Speicherzubau kann negative Preisstunden dämpfen

Paneldiskussion "Finance Forum | Die PV-Branche muss umdenken: So gelingen künftig strategische Investitionen"" mit (v.r.n.l.) Moderatorin Tina Barroso (Conexio-PSE GmbH), Philipp Spitz, Vorstand (Murphy & Spitz), Stefan Müller, Vorstand COO (Enerparc AG), Jörg-Uwe Fischer, Head of Energies & Public Services (DKB Deutsche Kreditbank AG)

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Eine Zahl elektrisiert derzeit die Photovoltaik-Branche: Es gibt 161 Gigawatt an Speicherprojekten, die bereits bei den vier großen Übertragungsnetzbetreibern für Netzanschlüsse gemeldet sind. Nicht inbegriffen sind entsprechende Anfragen bei den Verteilnetzbetreibern, also könnten es noch mehr sein, wie die Recherche von „Montel“ ergab. Ob diese Projekte letztendlich alle umgesetzt werden und wann, bleibt ebenfalls abzuwarten und ist auch für Experten schwer einzuschätzen.

„Es ist schwer vorherzusagen, was wirklich im Speicherbereich passiert“, sagt Stefan Müller, COO von Enerparc, im Gespräch mit pv magazine. „50 bis 100 Gigawatt sind für das nächste Jahr angekündigt, aber ich kann nicht einschätzen, ob die wirklich kommen.“ Aus seiner Sicht könnte es daran scheitern, dass es nicht genug EPC-Unternehmen gibt, die diese Batteriespeicher-Projekte realisieren können. Es sei eben komplexer als der Bau eines Photovoltaik-Kraftwerks. „Leute mit Batterieerfahrung werden aktuell überall händeringend gesucht“, berichtet Müller. „Da muss mehr passieren.“

Ein Indiz dafür ist auch, dass bisher nur Großspeicher mit 1,8 Gigawattstunden Kapazität in Deutschland realisiert und am Netz sind, wie aus den „Battery Charts“ der RWTH Aachen hervorgeht. Die geplanten Projekte würden die vorhandenen Kapazitäten also in komplett neue Dimensionen katapultieren.

Relativ sicher ist Müller, dass die Politik die aktuelle Entwicklung beim Speicherausbau unterschätzt. „Wenn mehr als 20 Gigawatt dieser Speicher schnell kommen, dann wird das sichtbare Auswirkungen auf die negativen Preisstunden an der Börse haben“, glaubt er. Bis Ende Oktober gab es in diesem Jahr bereits 438 Stunden mit negativen Börsenstrompreisen und damit so viele wie nie zuvor. Prognosen der Analysten von Aurora bekräftigen: Die Zahl könnte bereits 2025 mit einem entsprechenden Speicherzubau wieder auf etwa 300 reduziert werden. Zudem würde sie sich bis 2030 etwa halbieren, um ab 2031 unter das Niveau von 100 Stunden mit negativen Börsenstrompreisen zu sinken, wenn die Speicherkapazität massiv ausgebaut wird.

Veranstaltungshinweis

Die angesprochenen Themen werden sicher auch beim „Forum Solar Plus“ in zwei Wochen in Berlin im Fokus stehen. Dort wird Stefan Müller in der Eröffnungssession: „Die EU als Türöffner für das Strommarktdesign der Zukunft: Höchste Zeit für eine 24/7 sichere, effiziente und nachhaltige Energieversorgung“ am 26. November dabei sein.

Sinnvoll wäre es dafür natürlich auch, alle bereits vorhandenen Speicher zu nutzen, sagt Müller mit Blick auf die existierenden Kapazitäten aus den Innovationsausschreibungen. Die dafür installierten Batteriespeicher dürfen bislang nur den Strom aus den angeschlossenen Photovoltaik-Kraftwerken einspeichern und ihre Einspeisung ins Netz verschieben. Eine Änderung, dass sie auch Strom aus dem Netz laden und zwischenspeichern können, wird schon länger von Verbänden gefordert. Allein sie stieß in der Politik bislang auf taube Ohren.

Dennoch setzt Stefan Müller auch große Hoffnungen in die Bundesnetzagentur. Sie sei weisungsbefugt gegenüber den 866 Verteilnetzbetreiber. „Die Bundesnetzagentur kann sagen, wie die Batteriespeicher angeschlossen werden. Sie kann auch die Themen Pooling oder Überbau regeln“, sagt Müller. Damit meint er, dass auch vorhandene Netzanschlüsse überbaut werden können, in dem etwa Speicher und Photovoltaik-Anlagen oder Wind- und Solarparks ihn gemeinsam nutzen. Auch dies versuchen die Verbände der Erneuerbaren-Branche schon länger in der Politik zu lancieren und stießen bei Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) damit erstmals auf offene Ohren. In der Praxis scheitert die Umsetzung der gemeinschaftlichen Nutzung von Netzanschlüssen jedoch am Widerstand fast aller Verteilnetzbetreiber.

Doch auch auf politischer Ebene ist seit letzter Woche ja alles anders. Mit dem vorzeitigen Bruch der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP, ist fraglich, ob das verbliebene rot-grüne Bündnis die bereits angeschobenen Gesetzesinitiativen noch vor der geplanten Neuwahl durch den Bundestag bringen kann. Dazu zählt die EnWG-Novelle, die Teile der Wachstumsinitiative enthält. Müller glaubt eher nicht, dass das Gesamtgesetz so noch verabschiedet wird, vielleicht jedoch einzelne Teilaspekte.

Im wahrscheinlichen Fall eines Regierungswechsels stehe auch die CDU dem Ausbau der erneuerbaren Energien durchaus positiv gegenüber. Dies gehe zum einen aus dem aktuellen Positionspapier der CDU hervor, zum anderen aus vielen persönlichen Gesprächen auf Landesebene – der ökologische und ökonomische Nutzen sei bei vielen CDU-Vertretern unbestritten. Letztendlich kann Müller den vorgezogenen Neuwahlen, die für den 23. Februar geplant sind, auch einen guten Aspekt abgewinnen. So bleibe mehr Zeit, um die Neuregelungen für das EEG 2027 vorzubereiten und umzusetzen. Die EU-Vorgaben fordern ab 2027 Kapazitätsmechanismen in den Mitgliedsstaaten für die Förderung von erneuerbaren Energien. Das Bundeswirtschaftsministerium hat vier verschiedene Optionen für ein neues Strommarktdesign vorgeschlagen, in denen solche Mechanismen enthalten sind.

Müller würde sie gern im Vorfeld im Markt testen, so wie es das Ministerium auch geplant hat. „Ein, zwei Testausschreibungen für die verschiedenen Mechanismen oder auch die Anwendung eines Differenzvertrags (CfD), wie er in Großbritannien genutzt wird, wären sinnvoll“, sagt der COO von Enerparc. Dann könnte man sehen, welche Modelle im Markt am besten angenommen werden und funktionieren. „Wichtig ist aber vor allem, die Banken müssen verstehen, was geregelt wird“, sagt Müller mit Blick auf die Finanzierung weiter.

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