Bundeswirtschaftsministerium ruft Frühwarnstufe des Notfallplans Gas aus

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Das Bundeswirtschaftsministerium hat am Morgen die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Dies sei nach Abstimmungen innerhalb der Bundesregierung erfolgt. Die Europäische Kommission sei bereits informiert worden, erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

Es handelt sich um die erste Stufe des Notfallplans Gas. Er sieht insgesamt drei Eskalationsstufen vor – die weiteren sind die Alarmstufe und die Notfallstufe. Nach Angaben des Ministeriums wird die Frühwarnstufe ausgerufen, wenn „es konkrete, ernst zu nehmende und zuverlässige Hinweise darauf gibt, dass ein Ereignis eintreten kann, welches wahrscheinlich zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage sowie wahrscheinlich zur Auslösung der Alarm- beziehungsweise der Notfallstufe führt.“ Noch sei die Versorgungssicherheit gewährleistet und es gebe aktuell keine Engpässe. „Dennoch müssen wir die Vorsorgemaßnahmen erhöhen, um für den Fall einer Eskalation seitens Russlands gewappnet zu sein“, erklärte Habeck.

Mit der Ausrufung der Frühwarnstufe sei ein Krisenteam zusammengetreten, dass die Versorgungslage analysiere und falls nötig weitere Maßnahmen ergreifen könne, um die Versorgungssicherheit zu erhöhen. Hintergrund ist, dass Russland Erdgas nur noch gegen die Zahlung von Rubel liefern will. Allerdings haben die G7-Staaten im Zuge der Sanktionen eine Bezahlung in Rubel in einer gemeinsamen Erklärung zu Wochenbeginn ausdrücklich abgelehnt. Da die russische Regierung auf ihrer Position beharre, droht nun ein Stopp der Gaslieferungen.

Zum „Krisenteam Gas“ gehörten unter anderem Vertreter aus dem Bundeswirtschaftsministerium, der Bundesnetzagentur und der Netzbetreiber sowie aus den Bundesländern. Es werde nun regelmäßig tagen, um die aktuelle Situation zu bewerten. „Die Gesamtversorgung aller deutschen Gasverbraucher ist aktuell weiter gewährleistet. Es ist ausreichend Gas an den Märkten vorhanden. Dies gilt sowohl für Haushaltskunden und soziale Dienste wie Krankenhäuser als auch für Fernwärme, Stromerzeugung sowie die deutsche Wirtschaft“, erklärte Habeck. „Dennoch ist ab sofort jeder Gasverbraucher – von der Wirtschaft bis zu Privathaushalten – auch gehalten, seinen Verbrauch so gut wie möglich zu reduzieren.“

Reakionen

„Das Ausrufen der Gas-Frühwarnstufe durch das Bundeswirtschaftsministerium ist angesichts der angespannten Beziehungen zu Russland als unserem größten Lieferanten für fossile Energie richtig und wichtig“, erklärte Ingrid Nestle. Die Sprecherin für Klimaschutz und Energie der Grünen-Bundestagsfraktion attestierte ihrem Parteikollegen „echte Führungsstärke“. Die Ausrufung sei ein klares Signal an die gesamte Gesellschaft. „Unsere Stärke liegt in unserer Gemeinschaft, in der jedes Mitglied einen Beitrag leisten kann: Denn jede eingesparte Kilowattstunde hilft uns, um schneller unabhängig von teuren fossilen Energieträgern zu werden“, so Nestle weiter.  Zusätzlich müssten die Erneuerbaren schneller ausgebaut und Energieeffizienz vorangetrieben werden.

Auch die Hauptgeschäftsführerin des BDEW, Kerstin Andreae, nannte die Ausrufung der Frühwarnstufe einen wichtigen Schritt. „Es geht darum, dass alle von einem möglichen Lieferstopp russischer Gasmengen betroffenen Unternehmen sich jetzt auf diese Situation vorbereiten und so einen wertvollen Beitrag zur Krisenvorsorge leisten können, dass im Sinne der Versorgungssicherheit in Deutschland europaweit einheitlich vorgegangen wird und dass alle Gasnetzbetreiber und Gasversorgungsunternehmen sich auf die zu ergreifenden Maßnahmen und die erforderlichen Abläufe im Krisenfall vorbereiten und diese rechtlich richtig einordnen können. Obwohl aktuell noch keine Mangellage vorliegt, ist es notwendig, dass alle Beteiligten für den Fall einer Lieferunterbrechung einen klaren Fahrplan zu ihren Rechten und Pflichten haben.“ Es gelte die Notfallstufe konkret vorzubereiten.

Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) forderte indes auf der heutigen Energieministerkonferenz, weitere Maßnahmen zu ergreifen. Gas müsse bereits jetzt, wo immer es möglich sei, durch andere Energiequellen ersetzt werden, um einer Mangellage frühzeitig zu begegnen. So sollten neben Erneuerbaren auch Kohlekraftwerke vorrangig zur Stromproduktion genutzt werden. „Dafür müssen die Rahmenbedingungen gesetzt und die Kohlevorräte maximal aufgefüllt werden. Wir brauchen sechs bis zwölf Monate Vorratshaltung bei Kohle, die wir weltweit kaufen können und müssen. Strom und Öl müssen gezielt günstiger werden, damit sich der Verbrauch dorthin verlagert“, forderte Aiwanger. Als schnell wirksame Gegenmaßnahmen sieht er zudem die Entbürokratisierung von Biogasanlagen sowie die temporäre Aufhebung von Flächenstilllegungen in der Landwirtschaft, um dort Energiepflanzen anzubauen. Aiwanger plädierte auch dafür, den Gasverbrauch beim Heizen in Privathaushalten möglichst rasch auf strombasierte Endgeräte umzustellen.

„So sorgen wir dafür, dass alle systemrelevanten Betriebe weiter mit Gas versorgt werden können, bei denen es keine Ersatzlösungen gibt. Ich hoffe aber sehr und rechne damit, dass die Verhandlungen in den kommenden Wochen zu einer vernünftigen Lösung führen werden und es nicht zu einem Gasembargo kommt“, sagte Aiwanger weiter. Sein Ministerium habe bereits seit mehreren Wochen einen eigenen Krisenstab Gasversorgung – bestehend aus Vertretern von Energieunternehmen, Wirtschaftsverbänden und Industrie.

Gemeinsamer Beschluss der Länder

Auf dem Treffen der Energieminister der Länder fassten sie auch einen gemeinsamen Beschluss. Sie seien sich einig, dass Versorgungssicherheit nur mit erneuerbaren Energien gelinge. Diese müssten schneller ausgebaut werden. „Wir sind der gemeinsamen Überzeugung, dass Versorgungssicherheit nur mit Erneuerbaren Energien gelingt“, betont die baden-württembergische Energieministerin Walker. „Erneuerbare Energien sind sauber, kostengünstig – und lösen uns aus Abhängigkeiten. Wie groß diese Abhängigkeiten sind und wie bitter – das haben wir in den letzten Wochen besonders schmerzhaft erfahren müssen“, erklärte Baden-Württembergs Umwelt- und Energieministerin Thekla Walker (Grüne) nach dem Treffen. Sie begrüßte die Pläne zu angekündigten Rechtsänderungen und der Einrichtung einer ressortübergreifenden Steuerungsgruppe auf Bundesebene zur Umsetzung von Beschleunigungsmaßnahmen. Zugleich müssten rasch eine Importinfrastruktur für alternative Beschaffungswege aufgebaut werden, insbesondere für Flüssigerdgas LNG. Mittelfristig brauche es zudem grünes Gas und ein funktionierendes Wasserstoffnetz.

Mit Blick auf die Klimaziele lehnte Walker jedoch längere Laufzeiten für Kohlekraftwerke ab. Auch der Atomausstieg zum Jahresende sollte nicht in Frage gestellt werden. Dagegen komme Energieeinsparung und Energieeffizienz eine besondere Rolle zu. „Die beste Energie ist die, die erst gar nicht verbraucht wird. Weniger Energieverbrauch – das ist Klimaschutz, das ist Vorsorge, das ist weniger Abhängigkeit“, so Walker. Bund und Länder seien sich einig, dass es ein Sofortprogramm für Maßnahmen der Energieeffizienz brauche. Ein besonderer Fokus sollte dabei auf den klimafreundlichen Umbau des Gebäudesektors gelegt werden.

Grünes Licht habe es bei dem Treffen für den baden-württembergischen Beschlussvorschlag „Klimaneutrale Energiewirtschaft und Versorgungssicherheit“ gegeben. Demnach wird die von der Bundesregierung angekündigte Plattform „Klimaneutrales Stromsystem“ konkrete Vorschläge für ein neues Strommarktdesign erarbeiten. „Um den zügigen Zubau gesicherter Leistung anzureizen und den indiskutablen Atom- und Kohleausstieg abzusichern, müssen Anreize für die richtigen Investitionen mit passenden Rahmenbedingungen geschaffen werden, insbesondere im Strommarktdesign“, erklärte Walker.

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