Solarpower Europe fordert Maßnahmen zum Schutz der europäischen Solarindustrie. Zölle seien aber keine gute Antwort auf die aktuelle Situation. In einem gemeinsamen Statement äußerten sich Vorstand des europäischen Solarverbands Solarpower Europe zur aktuellen Debatte um Zölle. Die Gruppe traf sich zum Quartalstreffen in Brüssel.
In der gemeinsamen Erklärung verweisen die Vorstandsmitglieder auf den „perfekten Sturm“ am Markt und sehen die Ursachen in einer aus Marktdynamik aus Überbestellungen auf der Nachfrageseite, was wiederum zum Preisverfall bei Photovoltaik-Modulen und anderen Systemkomponenten geführt haben soll. Am Donnerstag berichtete pv magazine, wie der Zusammenhang zwischen Überbestellung, Preisverfall und Überproduktion den Einschätzungen einiger Analysten und Marktteilnehmer zufolge aussehen könnte. Dem sind einige Kommentare, Meinungsbeiträge und Diskussionen in Kommentarspalten vorangegangen. Am Freitag trafen sich auch die Energieminister der deutschen Bundesländer und berieten unter anderem darüber, wie sich die deutsche und europäische Branche schützen lässt.
Aus Sicht von Solarpower Europe bieten sich drei Lösungen an. Zum einen sollte die EU ihre Beihilferegeln aus dem Befristeten Krisenrahmen (TCTF) anpassen. Konkret schlagen die Vorstandsmitglieder von Solarpower Europe vor, dass Mitgliedstaaten die Betriebskosten von Fabriken unterstützen dürfen.
Darüber hinaus soll eine Nachfrage von europäischen Photovoltaik-Produkten geschaffen werden. Dies würde zum Beispiel durch europäische „Resilienz-Auktionen“ gelingen. Im Rahmen des Net-Zero-Industry-Acts der EU könnte eine entsprechende jährliche Ausschreibungsmenge festgelegt werden, bei denen nur europäische Produkte verbaut werden dürfen.
Die Stellungnahme beinhaltet auch den Ruf nach einem Finanzierungsinstrument für europäische Photovoltaik-Produkte. Eine „Solar Manufacturing Bank“ könnte so für günstige Finanzierung sorgen, auch dann, wenn andere Finanzierungswege Kapitalkosten steigen lassen würden.
Politischer Willen wird gebraucht
Diese Projekte könnten innerhalb weniger Wochen auf den Weg gebracht werden, wie es in dem Statement weiter heißt – dafür brauche es nur den richtigen politischen Willen. Eine klare Absage dagegen gibt es für Zölle. Solche Handelsschranken seien für den Ausbau verlangsamend und würden schlussendlich eine Lose-Lose-Situation verursachen.
„Zölle sind keine gute Antwort auf die aktuellen Herausforderungen in der europäischen Solarindustrie, es gibt bessere und vor allem schnellere Instrumente für die Entwicklung der europäischen Solarproduktion“, sagt Gunter Erfurt, Vorstandsdirektor bei Solarpower Europe und CEO von Meyer Burger. „Anstatt die gesamte Branche durch Tarife zu sanktionieren, müssen wir Anreize für Solaranlagen schaffen, die aus einer stabilen europäischen Solarproduktion stammen. Auf diese Weise kann der Ausbau der Solarenergie ungestört weitergehen und die europäische Solarproduktion stetig wachsen. In den kommenden Wochen hat die EU die Chance, die Grundprinzipien dieses Resilienzsystems in ihrem geplanten Net Zero Industry Act umzusetzen.“
Auch Solarpower Europes Präsident Aristotelis Chantavas, betont, dass Handelshemmnisse nicht zielführend wären. Stattdessen sollte sich die EU bei der Ausarbeitung ihrer Industriestrategie ein Beispiel am Inflation Reduction Act der USA nehmen. Mit dem Programm haben die USA etwa 380 Milliarden Euro in Investitionsanreize in verschiedene Zukunftsindustrien gesteckt. Vor allem der Energiesektor und somit auch die Solarbranche wurde im 240 Milliarden Euro zu mehr Investitionen und Ansiedelung von Produktionskapazitäten in den USA angereizt.
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Die Vorschläge ohne Zölle auszukommen finde ich sehr sinnvoll. Die Idee von Ausschreibungen, in denen der Resilienz zuliebe vor allem mit EU-produzierten Komponenten gearbeitet werden soll, klingt auch vernünftig. Frankreich macht das ja schon, allerdings mit dem Ergebnis, dass dort der PV-Strom merkbar teurer ist.
Ein Nebeneinander von Auktionen mit Komponenten beliebiger Herkunft bzw. EU-Herkunft halte ich deshalb für politisch gefährlich: Dann kann man wunderbar die finanziellen Folgen des Sonderwunschs verfolgen. Damit wäre dieser Sonderwunsch ständigen politischen Angriffen ausgesetzt. Womöglich wäre sogar die Überzeichnung deutlich unterschiedlich, das würde den Druck dann weiter erhöhen.
Besser wäre es, es würde bei allen großen Installationen ein local-content in % der Investitionssumme verlangt. Das ließe den Investoren noch Freiheiten, welche Komponenten oder Bestandteile von Komponenten genau aus der EU kommen, und es dürfte natürlich auch ein bißchen mehr sein. Bei Kleinanlagen könnte man den Prozentsatz der local-content-Komponenten grundsätzlich sehr hoch verlangen, wie entsprechende Ware auf dem Markt verfügbar ist. Einerseits haben bei kleinen Anlagen die Komponentenkosten einen kleineren Anteil an der Gesamtinvestition, andererseits können die notwendigen Einspeisevergütungen leicht staatlicherseits angepasst werden.
Diese „Resilienz-Auktionen“ können sich dann ja wenn nur auf (große) Dachanlagen beziehen, da europäische Hersteller aktuell anscheinend überhaupt keine großformatigen Freiflächenmodule im Angebot haben. So schreibt es jedenfalls Carsten Pfeiffer in seinem Standpunkt im Tagesspiegel Background Energie & Klima:
https://background.tagesspiegel.de/energie-klima/pv-protektionismus-schadet-klimaschutz-und-wirtschaft
„Vor allem: Warum sollten die großen chinesischen Hersteller ein Interesse daran haben, Dumpingpreise gegen eine europäische Industrie ins Spiel zu bringen, die sie zu einem relevanten Teil auf vorgelagerten Marktstufen als Kunden betrachten? Die Solarzellen und zum Teil sogar die Module europäischer Hersteller kommen zu einem relevanten Teil aus China. Die leider sehr wenigen Zellen, die tatsächlich in Europa produziert werden, machen nur einen minimalen Bruchteil des EU-Marktes aus, vom Weltmarkt ganz zu schweigen.
Im Vergleich mit den Produktionsanlagen chinesischer Hersteller sind das Pilotlinien mit deutlich höheren Kosten. Der mit Abstand größte produzierende europäische Zellhersteller hatte im ersten Halbjahr 2023 gerade einmal rund 300 Megawatt Zell-Produktionskapazität. Damit hätte gerade mal der PV-Zubau Deutschlands einer Juni-Woche abgedeckt werden können. Freiflächenmodule mit Solarzellen aus europäischer Produktion gibt es nicht. Die Vorwürfe sind daher schon mangels Motiv absurd. Klartext: Die Schwäche der europäischen Hersteller ist das Problem, nicht die Stärke der chinesischen Konkurrenz.
[…]
Wenn die Politik der europäischen PV-Industrie kurzfristig wirklich helfen will, muss sie Rahmenbedingungen schaffen, unter denen diese ihre Kosten deutlich reduzieren können. Da die europäischen Unternehmen bis auf Weiteres nicht wettbewerbsfähig sind, könnte ihnen kurzfristig in einer Übergangsphase durch Privilegierungen, zum Beispiel mit Sonderausschreibungen im Dachsegment, geholfen werden. Diese Ausschreibungen müssen aber so gestaltet werden, dass die Unternehmen dennoch Kostendruck wahrnehmen und schnell ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern.
Mittel- und langfristig müssen Berlin und Brüssel eine Strategie verfolgen, die europäische PV-Industrie groß und wettbewerbsfähig zu machen. Das Schlimmste, was jetzt passieren könnte, wäre, dass Berlin und Brüssel den Schwarzen Peter einfach nach China schieben, um von ihrer mangelnden Aktivität beim Aufbau der PV-Industrie abzulenken. Das wäre in Folge ein immenser Schaden für Klimaschutz, Energiewende, Resilienz und PV-Branche, aber auch für die Stromkunden, die höhere Stromkosten zu tragen hätten. Der Bumerang würde so zur Politik zurückkommen, die erklären muss, weshalb wieder ein Zukunftsprojekt gebremst wird, statt ihm Schwung zu geben.“