Forscher der Jacobs University Bremen haben unter der Leitung von Stefan Kettemann, Professor für Theoretische Physik, die Auswirkungen untersucht, die schwankende Energieeinspeisungen aus Photovoltaik- oder Windkraftanlagen auf die Stromnetze haben. Der jetzt im Nature-Journal „Scientific Reports“ veröffentlichten Studie „Propagation of Disturbances in AC Electricity Grids“ zufolge belasten erneuerbare Energien die Stromnetze stärker als bislang angenommen. Demnach führt die zunehmende Einspeisung von erneuerbaren Energien zu einer Ausbreitung von Störungen: Selbst kleinste Schwankungen, verursacht etwa durch einen kurzzeitigen Anstieg der Stromeinspeisungen in Bremen, seien über große Distanzen messbar, selbst im fast 600 Kilometer Luftlinie entfernten München.
Weiteres und für die Forscher überraschendes Ergebnis der Studie: Wie intensiv diese Belastung ist, hängt stark vom Aufbau der Netze ab, denn bestimmte Netze sind robuster als andere. „Besonders überrascht hat uns, dass baumartig aufgebaute Verteilernetze, die vom Generator bis zum Verbraucher führen, stabiler gegenüber solchen Störungen sind als engmaschige Verbundnetze, in denen die Stromleitungen in vielen Schleifen kreisförmig zusammengeschlossen sind“, sagt Kettemann. „Das Gegenteil wäre deutlich erwartbarer gewesen. Denn eine Baumstruktur hat schließlich viel eindeutigere und hierarchischere Verbindungslinien als ein kreisförmiges Netz mit seiner Vielzahl an Maschen und Schleifen.“
Die Bremer Forscher erklären dieses Phänomen mit den unterschiedlichen Schwingungen beider Netze, den Wellenmoden. Ähnlich wie bei Orgelpfeifen, deren tiefster Resonanzton mit der Länge tiefer wird, zeige sich, dass die Resonanzfrequenzen engmaschiger Verbundnetze mit der Größe des Netzes kleiner werden. Für baumartig aufgebaute Netze gelte dies nicht. Deren Resonanzfrequenz bleibe mit zunehmender Größe gleich hoch, was sie weniger anfällig für Störungen mache.
Bernd Engel vom Institut elenia der TU Braunschweig sieht die Ergebnisse der Bremer Kollegen kritisch. „Es fällt auf, dass bei den theoretischen Untersuchungen sich keine ausgewiesene Netzregelungsexperten beteiligt haben“, sagt der Professor. „Gerade Kraftwerks – und Wechselrichterregelungen haben einen wesentlichen Einfluss auf das Frequenzverhalten der Netze.“ Engel bezweifelt, dass dies ausreichend berücksichtigt wurde. „Im neuen vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projekt „Netzregelung 2.0“ wird vom Fraunhofer IEE in Kassel, dem elenia der TU Braunschweig sowie der Uni Kassel zusammen mit den Übertragungs- und Verteilungsnetzbetreibern intensiv untersucht, wie Stromnetze mit immer weniger rotierenden Massen und mehr Wechselrichter stabil zu betreiben sind. Schließlich werden die Synchrongeneratoren in konventionellen Kraftwerken immer mehr durch Wind- und Solarparks zeitweise ersetzt“, so Engel weiter.
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Die rotierenden Massen kann man ja behalten – als Speicher für die Primärregelung.
Mir erscheint die Studie eher als wertlos: Schließlich sorgt die Netzregelung ja für eine Dämpfung von Störungen. Die Dämpfung wird anspruchsvoller, aber die Computer werden ja auch besser.
Die Alternative Verteil- oder Verbundnetz hat man gar nicht. Der Witz des Verbundnetzes ist, dass beim Ausfall einer Verbindung im Idealfall trotzdem alle Verbraucher weiterhin versorgt werden können, weil es genug Ersatzwege um die gestörte Verbindung herum gibt. Dass die Netzregelung anspruchsvoller wird, bestreitet niemand, auch nicht dass sie teurer wird, weil Umspannwerke Strom in beiden Richtungen durchlassen können müssen, aber dafür wird anderes auch billiger, vor allem die Folgen des Klimawandels in Afrika.
So wie das hier wiedergegeben ist, scheint das eine Studie zu sein, die die Erneuerbaren diskreditieren soll – ein weiterer Puzzlestein in den so beliebten Horrorszenarien der alten Dinos.