Lokale Strompreiszonen würden Kosten senken und Versorgungssicherheit erhöhen

Stromnetz - Mast mit Leitungen vor untergehender Sonne

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In der kommenden Woche wird von den europäischen Stromnetzbetreibern der sogenannte „Bidding Zone Review“ veröffentlicht. Nach den Erwartungen von Agora Energiewende wird dies die Diskussionen über das Festhalten an einer einheitlichen Strompreiszone in Deutschland erneut entfachen, auch wenn sich CDU, CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag vorerst darauf verständigt haben. Denn nach Ansicht des Berliner Think-Tanks birgt das Festhalten an der bundesweit einheitlichen Strompreiszone zunehmend die Gefahr von Fehlanreizen, was wiederum mehr teure Netzeingriffe erforderlich macht. So seien die Redispatch-Kosten zwischen 2019 und 2023 von 1,3 auf 3,2 Milliarden Euro angestiegen. Wenn nichts verändert werde, könnten sie sich in den kommenden Jahren noch weiter erhöhen, so Agora Energiewende.

Daher schlägt der Think-Tank eine Umstellung auf ein System lokaler Preise vor. Dies könne Redispatch-Kosten einsparen und zugleich die Versorgungssicherheit in Deutschland stärken. Zu diesem Ergebnis kommt die 96-seitige Studie „Lokale Strompreise – Wie die Integration der Netzrealität in den Strommarkt gelingt und Kosten senkt„, die Agora Energiewende gemeinsam mit dem Fraunhofer IEE erstellte und am Freitag veröffentlichte. So ließen sich mit lokalen Preisen Angebot und Nachfrage besser in Einklang bringen. Das Übertragungsnetz werde zudem gleichmäßiger ausgelastet.

Nach der Analyse, die basierend auf den realen Strommarktdaten aus den Jahren 2019 bis 2023 erfolgte, hätten die Stromkosten 2023 für Unternehmen und Haushalte im bundesweiten Schnitt um gut sechs Euro pro Megawattstunde gesenkt werden können, wenn es lokale Preissignale gegeben hätte. Je mehr der Zubau von Photovoltaik und Windkraft sowie Speichern voranschreitet und auch mehr flexible Verbraucher ans Netz gehen, umso mehr verstärke sich der Preisvorteil, so Agora Energiewende weiter.
„Das deutsche Stromsystem mit der einheitlichen Gebotszone ist derzeit blind für die Auslastung des Übertragungsnetzes“, erklärt Markus Steigenberger, Geschäftsführer der Agora Think-Tanks. „Unsere Studie zeigt, dass durch lokale Preise teure Redispatch-Maßnahmen vermieden werden – damit können sie einen wichtigen Beitrag für einen günstigen und effizienten Strommarkt leisten.“

Aktuell fehle es im deutschen Strommarkt an Anreizen, dass gerade Batteriespeicher und andere flexible Verbraucher ihren Stromverbrauch anpassen, um Netzengpässe zu vermeiden. Indem lokale Preise Angebot, Nachfrage und Netzauslastung in verschiedenen Regionen berücksichtigen, tragen sie zum Erhalt des hohen Niveaus der Versorgungssicherheit im deutschen Stromsystem bei und senken die Gesamtkosten, wie Agora Energiewende weiter argumentiert.

In der Studie verglichen die Autoren drei mögliche Szenarien: eine einheitliche Preiszone, eine Aufteilung in drei Preiszonen und die Differenzierung in 22 lokale Preiszonen. Das Ergebnis: „Wenige große Preiszonen könnten weiterhin erhebliche Netzengpässe verursachen und bergen das Risiko späterer Zonen-Neuzuschnitte. Dagegen sind lokale Preise tendenziell von Vorteil, um die Marktakteure möglichst zielgenau zu informieren und Redispatch-Maßnahmen vorzubeugen.“ Nicht festlegen wollte sich Agora Energiewende, ob es effizienter ist, diese lokalen Preise durch viele kleine Preiszonen oder ein System einzelner Netzknoten umzusetzen. Dazu bedürfe es weiterer Untersuchungen.

In den vorliegenden Modellrechnungen für 2019 bis 2023 war die Einrichtung von 22 lokalen Preiszonen bei den Strompreisen für die Verbraucher immer günstiger als ein einheitlicher Strompreis inklusive Redispatchkosten. In 18 der 22 Preiszonen hätte der durchschnittliche Strompreis um bis zu 33 Euro pro Megawattstunde niedriger gelegen als mit der einheitlichen Preiszone. Im bundesweiten Durchschnitt hätte sich eine Ersparnis von 6 Euro pro Megawattstunde ergeben.

Gleichzeitig wären jedoch auch die Markterlöse für die Erzeuger gesunken. Agora Energiewende führt speziell die Windkraft in Norddeutschland an, die lokal zu niedrigeren Preisen hätte verkauft werden müssen. Damit steige der Zuschussbedarf aus dem EEG-Konto, über das die Übertragungsnetzbetreiber die EEG-Vergütungen finanzieren. Agora Energiewende zufolge hätten aber die betrachteten energiewirtschaftlichen Effizienzgewinne bereits in den vergangenen Jahren den steigenden Förderbedarf leicht übertroffen. Zudem würde dieses System Anreize für einen netzdienlichen Ausbau von Erzeugungskapazitäten setzen.

Daneben zeigen die Untersuchungen, dass sich durch die lokalen Strompreiszonen erhebliche Engpassrenten erzielen ließen. Dies sind Einnahmen, die durch den Stromtransport zwischen den jeweiligen Zonen oder Netzknoten entstehen. Nach der Analyse wären die Übertragungsnetzbetreiber so im Untersuchungszeitraum auf jährlich 1,2 Milliarden Euro im Schnitt dieser Engpassrenten gekommen. Mit diesen zusätzlichen Mittel hätten dann Nachteile für industrielle Großverbraucher oder Unternehmen im internationalen Wettbewerb ausgeglichen werden können.

Erste Schritte

Ein erster Schritt zu einem solchen System könnte eine Ergänzung der Preiszone um lokale Investitionssignale sein, heißt es von Agora Energiewende. Daneben müsse ein liquider Terminhandel für lokale Strommärkte etabliert werden. Auch sollte die Wirtschaftlichkeit von Erneuerbaren-Investitionen flächendeckend gesichert werden, etwa über einen neuen Investitionsrahmen. Zusätzliche marktliche Absicherungsmechanismen sollten für eine Begrenzung der Preisschwankungen sorgen.

„Auch wenn der Koalitionsvertrag an einer einheitlichen Strompreiszone festhält, sollte die künftige Bundesregierung zeitnah ein Zielbild für einen lokal differenzierten Strommarkt erarbeiten. Dazu gehört eine mit den europäischen Partnern abgestimmte Roadmap zur Umsetzung lokaler Preise – für ein effizientes deutsches Stromsystem von den Küsten bis zu den Alpen“, sagt Markus Steigenberger.

Der „Bidding Zone Review“ ist für den 28. April angekündigt. Der Bericht der Übertragungsnetzbetreiber wird für das Jahr 2025 verschiedene Möglichkeiten zur Aufspaltung der einheitlichen Gebotszone erörtern.

Agora Energiewende will in der kommenden Woche auch sein „Agorameter“-Tool erweitern. Ab 30. April soll es „Das Lokale Agorameter“ geben, in dem Erzeugung, Preise und Stromflüsse auch in einem modellierten System mit 22 lokalen Preisen – so genannte Hubs – betrachtet werden können. Dafür stünden Daten seit 2019 zur Verfügung.

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