Kristalline vs. Dünnschicht-Photovoltaik – oder doch am besten als Tandem

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pv magazine: Gibt es eigentlich noch die klassische Trennung zwischen Dünnschicht- und kristalliner Photovoltaik?

Rutger Schlatmann: Es gibt sie noch, aber sie wird immer kleiner. Zusehends werden die kristallinen Wafer zum Substrat – also zu der Fläche, auf die die Dünnschicht aufgetragen wird –, weil immer weitere Verfeinerungen der klassischen Siliziumzelle mit Dünnschicht-, Beschichtungs- oder Strukturierungstechnologie erreicht werden.

Es gibt ja mittlerweile auch die Kombination der beiden Ansätze.

Richtig, die Tandem-Technologie. Dabei wachsen die Wafer-basierte Solarzelle und die Dünnschicht-Solarzelle zusammen. In diesem Feld sind wir im Helmholtz-Zentrum Berlin selber auch sehr aktiv.

Welche Vorteile haben solche Tandem-Zellen?

Sie nutzen das verfügbare Spektrum der Sonne viel effektiver aus. Die Tandem-Technologie ermöglicht, dass das blaue Licht, das blau-grüne Licht, das höherenergetische Photonen enthält, und auch das infrarote und rote Licht sehr effektiv in Elektronen umgesetzt wird.

Wie viel effizienter können solche Zellen dann sein?

Eine klassische Single-Junction-Solarzelle, also etwa Cadmiumtellurid oder Silizium, kann nicht über 30 Prozent Effizienz kommen. Mit einer Tandem-Solarzelle kann man über 40 Prozent erreichen.

Für kristalline Zellen ist das dann quasi ein Boost in der Effizienz?

Auf jeden Fall! Ich glaube, das ist die Hauptgeschäftsidee für die Perowskit-Solarzelle, um in den Markt reinzukommen – dass man Perowskit mit einer der etablierten Siliziumzellen kombiniert.

In Brandenburg an der Havel gibt es zum Beispiel die Firma Oxford PV, die an Perowskit arbeitet.

Nach meiner Kenntnis erprobt Oxford PV, ob die Zelle selber gut genug ist, um dieses Tandem-Modell auch fliegen zu lassen. Erstens muss der Wirkungsgrad deutlich besser sein als bei der einfachen Silizium-Solarzelle. Zweitens muss die Modultechnologie so ausgereift sein, dass sie alle Prüfungen übersteht und letztendlich zu Bankability führt. Und drittens muss auch die Produktionstechnologie soweit reifen, dass man nicht nur über den Wirkungsgrad und die Lebensdauer, sondern auch über die Produktionskosten wettbewerbsfähig wird.

Wie lange dauert das noch?

Eine gute Frage. Die International Technology Roadmap für PV prognostiziert der Tandem-Technologie bereits für 2019 einige Prozent Marktanteil. Das scheint mir allerdings etwas zu optimistisch, das halte ich für unwahrscheinlich.

Was halten Sie für realistischer?

Es wird ein paar Jahre dauern, Vertrauen in die Technologie herzustellen. Outdoor-getestete Module müssen den Langzeitertrag erbringen, den der höhere Wirkungsgrad verspricht.

Ist es dann nicht vielleicht schon zu spät? Kristalline Technologie und Dünnschicht-Technologie sind ausgereift und werden immer günstiger.

Das stimmt zwar, aber es gibt die natürliche Grenze des Wirkungsgrads. Das ist der wichtigste Kostenhebel. Ein Wirkungsgrad von über 40 Prozent, den die Tandem-Zellen erreichen können, wird ein sehr gutes Argument sein, um diese Technologie weiterzuentwickeln und daran weiter zu forschen.

Unter den Dünnschicht-Technologien, wie schätzen Sie da die Entwicklung ein? Was wird mit Cadmiumtellurid? Wie entwickelt sich die CIGS-Technologie mit den derzeit in Bau befindlichen Produktionsstätten am Markt?

Sowohl Cadmiumtellurid- als auch CIGS-Dünnschicht sind hinsichtlich ihres Wirkungsgrads ungefähr gleichauf mit den Wafer-basierten Technologien und haben trotzdem die intrinsischen Vorteile der Dünnschicht-Technologie, also weniger Absorbermaterial und größere Flächen, die auf einen Schlag bearbeitet werden können. Demgegenüber steht die massive Kostensenkung, die es bei Wafern gegeben hat. Die Wafer-Technologie ist so kostengünstig und so dominant geworden, dass es nur schwer vorstellbar ist, dass sie von der Dünnschicht-Technologie komplett überflügelt wird.

Was müsste aus Ihrer Sicht getan werden, um den Dünnschicht-Anteil im Markt weiter zu erhöhen?

Die Dünnschicht-Technologie hat neben den intrinsischen Vorteilen auch technologisch-wirtschaftliche Nachteile. So gibt es noch keine einheitliche Produktionsmethode „von der Stange“, die alle nutzen. Bisher wird bei CIGS auf eine Zwei-Schritt-Prozessierung des Absorbers oder die direkte Co-Verdampfung gesetzt. Beide kommen am Ende etwa auf den gleichen Wirkungsgrad und vergleichbare Kosten. Zu der fehlenden Standardmethode kommt, dass die Produktionskapazitäten bis auf Solar Frontier derzeit im 100-Megawatt-Bereich liegen. Erst wenn das Gigawatt-Level erreicht ist, setzen die Economies of Scale richtig ein. Bei einer Vervielfachung des Auftragsvolumens ist es für Maschinenbauer einfacher, die Investitionskosten runterzubringen. Die spannende Frage für die nächsten Jahre ist, wird dieser Vorteil genutzt werden können? Sind die Investoren so überzeugt, dass sie das Geld zur Verfügung stellen? Wir glauben daran, dass es funktionieren würde. Aber wir sind eine Forschungseinrichtung.

Wenn die Economies of Scale genutzt werden können – welche Rolle spielt dann der Produktionsstandort? Käme auch Europa infrage?

Europa ist absolut ein Produktionsstandort für Photovoltaik – wenn der Markt wieder anzieht und wenn es stabile Rahmenbedingungen gibt!

Die asiatische Konkurrenz ist noch nicht enteilt?

Denken Sie an Architekturglas. Das kann man auch in China herstellen. Aber Architekturglas kann wegen der Transportkosten nur innerhalb eines Radius von ein paar hundert Kilometern rund um die Fabrik ausgeliefert werden. Displays dagegen kann man offensichtlich aus Taiwan und Korea in die ganze Welt schiffen. Irgendwo dazwischen, aber wahrscheinlich eher auf der Architekturglas-Seite, liegt die Photovoltaik. Je geringer die Modulpreise liegen, desto sinnvoller ist eine Produktion im Absatzmarkt. Und das Argument wird an Bedeutung gewinnen, weil die Transportkosten ja nicht runtergehen. Die Arbeitskosten spielen eine untergeordnete Rolle.

Und wo liegt die kritische Grenze bei den Transportkosten?

Das ist eine schwierige Frage.

Was wäre bei einem den Kostenanteil von 20 Prozent?

20 Prozent sind ja mehr als die übliche Marge, egal mit welcher Finanzierung. Da würde es sich auf jeden Fall lohnen, lokal zu produzieren. Damit man aber auch tatsächlich eine Erstinvestition macht, muss der Markt da sein. Und damit die Fabrik ein paar Jahre mit Volldampf fahren kann, muss es über einige Jahre hinweg stabile Marktbedingungen geben.

Was brauchen wir für einen Markt?

Wir brauchen deutlich mehr als zehn Gigawatt Zubau jährlich in Europa, eher etwas im mittleren zweistelligen Bereich. Das wäre gut.

Dann würden wieder Investoren kommen und eine Photovoltaik-Herstellung aufbauen? Gibt es nicht zu viel verbrannte Erde?

Das glaube ich nicht.

Wo soll das Geld herkommen?

Als ich vor zehn Jahren nach Berlin kam, im Mai 2008, also noch bevor die Finanzkrise losging, habe ich innerhalb von zwei Monaten acht oder neun Investorengruppen in Adlershof begrüßt. Es war eher abenteuerlich, wie viel die Investoren damals da reinstecken wollten. Das war nach 2008 schnell vorbei. Jetzt glaube ich, dass die Zurückhaltung eher zu groß ist.

Wie wirkt sich die aktuelle Marktsituation auf die Photovoltaik-Forschung aus?

Deutschland versteht sich als Technologieland und unterstützt relativ zuverlässig sowohl die Grundlagenforschung als auch die angewandte Forschung wie zum Beispiel durch die Initiative „F&E für Photovoltaik“, bei der wir im Projekt „TCO4CIGS“ sehr gute Ergebnisse erzielt haben. Die Forschungslandschaft in Deutschland und auch in Europa ist nach wie vor sehr gut. Aber Vorsicht: Wenn dieses Solarcluster zerbröckelt, kommt es nicht zurück.

Sehen Sie die Gefahr, dass die Photovoltaik-Forschung zurückgefahren wird?

Diese Gefahr sehe ich natürlich immer und es wäre sehr schade, weil das Potenzial der Photovoltaik nicht mal annähernd ausgereizt ist. Wenn man jetzt bei kommerziellen Modulen um die 20 Prozent liegt, im Labor beim Rekordwirkungsgrad ein bisschen über 25 Prozent und man mit einer Extra-Absorberschicht schon auf über 40 Prozent kommen und das wahrscheinlich auch wirtschaftlich produzieren kann, dann ist da Potenzial. Und wenn man zu Dreifach- und Vierfachzellen übergeht, was komplexer ist, aber einen noch höheren Wirkungsgrad verspricht, dann ist das Potenzial so groß, dass man das unbedingt ausnutzen müsste. Daher wäre es schon sehr unklug, die Forschung zu stoppen. Aber ich glaube nicht, dass es im 7. Energieforschungsprogramm, das das Bundeswirtschaftsministerium zurzeit vorbereitet, oder in dem eher grundlagenorientierten Forschungsprogramm des Bundesforschungsministeriums starke Kürzungen geben wird. Sicher geht es künftig auch um systemrelevante Fragen oder Kopplungsfragen. Und dafür gibt es auch gute Argumente.

Was würden Sie sich denn wünschen? Wie sieht die Landschaft aus, die Sie als Wissenschaftler brauchen?

Ich wünsche mir neben der direkten Forschungsförderung, dass die Marktbedingungen in Europa wieder zuverlässig und vorhersehbar werden. Die politischen Langfristaussagen für 2020 oder 2030 müssen schon jetzt spürbar umgesetzt werden – und Hürden oder Unsicherheiten aus dem Weg geräumt werden.

Zum Beispiel?

Wir haben in Deutschland gesagt, wir wollen wenigstens 80 Prozent der Stromversorgung und auch einen erheblichen Teil des Gesamtenergieverbrauchs auf erneuerbare Energie umstellen. Das muss hauptsächlich von Wind und Sonne getragen werden. Aber seit Jahren wird dauernd an den Marktbedingungen gerüttelt und seit Jahren verfehlt Deutschland mit einem schwachen Photovoltaik-Zubau die eigenen Ziele.

Muss man nicht einfach noch ein paar Jahre warten, und dann ist Photovoltaik sowieso der Selbstläufer?

Das ist in ersten Ländern jetzt schon so. Trotzdem geht es nur mit stabilen Rahmenbedingungen und Investitionssicherheit. Ich hoffe, dass die Politik die Klimaziele tatsächlich zielstrebiger verfolgt und das erfüllt, was sie zum Beispiel in Paris unterschrieben hat.

Fehlt der politische Wille?

Na ja, also wirklich überzeugend ist das nicht. Immerhin zieht die Nachfrage wieder ein bisschen an, was vor allem an den wirklich extrem gesunkenen Kosten liegt. Es hatte ja vor einigen Jahren niemand erwartet, dass Solarstrom für unter fünf Cent pro Kilowattstunde geboten wird. Das hatten wir vor einigen Jahren noch nicht mal für die MENA-Region erwartet – und jetzt ist das in Deutschland Realität.

Ist in der Politik einfach noch nicht angekommen ist, dass Photovoltaik mittlerweile so billig ist?

Das kann sein. Manchmal ist es natürlich Absicht, veraltete Argumente einfach noch einmal zu nutzen, und manchmal ist es einfach mangelnde Information.

Neben den Kosten für die Kilowattstunde geht es um die Versorgungssicherheit. Wie kann die gewährleistet werden?

Alle technischen Bedingungen sind faktisch bekannt und die Lösungen sind nicht in die Sterne geschrieben, aber durch zielstrebige Forschung und Entwicklung zu erreichen. Klar, die Umstellung kostet Geld, aber – und das kann man nicht ausreichend betonen –  das Nichtstun kostet viel mehr Geld und mit der Energiewende entsteht massiv volkswirtschaftlicher Nutzen vor Ort. Die Wertschöpfung bei einem Gesamtsystem mit Batterien und mit Power-to-X – das ist fast ausschließlich lokale Wertschöpfung.

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