Mit „Fokus-Agenda“ die Probleme beim Netzanschluss beheben

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Mindestens einen Flaschenhals scheint es bei der Energiewende immer zu geben: Nach den Fachkräften sind dies nun die Netze oder besser gesagt der fehlende Netzausbau. Dazu gab es am Dienstag einen „Netzanschlussgipfel“ im Bundeswirtschaftsministerium, an dem unter anderem Vertreter der Energie- und Immobilienwirtschaft, Autoindustrie, des Handwerks und Handels teilnahmen. Dabei ging es vor allem darum, wie der Netzanschluss von Erneuerbaren-Anlagen, Speichern, Ladeinfrastruktur und Wärmepumpen beschleunigt werden kann. Im Ergebnis verständigten sich Bundeswirtschaftsministerium, Bundesnetzagentur und beteiligte Branchenverbände auf die Umsetzung einer „Fokus-Agenda“ als gemeinsames Arbeitsprogramm.

Dreh- und Angelpunkt ist der Ausbau der Verteilnetze, wie es aus dem Bundeswirtschaftsministerium hieß. Es sei die Aufgabe, das Stromnetz bis zum letzten Kilometer zuverlässig auszubauen. „Die über 800 Verteilnetzbetreiber in Deutschland sind gesetzlich dazu verpflichtet, den Ausbau vorausschauend zu planen und bedarfsgerecht umzusetzen“, hieß es weiter. Nun ist mit der Verabschiedung des „Solarpaket 1“ mit einem weiteren Schub beim Photovoltaik-Ausbau zu rechnen. Die Neuanlagen sollten dabei „möglichst einfach, das heißt digital, einheitlich, schnell und transparent an das Stromnetz angeschlossen werden“, so das Ministerium. Wie Photovoltaik-Ausbau und Netzanschluss Hand in Hand gehen, sei daher auch Thema des Treffens gewesen.

Desweiteren müssten auch Abnehmer wie Privathaushalte, Gewerbe oder Industrie schnell ans Netz angeschlossen werden. Dass dies nicht überall funktioniert, zeigt sich gerade am aktuellen Beispiel Oranienburg. Die dortigen Stadtwerke genehmigen aktuell keine Netzanschlussbegehren für Wärmepumpen oder Ladesäulen, aber auch für neue Abnehmer mehr.

Auf dem Treffen wurden als gemeinsames Anliegen formuliert, den gesamten Netzanschlussprozess systematisch auf Hemmnisse zu prüfen und aus Praxissicht zu bewerten, Anschluss und Zertifizierung von Anlagen zu vereinfachen, Netzkapazitäten besser nutzbar zu machen und die Kosten für alle Beteiligten zu reduzieren, wie es weiter hieß.

BVES und BEE fordern schnelle Umsetzung

Der Bundesverband Energiespeicher Systeme (BVES) unterstützt die entwickelte „Fokus-Agenda“ ausdrücklich. Doch nun gelte es, diese schnell in die Praxis umzusetzen. „Netzanschlussnehmer wie Energiespeicher in allen Sektoren und Märkten sehen sich weiterhin konfrontiert mit ständig neuen Anforderungen, die je nach Netzbetreiber zudem deutlich variieren können. Zudem mangelt es an Transparenz und Kommunikation in den laufenden Verfahren“, moniert der BVES. Letztendlich führe dies zu Verzögerungen und höheren Kosten, die zu Lasten der Energiewende gingen.

„Der Netzanschluss ist nicht mehr nur der Flaschenhals der Energiewende. Es erinnert mittlerweile eher an eine Pipette, mit der Energiewendeanlagen, wie Speichersysteme, Ladeinfrastruktur, Wärmepumpen, an das Netz angeschlossen werden können“, erklärte BVES-Bundesgeschäftsführer Urban Windelen. „Es braucht jetzt die vielbeschworene Deutschlandgeschwindigkeit bei der Umsetzung des Netzanschlussgipfels. Was im Großen bei LNG möglich ist, muss erst recht in der Umsetzung der Energiewende vor Ort möglich sein.“

Der BVES formuliert klar, was es braucht, um die Netzanschlussverfahren transparent und einfacher zu machen. „Es braucht jetzt rechts- und investitionssichere Verfahren und Fristen, flankiert durch entsprechende Folgen bei Nichteinhaltung. Gerade bei standardisierten und zertifizierten Systemen sollte eine Genehmigungsfiktion nach wenigen Wochen das Zielbild sein“, heißt es vom Verband. Er bezieht dies auf den physischen sowie den IT-seitigen Netzanschluss inklusive der Ausstellung der Marktlokations-IDs. Formelle Nachforderungen dürften dabei die Frist zur inhaltlichen Prüfung nicht erneut auslösen. „Neben verbindlichen Fristen braucht es einen gangbaren Reservierungsmechanismus von Netzanschlüssen, der Phantomreservierungen unterbinden kann und gleichzeitig Sicherheit in der Projektplanung bietet“, so der BVES.

Neben dem BVES war auch Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE), als Sachverständige zum „Netzanschlussgipfel“ geladen. Sie warb dabei für die schnelle Umsetzung der Ergebnisse, die der Verband erst kürzlich veröffentlichte. Dabei geht es um die gemeinsame Nutzung von Netzanschlusskapazitäten durch Photovoltaik und Windkraft, wobei die Leistung der Anlage den Netzanschluss übersteigen kann. „Deswegen gewichten wir die Fokus-Agenda des heutigen Gipfels klar mit der Priorisierung auf die bessere Nutzbarmachung der Netzanschlusskapazitäten. Eine einfache Reform der Netzanschlussregeln kann hier kurzfristig durchgeführt werden“, erklärte Peter. Zwei Stellen im EEG müssten angepasst werden, um kurzfristig Wind- und Photovoltaik-Anlagen im zweistelligen Gigawatt-Bereich in das bestehende Netz integrieren – ohne den Neubau von Netzinfrastruktur, heißt es dazu vom BEE. Neben mehr Zeit für den Netzausbau würde dies auch den Redispatchbedarf deutlich reduzieren.

„Die vorgeschlagenen Verbesserungen beim Netzanschluss sind eine No-regret-Maßnahme, die nur Gewinner kennt. Die Bundesregierung sollte sie daher noch in diesem Jahr umsetzen. Wir freuen uns, dass Bundeswirtschaftsminister Habeck beim Gipfel angekündigt hat, die Vorschläge des BEE zu prüfen“, erklärte Peter.

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