemburg und Hongkong“ mit „möglichst großer Intransparenz“, wie die Ermittler mitteilen. So konnte der „von China aus agierende Produzent seine Solarmodule günstig auf dem deutschen Markt platzieren“, behauptet der Zoll weiter.

Nicht nur EU Prosun-Präsident Nitzschke geht davon aus, in den nächsten Monaten werden weitere mögliche Zollbetrugsfälle öffentlich. Zumal schon kurz vorher in Nürnberg ein anderes Zollbetrugsverfahren mit Bewährungsstrafen von jeweils 16 Monaten für zwei „Mitläufer“ endete. In diesem Fall ging es um die Umgehung der Mindestimportpreise durch den chinesischen Photovoltaik-Hersteller Risen Energy. Nach dem Hauptverdächtigen werde jedoch weiterhin gefahndet, heißt es von der Nürnberger Justiz. In der Anklageschrift war der Zollschaden mit acht Millionen Euro beziffert worden. Die zwei nun Verurteilten waren nur für einen Teil des Schadens verantwortlich; zwei andere Verdächtige wurden freigesprochen. Die schriftliche Urteilsbegründung liegt nach Gerichtsangaben aber noch nicht vor.

Kunden können in Sachhaftung genommen werden

Doch nicht nur die Hersteller, Importeure und Händler von falsch verzollten Modulen, sondern auch Endkunden müssen Konsequenzen fürchten: „Sachhaftung“ heißt der § 76 der deutschen Abgabenordnung. Dort steht: „Verbrauchsteuer-, einfuhr- und ausfuhrabgabenpflichtige Waren dienen ohne Rücksicht auf die Rechte Dritter als Sicherheit für die darauf ruhenden Steuern.“ Die Finanzbehörden könnten also grundsätzlich auch Module bestehender Photovoltaik-Anlagen abschrauben lassen, um an hinterzogene Abgaben zu kommen.

Tristan Wegner, Rechtsanwalt von O&W Rechtsanwälte in Hamburg, hat zwar „noch keinen Fall gehabt, wo Module abgeschraubt wurden. Aber auf diesen Risikopunkt weisen wir unsere Mandanten explizit hin“. Die Einschätzung des auf Zollvergehen spezialisierten Juristen: „Der Käufer fährt ein gewisses Risiko. Auch wenn er verzollte Module kauft, ist er noch lange nicht auf der sicheren Seite. Denn er ist davon abhängig, dass sein Lieferant ordnungsgemäß verzollt hat.“

Milan Nitzschke nennt zwar keine Namen, erklärt aber: „2014 hat EU Prosun der EU-Kommission 1000 Seiten Belege für Preise unter Mindestpreis gegeben. Es hat zwei Jahre gedauert, bis die Kommission eine Bezollung erlaubt hat, sogar nachträglich.“ Denn wer den Mindestimportpreis umgehe, schade den Arbeitsplätzen in Europa. So ist es auch kein Wunder, wenn er sagt: „Ich bin sehr froh, wenn sich jetzt erste Ergebnisse zeigen.“ Und er geht davon aus, in den nächsten Monaten werden weitere mögliche Zollbetrugsfälle öffentlich. Aber auch dann „wird sich mein Mitleid sehr in Grenzen halten“, so Nitzschke.

Im Fall Sunowe wurden die Solarmodule nach Behördenangaben in „Energie- und Solarparks im gesamten Bundesgebiet sowie im europäischen Ausland“ geliefert. „Die Einhaltung des Mindestimportpreises wurde lediglich vorgetäuscht und durch verschleierte Rückzahlungen oder Manipulation von Montage- und Zubehörkosten unterschritten“, schreibt der Zoll. Sprich: Zuerst dürften höhere Preise abgerechnet und später durch Gutschriften ausgeglichen worden sein.

Milan Nitzschke von EU Prosun erklärt: „Dass der deutsche Zoll hier tätig wird und geltendes Recht umsetzt, ist bitter notwendig, um noch mehr Schaden zu verhindern.“ Doch schießen die Behörden dabei über das Ziel hinaus? „Seit einiger Zeit spielt der Zoll verrückt. Da werden schon mal Container in Häfen gesperrt, auch wenn dafür Einfuhrgenehmigungen vorliegen“, erklärt jedenfalls ein alteingesessener, als seriös bekannter Solarunternehmer, der aber anonym bleiben will.

Bei der Sunowe-Gruppe wurden die Behörden aber offenbar fündig: Es werde zurzeit gegen acht Beschuldigte ermittelt. Gegen drei von ihnen wurden Haftbefehle vollstreckt. Unter anderem sitzt Yo Ling (Name geändert) aus Zirndorf in U-Haft. Ihres in China gemeldeten Geschäftsführer-Kollegen konnte die Staatsanwaltschaft nach eigener Aussage „noch nicht habhaft werden“.

Ling, die Geschäftsführerin der zentralen Sunowe Solar GmbH, bekleidet diese Funktion auch bei vielen andern Sunove-Gruppen-Firmen in mehreren Ländern, zum Beispiel bei der rumänischen XPV S.A. aus Sibiu. In vorliegenden Unterlagen zu XPV taucht aber auch der Name Christian Pech auf. Er ist Vizelandrat des Landkreises Erlangen-Höchstadt. Wegen dieser und anderer ehrenamtlicher Funktionen des Lokalpolitikers, unter anderem als SPD-Vizechef im Landkreis oder Vorsitzender der dortigen Arbeiterwohlfahrt, hat dieser Fall auch politische Bedeutung. Denn Pech sitzt seit letzter Woche ebenfalls in Untersuchungshaft. Das dürfte der Grund sein, warum auf telefonischer Nachfrage bei Sunowe nur die Auskunft bekommen war: „Herr Pech ist auswärts unterwegs. Das kann sich noch ein paar Wochen hinziehen.“ (Heinz Wraneschitz)

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