Wir erleben gerade das heißeste Jahrzehnt seit der Aufzeichnung der Temperaturen. Und dennoch gibt es einen ersten Lichtblick im Dunkel des Tunnels: Auf der Madrider Weltklima-Konferenz wurde der Klimaschutz-Bericht von Germanwatch und des New Climate-Institute vorgestellt. Überraschendes Ergebnis: Die Mehrheit der Industrie- und Schwellenländer hat erstmals seit Jahrzehnten sinkende CO2-Emissionen. Diese Entwicklung könnte zu einem Wendepunkt in der globalen Klimapolitik führen.
Der Hauptgrund dieser positiven Entwicklung ist der sinkende Kohleverbrauch weltweit und der stark angestiegene globale Ausbau erneuerbarer Energieträger. An der Spitze der Industriestaaten mit sinkenden Emissionen liegen Dänemark und Schweden, im Mittelfeld Deutschland (leicht verbessert von Platz 27 auf Platz 23) und Schlusslichter sind Australien, Saudi-Arabien und die USA.
Was muss Deutschland tun?
In 31 der 57 untersuchten Staaten sind die Emissionen rückläufig. Noch immer ein zwiespältiges Bild ,aber zweifellos ein Fortschritt gegenüber früheren Jahren. Für Deutschland fordert der in Madrid vorgestellte „Klimaschutz-Index“: Klimaziele für 2030 verbessern, Windkraft wiederbeleben und die Verkehrswende endlich einleiten.
Die bisherige Klimapolitik zeigt ganz eindeutig, dass der Markt allein die Energiewende nicht schaffen kann. So sagt der renommierte Ökonom Mohssen Massarat: „Der Markt kann keine Energiewende. Wer glaubt, fossile Energieträger durch Emissionshandel und Steuern überwinden zu können, der irrt. Die Rohstoffe müssen verknappt werden“.
In der Tat haben der Weltklimarat, die Umweltverbände, die Grünen, aber auch die „Fridays for Future“-Bewegung bisher lediglich höhere Steuern auf fossile Rohstoffe gefordert. Etwa zwischen 40 und 180 Euro pro Tonne. So sollte die Erderhitzung auf 1.5 bis zwei Grad begrenzt werden. Doch die Erfahrung zeigt, dass das nicht funktioniert. Es wurden immer nur Ziele beschlossen, aber keine konkreten Maßnahmen zum Erreichen dieser Ziele.
Wenn die Klimaerhitzung wirklich begrenzt werden soll, dann braucht die Marktwirtschaft so wie bisher soziale, so auch künftig ökologische Regeln – etwa wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) aus dem Jahr 2000. Nur mit solchen Regeln und Begrenzungen können unsere Lebensgrundlagen erhalten bleiben. Dieses deutsche Gesetz wurde von knapp hundert Ländern übernommen. Es war die Basis für den weltweiten Ausbau der Erneuerbaren.
Das Erreichen des Paris-Ziels bedeutet: Statt heute circa 40 Milliarden Tonnen CO2-Emissionen dürfen wir 2050 global nur noch etwa fünf Milliarden Tonnen emittieren. So die Wissenschaft. Dieses Ziel ist jedoch nur durch eine CO2-Steuer nicht zu erreichen.
Bei höheren Steuern werden zwei Effekte wirksam
- Erstens: die Reichen jucken höhere Steuern überhaupt nicht. Sie fahren auch bei 70 Cent mehr pro Liter Benzin weiterhin ihre SUVs und fliegen ohne Sinn und Verstand in der Welt herum. Wir haben dann ein soziales Problem wie in Frankreich.
- Zweitens: Die Öl- und Gasproduzenten werden dann ihre Förderungen erhöhen, sodass nach den Gesetzen des Marktes die Preise mittelfristig wieder fallen und keine positiven Klimaeffekte erzielt werden können.
Historische Beispiele für diese Erkenntnis: Die Sklaverei wurde nicht dadurch abgeschafft, dass eine Steuer auf Sklavenhaltung eingeführt wurde, sondern durch Verbot und neue Regeln.
Oder die Kinderarbeit: Auch auf Kinderarbeit wurde keine neue Steuer erhoben, sie wurde schlicht verboten. Ähnlich in Deutschland das Rauchverbot in öffentlichen Räumen.
Schon Ludwig Erhardt hat gelehrt und praktiziert, dass die Marktwirtschaft Regeln und Begrenzungen braucht. Nur so konnte nach dem Zweiten Weltkrieg seine These von „Wohlstand für alle“ erfolgreich umgesetzt werden. Nur eine ökosoziale Marktwirtschaft kann heute zu mehr „Gemeinwohl für alle“ führen.
Das deutsche EEG hat gezeigt, dass nur durch Eingriffe in die sogenannte freie Marktwirtschaft die hundertprozentige Energiewende organisiert werden kann. In der alten Energiewirtschaft gab es nie wirklich freie Märkte, sondern hunderte Milliarden Subventionen für Kohle- und Atomenergie. Im Jahr 2000 hatte Deutschland rund fünf Prozent Ökostrom, heute etwa 45 Prozent.
Je rascher der Umstieg auf erneuerbare Energien, desto preiswerter
Professor Massarat: „Der Glaube an die Marktkräfte verzögert nur den Beginn einer wirksamen Strategie zur Reduktion von Treibhausgasen. Einzig die systematische Verknappung diverser fossiler Energieträger Kohle, Öl und Gas auf nationaler und globaler Ebene garantiert, dass das Klimaziel auch tatsächlich erreicht wird. Daran geht letztlich kein Weg vorbei, je später damit begonnen wird, desto höher werden die jährlichen Reduktionskosten, desto höher die Kosten und desto drastischer werden die ökonomischen und sozialen Verwerfungen“.
Der Kampf gegen den Klimawandel erfordert einen konsequenten und radikalen Umbau unserer Wirtschaft. Er kann nur gelingen durch einen kompletten Verzicht auf fossile Rohstoffe. Schluss mit der Pyromanie. Nur dann werden wir unsere Lebensgrundlagen und den darauf basierenden Wohlstand erhalten können.
- Klimaschutz-Index 2020 (dt. Zusammenfassung und Gesamtversion in Engl.)
- Download: The Climate Change Performance Index 2020 [PDF; 5.3 MB]
- Download: Klimaschutz-Index 2020 – Die wichtigsten Ergebnisse [PDF; 3.1 MB]
- Alle Klimaschutz-Indizes
— Der Autor Franz Alt ist Journalist, Buchautor und Fernsehmoderator. Er wurde bekannt durch das ARD-Magazin „Report“, das er bis 1992 leitete und moderierte. Bis 2003 leitete er die Zukunftsredaktion „Zeitsprung“ im SWR, seit 1997 das Magazin „Querdenker“ und ab 2000 das Magazin „Grenzenlos“ in 3sat. Die Erstveröffentlichung des Beitrags erfolgte auf www.sonnenseite.com. —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com
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Tatsächlch sind die weltweiten CO2_Emmsionen aber auchz 2019 weiter gestiegen , der Anstieg hat sich nur etwas verlangsamt ( Quelle https://www.tagesspiegel.de/politik/alarmierende-zahlen-zur-klimakonferenz-co2-ausstoss-erreicht-neuen-rekord/25298080.html )
Franz
bei Ihrem Artikel sind schon ein paar sehr krasse Vergleiche der Vergangenheit in Beziehung gesetzt , die ich jetzt nicht so ganz mittragen wollte.
Jedoch teile ich Ihren verzweifelten Aufruf, dass offensichtlich viel zu wenig getan wird, um den brennenden Planet vor dem Verglühen zu retten.
Wie wär es mal mit solchen Ansätzen:
1) Pers CO2 – Konto: Ein Jeder sollte bei sich und seiner Familie mal anfangen!
Wo stehe ich persönlich mit meiner Lebensführung, ausgedrückt mit der CO2 Emission;
Es gibt co²-Rechner
Was könnte/ wollte ich daran ändern?
Was sollte sich in meinem Umfeld ändern, um geringere resultierende Emissionen zu erwirken?
Nutzung OPNV?
Wohnort näher zur Arbeitsstelle wechseln?
Alternative Brennstoffe zur Öl- oder Gasverbrennung für Raumwärme? Nicht Neubau…..
Weniger Fleischkonsum zur Vermeidung von Methan?
Bevorzugter Einsatz von LED Beleuchtung?
Privater LV-Einsatz zur verbrauchsnahen oder generellen Stromversorgung?
Distanzen für Urlaubsfahrten einschränken!
Keine Flugreisen?
Ja, gut. Die Daumenschrauben des Mittelalters waren wohl ein wenig schlimmer.
2) Und jetzt der Blick auf die Öffentlchkeit und Handlungsforderungen an die Politik
Offensichtlich sind es immer die ANDEREN, die durch unverhältnismäßige Handlung oder Bepreisung der Energie den Planeten zum Kochen bringen.
1) EEG Umlage für verbrauchsintensive Unternehmen schnellstmöglich abschaffen.
Forderung: sofortige Abschaffung , nach mittlerweile 20 Jahren Übergangszeit.
Unternehmen hatten genügend Zeit zur Umdenke; es gibt keinen Endtermin.
By the way; Energie intensive Unternehmen verbrauchen ca. 50% des Stroms der BRD.
2) Bepreisung der IT-Dienstleistungen sachgerecht einordnen; ca. 10% gehen auf DC- Verbrauch und Dienstleister zurück; Tendenz steigend. 5G, facebook etc.
3) Energiewende reduziert sich auf Baterieantrieb für Mobilität;
Niemand spricht mehr über ENERGIEEINSPARUNGEN.
3) Kommunen maßen sich an, den Energie-Notststand auszurufen, obwohl in deren Einflußbereich Geschäfte in den Fußgängerzonen die Türen bei Vollklimatisierung Sommer wie Winter weit offen halten dürfen. Paradox!
4) Konzept der Bundesregierung für die sichere Energieversorgung für D darlegen, um Stromversorgung auch eine Abschaltung von AKKs wie auch KKWs dar zu stellen.
Der viel diskutierte PV-Deckel oder auch das be- oder auch un-absichtigte Abwürgen der Windenergie durch die neue Distanzdefinition scheint mit da als Nebenkriegsschauplatz!
Nur mal so ein paar Ansätze, Liste ist bei weitem nicht vollständig.
Wir sollten alle mal ein paar Hausarbeiten erledigen.
“ um den brennenden Planet vor dem Verglühen zu retten“,
da habe ich aufgehört zu lesen.
Jeder vierte oder fünfte Bürger in Deutschland kümmert sich um die Umwelt und will diese auch aktiv besser machen. Dem Rest der Bevölkerung ist das egal und sie lächeln über dieses grüne Pack und sind nicht gewillt irgendwelche Einschränkungen hinzunehmen, auch wenn es mehr kostet.
Es geht nur über knallharte Regeln, sprich Gesetze. Ein höherer CO 2 Preis von nur 25 € pro Tonne hat die Kohlestromproduktion massiv zurückgedrängt. Dafür hat man natürlich ein Viertel mehr Gas verstromt. Aber der Weg ist richtig. Zuerst muss der Kohleverbrauch weg und dann kann man das Gas reduzieren.
Jeder Neubau, zumindest im privaten Bereich, sollte heutzutage in der Lage sein, seinen kompletten Energiebedarf zu 100% zu decken.
Dazu braucht es kein neues EEG, sondern nur die gesetzliche Regelung, dass der im Sommer mehr erzeugte Strom den Hausbesitzern im Winter wieder zur Verfügung gestellt werden muss. So kann man 100% Autarkie erreichen.
So gibt es viele kleine Schritte, um das große Ganze zu erreichen. Die Politik muss die Menschen und die Industrie zum Handeln zwingen.
Sprach Herr Ernst, der Eigenheimbesitzer, und geht natürlich auch von gleichbleibenden Netzentgelten aus. Und wahrscheinlich auch noch einem Entgelt für seinen Überschußstrom.
Hat der Herr Fell vor wenigen Tagen in seinem EWG-Report etwas von globalen 75,2 Gt Treibhausgasen geschrieben? Und war in den letzen beiden Jahren nicht der globale THG-Zuwachs ca. 1,8-2%? Und haben die deutschen Steinkohlen-KW in 2018 nicht etwas über 0,1 Gt ausgestoßen, und 2019 dies wahrscheinlich um zusätzlich 20% reduziert?
Wir Deutsche müssen aber „sofort“ aussteigen, umgehend und rigoros, sonst können „wir“ den Globus nicht vor dem Verglühen retten!!
Wer sonst, wenn nicht wir, hat das Geld. Und Geld ist für einen Besitzerwechsel erfunden.