Vehicle-to-Grid kann die Lebensdauer von Batterien in Elektroautos verlängern

Dirk Uwoe Sa

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Bidirektionales Laden, also das Ausspeichern von Energie aus der Autobatterie ins Haus oder sogar ins Netz, schadet der Autobatterie nicht. Ganz im Gegenteil, es kann sogar dafür sorgen, dass sie etwas länger hält. Das ist nur eine von vielen Erkenntnissen der „Vehicle 2 Grid“ Konferenz, die in dieser Woche am Rande der Advanced Battery Storage Tagung in Münster stattfand. Fast hundert Teilnehmende trafen sich und sprachen über Regulatorik, Technik und die ersten praktischen Projekte.

In seinem Vortrag sprach Dirk Uwe Sauer, der den Lehrstuhl für Elektrochemische Energiewandlung und Speichersystemtechnik an der RWTH Aachen leitet, über Alterungsmechanismen von Batterien und räumte mit einer Annahme auf, die bei vielen potenziellen Nutzern dafür sorgen dürfte, dass sie dem Thema bidirektionales Laden noch mit Skepsis gegenüberstehen – vorzeitige Batteriealterung.

Kalendarisch und zyklisch

Um darzulegen, dass das Ausspeichern keinen Schaden verursacht, zeigte Sauer zunächst, warum Batterien altern. Es gebe eine ganze Reihe an Alterungsmechanismen, von denen noch nicht alle vollständig bekannt und verstanden sind. Grundsätzlich lassen sie sich aber in zwei Kategorien unterteilen: die kalendarische Alterung und die zyklische Alterung.

Die zyklische Alterung beschreibt die Degradation der Batterie pro Ladezyklus. In Elektroautos verbaute Lithium-Eisenphosphat-Batterien weisen meist eine Lebensdauer zwischen 1000 und 10.000 Zyklen auf. Geht man nun davon aus, dass eine Batterie, die mit einer vollen Ladung ein Auto 400 Kilometer weit bewegt und diese Batterie eine Lebensdauer von 1000 vollen Ladezyklen hat, dann bewegt sie das Auto 400.000 Kilometer weit. Allein das wäre schon mehr als die gewöhnliche Laufleistung eines Autos.

Jetzt kommt aber hinzu, dass die Autos in der Regel nicht vollständig entladen werden, bevor sie vollständig beladen werden. So ergibt sich, dass im Schnitt 80 Kilometer Fahrt zwischen zwei Ladevorgängen liegen. Das entspricht einer Entladetiefe um 20 Prozent. Von diesen 20-prozentigen Teilzyklen kann die gleiche Batterie jedoch 20.000 absolvieren und kann so das Äquivalent von 4.000 Vollzyklen durchlaufen. 20.000 Teilzyklen á 80 Kilometer ergeben 1,6 Millionen Kilometer.

Kleiner Zyklus, große Reichweite

Für ein Vehicle-to-Grid Anwendungsszenario nimmt Sauer an, dass einer dieser Teilzyklen von 20 Prozent am Tag für Vehicle-to-Grid genutzt wird. Bei drei Kilowatt Anschlussleistung dürften das rund vier Stunden sein, in denen die Batterie entlädt. Über einen Zeitraum von zehn Jahren kommen dabei 4000 Teilzyklen beziehungsweise das Äquivalent von 320.000 Kilometern zusammen. Wer also 4000 Teilzyklen durch bidirektionales Laden nutzt, kann sein Auto „nur“ noch 1,3 Millionen Kilometer statt 1,6 Millionen Kilometer weit fahren, bevor die Batterie ihr Lebensende erreicht hat.

Ein weiterer Aspekt sei die C-Rate, mit der der Ladevorgang unternommen wird. Die C-Rate beschreibt das Verhältnis von Batteriekapazität zu Ladeleistung. Wird eine 90-Kilowattstunden-Batterie in einer Stunde, also mit 90 Kilowatt, geladen, spricht man von einer C-Rate von 1. Wird ein Elektroauto mit einer 90-Kilowattstunden-Batterie an einem Schnelllader mit 180 Kilowatt geladen, liegt die C-Rate bei zwei. Je höher aber die C-Rate, desto schädlicher für die Batterie. Ein kleines Elektroauto mit 60-Kilowattstunden-Batterie an einem 350-Kilowatt-Schnelllader hätte eine C-Rate von 5,8.

Beim bidirektionalen Laden hingegen geht Sauer zunächst von Entladeleistungen von drei Kilowatt aus. Zumindest für den Bereich, wo solche Konzepte im eigenen Haus beziehungsweise der eigenen Einfahrt umgesetzt werden, sind höhere Entladeleistungen zunächst unwahrscheinlich. Das führt zu C-Raten von 0,03 bis 0,2. Solche Werte gingen spurlos an Batterien vorbei.

„Wenn bei Vehicle-to-Grid oder Vehicle-to-Home pro Zyklus nicht mehr als 20 Prozent der Batteriekapazität aus der Fahrzeugbatterie entnommen werden, dann wird dies nicht zu einer Einschränkung der Nutzung der Batterie im Fahrzeug führen“, sagt Professor Sauer. „Im Gegenteil, bidirektionale Ladegeräte ermöglichen sogar Betriebsstrategien, die die Lebensdauer verlängern können.“

Vehicle-to-Grid schon die Batterie

Bereits jetzt sei es so, dass die kalendarische Alterung ausschlaggebend für den Eintritt des Betriebsendes einer Autobatterie ist. Aber auch die kalendarische Alterung lässt sich beeinflussen und durch Vehicle-to-Grid Konzepte sogar verlangsamen – zum Beispiel dann, wenn die Batterie einen geringeren Zeitraum im vollgeladenen Zustand verbringt. Der Zustand der vollständigen Beladung trage am schnellsten zur Alterung der Batterie bei. Wer seine Batterie zu Hause dafür nutzt, das Haus nachts zu versorgen, trage dazu bei, dass die Batterie kürzer in diesem Zustand verweilt. Über eine intelligente Steuerung lasse sich der exakte gewünschte Zeitraum programmieren, in dem die Batterie die volle Kapazität haben soll. Das ginge in der Theorie auch ohne Vehicle-to-Grid, jedoch gebe es dadurch einen finanziellen und praktischen Anreiz für dieses batterieschonende Ladeverhalten.

In der Praxis muss diese Erkenntnis aber noch bei den Nutzern und Herstellern ankommen. Volkswagen realisiert aktuell mit dem Batteriesystemhersteller E3/DC eine Lösung, um seine Elektroautos in das Hausnetz einzubinden, wie auf der Tagung präsentiert wurde. Volkswagen limitiert allerdings den Einspeiseanteil auf 4000 Stunden. Danach wird die Möglichkeit des Ausspeicherns wieder abgeschaltet. Der Hersteller will so verhindern, dass die Batterie frühzeitig altert und er im Zweifel für die Garantie geradestehen muss.

 

Der Text wurde am Montag, 15. April, geändert, da im vierten Absatz der Bezug zu einer höheren Zyklenzahl hergestellt wurde. 

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