Wegen Verzögerungen beim „Solarpaket 1“: Anpassungen beim Anlagenzertifikat noch nicht in Kraft

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Das Anlagenzertifikat für Photovoltaik-Anlagen ab 135 Kilowatt Leistung sorgt seit langem für Gesprächsstoff. Etwa zu Jahresbeginn 2022 tauchten Meldungen auf, dass in Deutschland viele Photovoltaik-Anlagen mit 135 Kilowatt Leistung und mehr nicht ans Netz gehen könnten, da ihnen die notwendigen Anlagenzertifikate fehlten (pv magazine Deutschland, März 2022, Warten auf den Netzanschluss). Anlagenbetreiber und Prüfinstitute gaben sich gegenseitig die Schuld dafür. Die Betreiber bemängelten den hohen Aufwand und fehlende Kapazitäten bei den Zertifizierern, und die Zertifizierter haderten mit den unvollständigen Dokumentationen der Betreiber, die den Zertifizierungsprozess unnötig in die Länge zogen.

Die Politik reagierte und änderte die Elektrotechnische-Eigenschaften-Nachweis-Verordnung, kurz NELEV. Seit Ende Juli 2022 gibt es damit eine 18-monatige Übergangsfrist für Photovoltaik-Anlagen, die mit einer vorläufigen Netzanschlusserlaubnis in Betrieb gehen. Die Projektierer und Betreiber können in diesem Zeitraum die Erfüllung der technischen Anforderungen nachweisen, um das finale Anlagenzertifikat zu erhalten. Mit dem „Solarpaket 1“ plant die Bundesregierung weitere Erleichterungen. Wesentlicher Bestandteil des Entwurfs ist die Anhebung der Leistungsgrenze. Das Anlagenzertifikat soll künftig erst ab einer Einspeiseleistung von 270 Kilowatt oder einer installierten Leistung von mehr als 500 Kilowatt erforderlich sein. Unterhalb der Schwellenwerte sei der Nachweis über Einheitenzertifikate ausreichend, so die geplante Neuregelung.

Obwohl die ersten parlamentarischen Schritte für die Änderung bereits eingeleitet und abgeschlossen sind, gilt die neue Grenze noch nicht, wie das Bundeswirtschaftsministerium auf Anfrage von pv magazine bestätigte. Der Grund ist einfach: Die Änderungsverordnung zur NELEV (NELEV-ÄndV) und die neue Energieanlagen-Anforderungen-Verordnung (EAAV) bilden zusammen mit gesetzlichen Änderungen, die zum Teil in der EnWG-Novelle 2023, zum Teil aber auch im „Solarpaket I“ enthalten sind, ein einheitliches Zertifizierungspaket, wie das Ministerium erklärte. Die EnWG-Novelle ist seit Dezember 2023 in Kraft, die entsprechenden Passagen im „Solarpaket 1“ jedoch noch nicht.

Zudem erklärte das Ministerium, dass die Änderungsverordnung zur NELEV bereits im September das Bundeskabinett passierte und im November vom Bundesrat final beschlossen wurde. Die EAAV wiederum bedürfe nicht der Zustimmung der Länderkammer, sei aber auch noch nicht vom Bundeskabinett beschlossen worden. Beide Rechtsverordnungen sind dem Ministerium zufolge noch nicht in Kraft. Die noch ausstehenden Änderungen des EnWG als Teil des „Solarpakets 1“ würden für das Zertifizierungspaket rechtlich zwingend erforderliche Anpassungen, etwa von Verordnungsermächtigungen, beinhalten. „Die NELEV-ÄndV und die EAAV können also erst nach dem ‚Solarpaket 1‘ in Kraft treten“, so das Ministerium weiter. „Derzeit gilt im Bereich der Anlagenzertifizierung die bisherige Rechtslage ohne die genannte Ausnahme von der Zertifizierungspflicht fort.“

Im Dezember beschloss der Bundestag drei Maßnahmen aus dem „Solarpaket 1“. Wann der verbleibende, wesentliche Teil vom Parlament verabschiedet wird, steht noch nicht genau fest. Bislang ist es auf der Tagesordnung der nächsten Sitzungswoche des Bundestages vom 21. bis 23. Februar noch nicht zu finden. Die Agenda wird jedoch fortlaufend aktualisiert. Vom Bundeswirtschaftsministerium heißt es zur Frage nach dem weiteren Zeitplan: „Die Hoheit über das Verfahren liegt derzeit beim Bundestag. Wir bitten Sie daher um Verständnis, dass wir keine konkreten Aussagen zum weiteren Zeitplan beim ‚Solarpaket 1‘ treffen können.“ Die parlamentarischen Beratungen seien jedoch unmittelbar nach dem ersten Teilbeschluss im Dezember fortgesetzt worden.

Installationsbetriebe berichten, dass Projekte zwischen 135 und 500 Kilowatt vielfach auf Eis liegen, weil die Betreiber auf die Änderungen beim Anlagenzertifikat warten. Nach den Einträgen des Marktstammdatenregisters sind im vergangenen Jahr immerhin rund 3370 solche Anlagen mit knapp 850 Megawatt Gesamtleistung ans Netz gegangen. Gegenüber 2022 mit 1768 Anlagen und knapp 450 Megawatt stellt dies fast eine Verdoppelung dar und spiegelt damit die allgemeine Entwicklung des Zubaus für den Gesamtmarkt wider.

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