Eine „Windcharta“ hat die Europäische Union bereits seit dem vergangenen Dezember, am Montag kam nun eine „Europäische Solarcharta“ hinzu. Bei einem informellen Treffen der EU-Energieminister wurde das rund drei Seiten umfassende Dokument verabschiedet, es wird getragen von 23 der 27 Mitgliedsländer, der Europäischen Kommission sowie der Solarbranche, vertreten durch die Verbände Solar Power Europe und European Solar Manufacturing Council (ESMC). EU-Energiekommissarin Kadri Simson hatte die Charta gemeinsam mit Binnenmarktkommissar Thierry Breton bereits vor rund einem Monat angekündigt.
Die Solarcharta ist in zwei Abschnitte unterteilt: „Handlungen der EU-Länder und der Industrie“ sowie „Handlungen der Kommission“ In einem dritten, nur zwei Sätze umfassenden Abschnitt „Beobachtung und Bewertung“ verpflichten sich die Unterzeichnenden, künftige Entwicklungen im Solarbereich zu beobachten und „zu fairen und wettbewerbsorientierten internationalen Bedingungen“ beizutragen. Weiterhin werde die Kommission ein Jahr nach Unterzeichnung die Umsetzung der Charta bewerten.
Die von Mitgliedsländern und Industrie (wobei das englische Wort „Industry“ die gesamte Branche, also auch Handel und Vertrieb bezeichnet) in der Solarcharta abgegebenen Bekenntnisse umfassen beispielsweise die Förderung einer verlässlichen Versorgung mit Photovoltaik-Produkten, etwa durch die schnelle und frühe Umsetzung von nicht-preislichen Ausschreibungskriterien wie Resilienz, Nachhaltigkeit, Innovation oder Cyber-Sicherheit. Auch bei öffentlichen Beschaffungsmaßnahmen sollen solche Kriterien beachtet werden. Die Charta nimmt hierbei mehrfach Bezug auf den „Net-zero Industry Act“ der EU.
Alle Finanzierungsmöglichkeiten in Betracht
Mit Bezug auch auf den befristeten Krisen- und Transformationsrahmen der EU (Temporary Crisis and Transition Framework, TCTF) verpflichten die Unterzeichner sich, „alle Finanzierungsmöglichkeiten der EU“ in Betracht zu ziehen, um neue Investitionen in die Photovoltaik-Wertschöpfungskette zu unterstützen. Ein Abschnitt der Charta betrifft – allerdings in recht vagen Worten – die Einbeziehung von Solarprodukten nach europäischen Standards in das Portfolio von Photovoltaik-Großhändlern, Vertriebsunternehmen und Installateuren. Unternehmen und Kommission bekennen sich auch zum „Erhalt und, wenn möglich, der Erweiterung der gegenwärtigen Produktionskapazität“ in Europa. Abnehmer von Photovoltaik-Produkten sollen gemäß der Charta ebenfalls Kriterien wie Resilienz, Nachhaltigkeit oder verantwortungsvolles Geschäftsgebahren in ihre Strategien einbinden, „auch durch Kooperation mit den Herstellern“.
Die Europäische Kommission bekennt sich in der Charta unter anderem dazu, über die in verschiedenen Instrumenten bereitgestellten 400 Millionen Euro für Photovoltaik-Produktionsprojekte und 1,4 Milliarden Euro für „Clean Tech“-Produktion allgemein noch weitere Mittel in nicht genannter Höhe bereitzustellen. Sie soll in Kooperation mit den Mitgliedsländern auch prüfen, ob das Instrument des „bedeutsamen Projekts von allgemeinem europäischen Interesse“ (Important Project of Common European Interest, IPCEI) im Hinblick auf Innovationen und deren industrielle Anwendung für die Photovoltaik-Wertschöpfungskette in Betracht kommt.
„Ein guter erster Schritt“
Walburga Hemetsberger, Geschäftsführerin von Solarpower Europe, begrüßte die Unterzeichnung der Charta. Sie sei „ein wertvolles Versprechen“ der europäischen Regierungen. „Dennoch drängen wir weiterhin auf schnelles Handeln und konkrete Maßnahmen auf nationaler und EU-Ebene zur Unterstützung der Hersteller“, so Hemetsberger weiter. „Dies bedeutet, so schnell wie möglich Resilienzkriterien im öffentlichen Beschaffungswesen und bei Auktionen einzuführen, Fördermittel verfügbar zu machen und spezielle EU-Finanzierungsinstrumente für den Solarsektor bereitzustellen.“
Der ESMC, der anders als Solarpower Europe sogar Handelsbarrieren zum Schutz der europäischen Hersteller nicht ausschließen will, begrüßte die Charta „als einen Anfangspunkt, um die drängenden Probleme der europäischen Photovoltaik-Hersteller anzugehen“. Die Unterzeichnung sei „ein guter erster Schritt in die richtige Richtung, aber er sollte durch konkrete Folgemaßnahmen weiter operationalisiert werden“. Spätestens bis Juni sollten die Mitgliedsländer sich zu konkreten Zahlen etwa zum Anteil „resilienter EU-Solarmodule“ bekennen. Für solche festgelegten Anteile müssten auch mit europäischen Abnehmern von Photovoltaik-Produkten schnellstmöglich „konstruktive Gespräche“ aufgenommen werden. Und bis 2025 müssten europäische Hersteller Zugang zu Fördermitteln für den Aufbau von mindestens zehn Gigawatt an Produktionskapazität erhalten.
Es gab aber auch dezidiert kritische Reaktionen. In Sachsen, wo der Schweizer Zell- und Modulhersteller Meyer Burger vor zwei Wochen das endgültige Aus für die Modulproduktion in Freiberg bekannt gab, meldete sich Ines Schwerdtner, Europakandidatin der Partei Die Linke, zu Wort: Es sei „zynisch“, dass die Bundesregierung sich mit der Charta zur Einführung von Resilienzkriterien bekenne. Schließlich führe sie „ausgerechnet den Resilienzbonus nicht im Rahmen des Solarpakets ein“. Der in Deutschland monatelang diskutierte und in der Ampel-Koalition namentlich von der FDP vehement abgelehnte Resilienzbonus ist allerdings nicht deckungsgleich mit der auf EU-Ebene verhandelten Anwendung von Resilienzkriterien.
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