Sachsen sieht mitteldeutsche Photovoltaik-Industrie akut gefährdet

Produktion, Solarwatt

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In den Lagern in Europa stapeln sich die Module chinesischer Photovoltaik-Hersteller. Nach Analystenerwartungen könnten es bis zu 100 Gigawatt bis zum Jahresende werden und damit übertreffen sie locker die Jahresnachfrage auf dem alten Kontinent – sie würden wahrscheinlich sogar für den Zubau der nächsten zwei Jahre reichen. Dazu passend sinken die Modulpreise immer weiter, so werden aktuell 11 bis 13 Cent pro Watt aufgerufen, wie aus der deutschen Photovoltaik-Branche zu hören ist.

Die die deutsche Solarindustrie ist diese Lage besorgniserregend. Dies hat jetzt zumindest auch Sachsen erkennt und der Energieminister und Vize-Ministerpräsident des Freistaats, Wolfram Günther (Grüne), schlägt Alarm. „Die europäische und damit die sächsische und mitteldeutsche Solarindustrie ist akut in Gefahr. China führt eine heftige Dumping-Attacke gegen uns und flutet den Markt mit Solarmodulen, die weit unter Herstellungskosten verscherbelt werden sollen“, erklärte Günther.

In Sachsen gibt es mit Meyer Burger, Solarwatt und Heckert Solar einige der größten Modulhersteller in Deutschland und ganz Europa. Doch verglichen mit der chinesischen Konkurrenz sind ihre Megawatt-Fertigungen klein. Chinesische Photovoltaik-Hersteller erweitern ihre Produktionskapazitäten vornehmlich in 5- bis 10-Gigawatt-Schritten.

Die aktuelle Lage sei „akutes Problem für die europäische Solarindustrie und für uns in Sachsen und Mitteldeutschland“. Die in Sachsen ansässigen Hersteller seien dabei zu skalieren. „Das gerät in echte Gefahr.“ Meyer Burger etwa hat den Ausbau seiner Photovoltaik-Zell- und Modulproduktion in Deutschland vorerst auf Eis gelegt und konzentriert sich auf den Kapazitätsaufbau in den USA. Dort herrschen mit dem Inflation Reduction Act (IRA) verglichen mit Europa geradezu paradiesische Verhältnisse. Photovoltaik-Hersteller werden mit langfristigen Opex- und Capex-Förderungen bedacht, um ihre Produktionen aufzubauen. In Deutschland läuft derzeit auch ein Interessenbekundungsverfahren für die finanzielle Unterstützung des Aufbaus von Modulproduktionen. Doch bis da die ersten Module vom Band laufen werden, wird das Jahr 2027 wohl schon weit vorangeschritten sein, wenn diese Produktionen überhaupt aufgebaut werden, wie aus der Solarbranche zu hören ist.

Sachsen fordert daher eine schnelle Hilfe. „Meine Forderung: Die EU muss hier reingehen, schnell und entschlossen. Denn hier geht es um die europäische Energiesouveränität und um eine zentrale industriepolitische Frage“, erklärte Günther. Eine Solarwende brauche europäische Photovoltaik-Module. Die aktuelle Abhängigkeit von Solarmodulen aus China bezeichnete er als „ein riesiges industriepolitisches und sicherheitspolitisches Risiko“. Dabei sind es nicht nur Module, denn bei den Vorprodukten Zellen, Wafer und Ingots sieht es in ganz Europa mit eigenen Produktionskapazitäten noch düsterer aus als bei Modulen.

„Bei uns in Sachsen und Mitteldeutschland passiert gerade der Neustart der europäischen Solarindustrie. Wir müssen extrem aufpassen, dass diese Entwicklung jetzt nicht abgewürgt wird. Der Kahlschlag der Solarindustrie in den 2010er Jahren, das große Trauma der Branche, darf sich nicht wiederholen“, warnte Günther. Er legte auch konkrete Vorschläge vor und verwies auf die USA. Das Land habe seinen Markt für chinesische Solarmodule geschlossen. Dies ist auch ein wesentlicher Grund, warum die chinesischen Photovoltaik-Hersteller nun den europäischen Markt fluteten. „Deshalb brauchen wir dringend eine Brücke für unsere Solarindustrie, um über die Zeit zu kommen, in der der Markt geflutet wird. Das wird nicht auf Dauer sein, denn auch China kann nicht dauerhaft unter Preis verkaufen“, so Günther.

Vorschläge dafür reichten vom Aufkauf heimischer Produkte über die Ukraine-Fazilität der EU. Die Solarmodule könnten dann für den Wiederaufbau der Energieversorgung in der Ukraine genutzt werden. Daneben werde aber auch eine befristete Unterstützung der Unternehmen diskutiert, damit sie ihre Belegschaft halten können, für den Fall, dass sie die Produktion runterfahren müssen. Bei einigen Herstellern scheint bereits Kurzarbeit im Gespräch oder sogar beantragt. Weitere Vorschläge sind nach Aussage von Günther: „Wir sprechen auch darüber, Qualitäts- und Nachhaltigkeitskriterien in die Ausschreibungen aufzunehmen, Recycling-Fähigkeit oder CO2-Fußabdruck etwa, aber auch Menschenrechts-Fragen.“ All diese Punkte wären Vorteile für europäische Photovoltaik-Hersteller.

Nach Ansicht des sächsischen Energieministers ist die Photovoltaik-Produktion hierzulande durchaus wettbewerbsfähig. „Nicht Europa produziert zu teuer, sondern China verkauft weit unter Herstellungskosten. Auf diese Dumping-Attacke braucht es eine Antwort“, so Günther.

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