25 Jahre EEG: „Wir sollten handeln!“

Solarcomplex, Firmengebäude. BIPV, Fassade, Aufdach

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von Ina Röpcke

Für Bene Müller und Achim Achatz war das EEG nicht der Auslöser, aber ein „glücklicher zeitlicher Zufall“. Zusammen mit 18 anderen Mitgliedern der Singener Werkstätten haben sie im September 2000 die Firma Solarcomplex gegründet und begonnen, Bürgerenergieanlagen im Bodenseeraum zu bauen. Das Gesetz habe zu ihrem Geschäftserfolg beigetragen, aber wichtig war auch, dass sie nie nur auf Photovoltaik ausgerichtet waren, sagt Müller rückblickend. Die extremen Schwankungen in dem Markt seien für sie deshalb nie ein Problem gewesen. 2007 wurde die GmbH in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, die aktuell rund 1.700 Gesellschafter hat und erfolgreich Wärmenetze und Solarparks baut.

pv magazine-Serie: 25 Jahre EEG

Erfolgs- oder Auslaufmodell? Wohl kaum ein Gesetz hat seit der ersten Fassung so viele Änderungen erfahren wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das am 25. Februar 2000 vom Bundestag verabschiedet wurde und am darauffolgenden 1. April in Kraft trat. Und nur wenige Gesetze wurden derart kontrovers diskutiert.

Unbestritten aber ist, dass mit dem EEG das Fundament für den Photovoltaik-Boom in Deutschland gelegt wurde. Und indem es einen für damalige Verhältnisse riesigen, von Herstellern aus aller Welt belieferten Markt schuf, war es auch ein enormer Impuls für die globale Solarindustrie.

Getragen wurde dieser Markt von vielen kleinen Betrieben, die das Wagnis eingingen, sich auf den Bau von Photovoltaik-Anlagen zu spezialisieren. pv magazine erinnert deshalb an das historische Datum, oder besser: Wir fragen andere nach ihren Erinnerungen und veröffentlichen sie hier in kurzen Beiträgen.

Wir fragen andere nach ihren Erinnerungen und veröffentlichen sie hier in kurzen Beiträgen.

Alle in unserer Serie erschienenen Porträts von Photovoltaik-Pionieren und noch weitere Beiträge zum 25-jährigen EEG-Jubiläum finden Sie hier. 

„Die Singener Werkstätten waren eine Denkwerkstatt, unsere Gründungsidee ist aus der Theorie entstanden“, erzählt der Finanzvorstand. Zu dem Kreis zählten Künstler, Statiker und Steuerberater, aber keine Solarinstallateure. „Irgendwann haben wir uns gesagt: Wir reden immer nur im Konjunktiv, was man tun könnte. Wir sollten handeln.“ Daraufhin formulierten sie die Energiewende in der Region bis 2030 als Ziel und meinten damit konkret die komplette Versorgung mit erneuerbaren Energien in den Bereichen Wärme und Strom. Ihr Einzugsgebiet ist bis heute die westliche Bodensee-Region.

Ein Jahr ohne Gehalt

20 Gründungsmitglieder brachten 37.500 Euro für die Gründung der GmbH zusammen. Müller und Achatz übernahmen die Geschäftsführung, im ersten Jahr arbeiteten sie ohne Gehalt. „Das war möglich, weil unsere Frauen bezahlte Jobs hatten.“ Von den Gründungsmitgliedern habe aber jeder versucht, seine Kompetenz einzubringen und das ohne Entgelt. „Zu Anfang haben wir zu einem gewissen Maß von Selbstausbeutung gelebt, aber das ist bei der Gründung eines Unternehmens ja nicht unüblich.“

Solarcomplex, Geschäftsführung, Achim Achatz, Bene Müller (r)
Achim Achatz (links) und Bene Müller.

Foto: Solarcomplex

Ihr erstes Projekt war eine Photovoltaik-Gemeinschaftsanlage auf einer Schule in Singen. „18 Kilowatt Leistung ist aus heutiger Sicht ja fast niedlich, aber damals war es ein großes Projekt.“ Das EEG sei als Marktanreizprogramm konzipiert gewesen und es habe glänzend funktioniert. Heute über die Absenkung der Vergütung oder Markteinbrüche zu sprechen, hält er für müßig.

Solarcomplex spezialisierte sich auf Bürgersolaranlagen und erwirtschaftete seit 2003 kontinuierlich Gewinne. Im Jahr 2004 konnte das Unternehmen auch zum ersten Mal eine Dividende ausschütten. Die lag bei 4 Prozent. Die Gesellschafter seien mit einer Rendite von 3 bis 5 Prozent einverstanden gewesen. „Unsere bescheidene Anspruchshaltung erklärt auch zum Teil unseren Erfolg. Dadurch dass wir nie die maximale Rendite als Ziel haben mussten, hatten wir einen größeren Handlungsspielraum“, so Müller. Wer nur auf eine möglichst hohe Rendite schaue, sei bei ihnen falsch. Allerdings ist ihm auch bewusst, dass Geldgeber eine Dividende wollen. Ökologische Ziele allein motivierten nicht zum Mitmachen.

Wärmenetze als zweites Geschäftsfeld

Neben der Photovoltaik sind Wärmenetze das zweite Geschäftsfeld der Solarcomplex. Mauenheim war ihr erstes Bioenergiedorf. Seit 2006 wird der Ort im Landkreis Tuttlingen strom- und wärmeseitig komplett aus heimischen Energien versorgt. Eine Biogasanlage und eine Holzhackschnitzelheizung erzeugen Wärme, die über ein Nahwärmenetz an den Großteil der Gebäude geliefert wird. Ein Blockheizkraftwerk produziert rund das Zehnfache des Strombedarfs des Ortes und speist ins Netz ein. Solarcomplex hat das Energiekonzept geplant und die Anlagen gebaut. Rückblickend sagt Bene Müller: „Es war eine gute Entscheidung, verschiedene Standbeine zu haben. Mit nur einem Geschäftsfeld ist man verletzlicher.“

Solarcomplex, Aufdach-Anlage 6,6 MW, Fa. Zollern, Sigmaringendorf
Die Projekte wurden größer: 2023 ging diese 6,6 Megawatt-Anlage auf den Dächern der Firma Zollern in Sigmaringen ans Netz.

Foto: Solarcomplex

Seit der Gründung hat Solarcomplex Müller zufolge eine Investitionssumme von rund 300 Millionen Euro bewegt. 20 Wärmenetze sind in Betrieb und mehr als 100 Megawatt Photovoltaik-Leistung wurden gebaut. „In den 20 Jahren zwischen 2000 und 2020 haben wir insgesamt 50 Megawatt Photovoltaik-Leistung installiert. Seit 2023 sind es jedes Jahr zwischen 30 und 50 Megawatt. Das zeigt die Dynamik“, resümiert er.

Das Unternehmen bezeichnet Müller heute als regeneratives Stadtwerk. „Wir besitzen Energieinfrastruktur und verkaufen die Wärme aus unseren Wärmenetzen und den Strom aus den Solarparks.“ Aus den theoretischen Anfängen ist eine sehr praktische Umsetzung geworden. In diesem Jahr feiert Solarcomplex, wie das EEG, 25-jähriges Bestehen.

Grundwissen EEG – eine nicht ganz vollständige Geschichte des Gesetzes (6)

Gedeckelter Zubau? Im August 2020 feierte die Solarbranche den endgültigen Wegfall des EEG-Deckels: Seit 2012 war gesetzlich festgeschrieben, dass es ab Erreichen von 52 Gigawatt EEG-geförderter Photovoltaik-Leistung für Anlagen bis 750 Kilowatt – größere waren schon zuvor in die Ausschreibungen verschoben worden – keinen Anspruch auf Einspeisevergütung oder Marktprämie mehr geben solle. Den Wegfall der Beschränkung hatte die Bundesregierung eigentlich schon im September 2019 versprochen, etliche Querelen und Verzögerungen hätten beinahe einen Fadenriss verursacht. 51,5 Gigawatt zählte die Bundesnetzagentur, als die Zubaugrenze endlich fiel.

Einen Deckel kannte das EEG allerdings auch schon vorher: Beim Inkrafttreten im April 2000 lag er bei 350 Megawatt – also der Menge, die heute in ungefähr sechs bis sieben Wochen installiert wird. Im Jahr nach Erreichen dieses äußerst bescheidene Ausbauziels sollte der Förderanspruch enden – geplant war natürlich, bis dahin per Novelle ein neues Ziel zu definieren. Das aber drohte wegen Uneinigkeiten in der rot-grünen Bundesregierung zu scheitern, im November 2023 konnte nur das Vorziehen wichtiger Regelungen des EEG 2004 in einem sogenannten Vorschaltgesetz den Kollaps abwenden.

Keine absolute, aber eine de-facto-Begrenzung stellte hingegen der „atmende Deckel“ dar. Er koppelte die Degression, also die zu bestimmten Stichtagen erfolgende Absenkung der Vergütung für neue Anlagen, an den Zubau. Eine erste, jährlich angepasste Kopplung von „Zubaukorridoren“ und Vergütungshöhe gab es bereits mit dem EEG 2009. Die Einführung einer monatlichen, in ihrer Höhe jeweils quartalsweise neu bestimmten Anpassung erfolgte mit dem EEG 2012. Erst zehn Jahre später wurde dieser Mechanismus wieder abgeschafft.

Jochen Siemer

Weitere Beiträge zum EEG-Jubiläum veröffentlichen wir in den nächsten Tagen.

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