Was Haushalte mit steuerbaren Lasten ab 2024 erwartet

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Es ist immer wieder dieses gern genutzte Bild der Zahnärzte-Allee in Stuttgart, wo jeder einen Tesla besitzt und die Elektroautos alle zur gleichen Zeit geladen werden. Wahrscheinlich wurden in den Haushalten mittlerweile noch die alte Gastherme durch eine Wärmepumpe getauscht. Jenseits dieses plastischen Szenarios und den Unkenrufen, dass die Verteilnetze dem Zuwachs bei Elektroautos und Wärmepumpen nicht standhalten, hat die Bundesnetzagentur nach einer zweiten Konsultation die Regelungen festgelegt, wie steuerbare Verbrauchseinrichtungen sicher in das Stromnetz integriert werden sollen.

„Wir wollen, dass jeder angeschlossen wird und gleichzeitig alle ein sicheres Netz haben. Ein Netzbetreiber darf nun den Anschluss von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen nicht mehr mit Verweis auf mögliche Engpässe verweigern“, erklärte Bundesnetzagentur-Präsident Klaus Müller. „Wir rechnen damit, dass Eingriffe des Netzbetreibers die zwingende Ausnahme bleiben. Wir stärken in der finalen Regelung die Möglichkeiten der Verbraucher, Reduzierungen eigenständig zu koordinieren und dabei selbst erzeugten Strom anzurechnen.“ Nach Ansicht von Müller werden die Verbraucher die Eingriffe zumeist kaum bemerken. Engpässe sollten nicht auftreten. Falls doch müsse dort das Netz ausgebaut werden.

Die veröffentlichten Regelungen der Bundesnetzagentur bestehen aus zwei Festlegungen: Die Festlegung der Beschlusskammer 6 befasst sich mit der Integration von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen und steuerbaren Netzanschlüssen nach § 14a Energiewirtschaftsgesetz. Die Festlegung der Beschlusskammer 8 befasst sich mit der damit verbundenen Reduzierung der Netzentgelte.

Der Inhalt der Festlegungen, die die Bundesnetzagentur am Montag veröffentlichte, dass dort wo die Optimierung der Verteilnetze noch nicht erfolgt sei, neu hinzukommende steuerbare Lasten wie Wallboxen oder Wärmepumpen „gedimmt“ werden dürfen. Allerdings darf der Netzbetreiber den Anschluss dieser steuerbaren Lasten mit Verweis auf mögliche lokale Überlastungen nicht mehr ablehnen oder verzögern. Das „Dimmen“ der Geräte durch die Netzbetreiber müsse „sich aus objektiven Kriterien der Netzzustandsermittlung ableiten“, erklärte die Bundesnetzagentur. Die Netzzustandsermittlung muss auf Echtzeit-Daten zur aktuellen Netzauslastung basieren, was eine zügige Digitalisierung der Niederspannungsnetze erfordert.

Die Haushalte mit steuerbaren Lasten müssen als Mindestleistung immer 4,2 Kilowatt zur Verfügung haben. Bis zu diesem Wert dürfen die Netzbetreiber bei konkreter Überlastung also „dimmen“. Mit dieser Regelung ist der Bundesnetzagentur zufolge sichergestellt, dass Wärmepumpen betrieben und Elektroautos geladen werden können. Der reguläre Haushaltsstrom sei nicht betroffen und auch besondere Anforderungen von Großwärmepumpen würden berücksichtigt, so die Behörde. Sie gehe davon aus, dass „Eingriffe nur in Ausnahmefällen erfolgen müssen und ohne wesentliche Komforteinbußen verbunden sein werden. Vollständige Abschaltungen der steuerbaren Verbrauchseinrichtungen sind nicht mehr zulässig“, so die Bundesnetzagentur weiter.

Gegenüber dem ersten Entwurf aus dem Juni hat sie kleinere Punkte nochmals geändert. In der Festlegung ist nun auch festgeschrieben, dass Verbraucher wählen können, ob sie einzelne Anlagen direkt vom Netzbetreiber ansteuern lassen oder von ihrem Netzbetreiber den Wert für einen zulässigen Strombezug zu erhalten, der insgesamt nicht überschritten werden darf. Beim letzteren Modell werden die steuerbaren Lasten durch das Energiemanagementsystem bei der Reduktion koordiniert. Zudem können selbst erzeugte Energiemengen, also etwa durch eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach, einberechnet werden. Eine Wallbox könne damit mehr Strom beziehen, wenn dieser aus der eigenen Photovoltaik-Anlage stammt, erklärt die Behörde.

Das Ziel sei es, regelmäßige netzorientierte Steuerungsmaßnahmen zu vermeiden. Daher seien die Netzbetreiber verpflichtet, das Netz vorausschauend und bedarfsgerecht auszubauen. Die Festlegung sieht weiter vor, dass die Netzbetreiber Steuerungseingriffe in einem einheitlichen Format auf einer gemeinsamen Internetplattform detailliert ausweisen müssen. Dies schaffe Transparenz für eine breite Öffentlichkeit, an welchen Stellen die Netze überlastet seien und besser ausgebaut werden müssen.

Die Regelungen aus den Festlegungen gelten ab 1. Januar 2024 und sollen weiter praxistauglich konkretisiert werden. Für Bestandsanlagen, für die eine Vereinbarung zur Steuerung durch den Netzbetreiber besteht, sind Übergangsregelungen vorgesehen. Bestandsanlagen ohne eine solche Vereinbarung blieben auch dauerhaft ausgenommen. Gleiches gelte für Nachtspeicherheizungen. Neben den Verbrauchern bestehen auch für die Netzbetreiber Übergangsfristen. Solange der Netzbetreiber noch nicht die notwendigen Vorbereitungen für die netzorientierte Steuerung getroffen hat, kann er maximal 24 Monate unter Beachtung einiger Rahmenbedingungen vorsorglich steuern, wie die Bundesnetzagentur erklärte. Diese präventive Steuerung erfolge auf Basis einer prognostizierten Überlastung.

Für die Verbraucher soll sich der Zugriff auf ihre Geräte durch die Netzbetreiber auch lohnen. Die Betreiber sollen künftig ein reduziertes Netzentgelt zahlen. Dabei soll es der Behörde zufolge zwei Auswahlmöglichkeiten geben. Die Reduzierung besteht demnach entweder aus einem netzbetreiberindividuellen pauschalen Betrag (Modul 1) oder einer prozentualen Reduzierung des Arbeitspreises (Modul 2).

Beim Modul 1 gilt eine bundeseinheitliche Regelung zur Bestimmung des Rabatts je Netzbetreiber, der zwischen 110 und 190 Euro (brutto) im Jahr betragen kann. Dieses Modell können Haushalte wählen, die nur einen Zähler beziehungsweise einen Stromvertrag haben. Das Modul 2 beinhaltet eine prozentuale Reduzierung der Netzgebühren auf den Arbeitspreis um 60 Prozent. Technische Voraussetzung hierfür ist ein separater Zählpunkt für die steuerbare Verbrauchseinrichtung. Die Module sind mit weiteren Optionen kombinierbar. Zusätzlich zu Modul 1 können sich Betreiber so ab April 2025 für ein zeitvariables Netzentgelt entscheiden, mit dem Lastspitzen im Netz reduziert werden sollen. Mit besonders niedrigen Netzentgelten sollen Verbraucher so angereizt werden, ihre Verbräuche in besonders lastarme Zeiten zu verschieben. Modul 2 lässt sich dagegen mit der Umlagebefreiung für Wärmestrom kombinieren (KWK- und Offshore-Umlage, Umlagebefreiung nach EnFG). Nach Aussage der Bundesnetzagentur eignet es sich damit wohl in vielen Fällen besonders für Wärmepumpen.

Die neuen Regeln sind für alle nach dem 31.12.2023 in Betrieb genommenen steuerbaren Verbraucher wie Ladepunkt, Wärmepumpen, Klimaanlagen und Batteriespeicher mit einer Netzanschlussleistung größer 4,2 Kilowatt verpflichtend und gelten mit Übergangsfristen auch für bereits heute steuerbare Verbraucher. Bei mehreren steuerbaren Verbrauchern hinter einem Netzanschluss gilt die Summe der Verbraucher in einer sogenannten Fallgruppe, also beispielsweise die Summe der Ladepunkte.

Damit beispielsweise bei Mehrfamilienhäusern mit großen Wärmepumpen die Mieter nicht frieren, steigt bei größeren Wärmepumpen und Klimaanlagen die Mindestleistung an. Ab 11 Kilowatt Anschlussleistung empfiehlt die Bundesnetzagentur einen Skalierungsfaktor von 0,4 als angemessen für die Ermittlung der Mindestleistung. Auch für Haushalte, bei denen mehrere steuerbare Verbraucher über ein Energiemanagementsystem angeschlossen werden, wird die Mindestleistung individuell mit einer Formel ermittelt, die den Gleichzeitigkeitsfaktor der Anwendungen berücksichtigt. Die Details sind in der Anlage 1 der Festlegung der Beschlusskammer 6 geregelt.

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