„Ein bisschen Guerilla ist gut“

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Herr Quaschning, Sie sagen, dass sich in den nächsten Jahren sehr kleine Anlagen rechnen und ein hohes Potenzial haben werden. Kommen die Steckdosenmodule genau richtig?

Quaschning: Wir brauchen für die Energiewende eine neue Dynamik. Wir sehen, dass die Regierung den Photovoltaikzubau abwürgen will, weil wir zu viele Kohlekraftwerke haben, die sich finanzieren sollen. Es wird keine Vergütungssätze mehr geben, die zu Zubauraten oberhalb von drei oder vier Gigawatt führen. Wenn wir die steigenden CO2-Emissionen ernsthaft bekämpfen wollen, brauchen wir aber einen höheren Zuwachs im Bereich der regenerativen Energien. Dafür sehe ich bei Eigenverbrauchsanlagen, die sich einfach über die eingespeisten Stromkosten rechnen, die größten Chancen. Und da haben diese Steckdosenmodule eine enorme Symbolkraft, denn sie machen das Modell bekannt. Jeder kann mitmachen, vom Einfamilienhausbesitzer bis zum Balkonbesitzer in der Mietwohnung im 15. Stock. Die Energiewende wird transparent, demokratisch und möglich für alle. Wir können hier vielleicht den nötigen Schwung mit steigenden Installationszahlen erzeugen.

Herr Engel, Sie haben da eine etwas andere Perspektive. Sie haben sich in der Vergangenheit sehr stark um das Thema Netzintegration von Photovoltaikanlagen verdient gemacht.

Engel: Erst einmal sehe ich die Bedeutung des Eigenverbrauchs als wesentlichen Teil der Energiewende genau wie Herr Quaschning. Man sollte ihn fördern und nicht über Diskussionen einer angeblichen Entsolidarisierung und mit der Forderung von Abgaben abwürgen. Doch diese Steckdosenmodule, die den Anschein erwecken, dass sich jeder im Baumarkt diese Module kaufen und einfach zu Hause in die Steckdose stecken kann, sind aus mehreren Gründen gefährlich: Erstens wegen der fehlenden elektrischen Sicherheit, weil bei Installation durch Laien zum Beispiel Brandgefahr durch überlastetete Leitungen entstehen kann. Zweitens wegen ihrer zurzeit meist noch mangelhaften Netzintegration. Die Photovoltaik muss als eine seriöse Säule der Energiewende anerkannt werden. Dazu gehört, dass sie dem Netz Systemdienstleistungen zur Verfügung stellen muss. Drittens muss bekannt sein, wie viel Leistung an das Netz angeschlossen ist. Und die Anlagen müssen sich an der Spannungs- und an der Frequenzhaltung beteiligen. Das ist heutzutage nach meinen Informationen noch nicht gewährleistet. Erst bei vollständiger Einhaltung des VDE-Regelwerkes einschließlich der FNN-Anwendungsregel für Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz AR-N-4105 sowie professioneller Installation sehe ich keine Risiken und kann den Plug-in-Modulen einen Markterfolg wünschen.

Sie wollen, dass die angeschlossene Leistung bekannt ist, damit die Solarleistung im Voraus gut prognostiziert werden kann. Wie problematisch ist das bei den Steckdosenmodulen?

Engel: Im Gegensatz zu Herrn Quaschning bin ich nicht der Meinung, dass die Module zu mehr Transparenz führen. Ob jetzt ein Gigawatt, fünf Gigawatt oder noch mehr im Netz sind, ist absolut unbekannt. Außerdem lassen sie sich, wenn sie zu größeren Anlagen zusammengeschaltet sind, nicht vom Netzbetreiber ansteuern, wie es das EEG fordert. Das erhöht die Unsicherheit für unser Energiesystem.

Quaschning: Na ja, wir werden ja in absehbarer Zeit keine 100 Gigawatt an Steckdosenmodulen haben. Wenn man 250 Watt pro Haushalt installiert, wird langfristig vielleicht eine Leistung im unteren einstelligen Gigawattbereich zusammenkommen. Aus Sicht der Netzbetreiber stellt uns die Pinkelpause im Fußballländerspiel vor größere Probleme als eine Handvoll an Steckdosenmodulen, da in dieser Pause die Last stark steigt. Außerdem ist der Lastgang der Steckdosenmodule ganz gut abschätzbar. Man kann über den Solarertrag im Netz relativ gut die gesamte Leistung der installierten Steckdosenmodule abbilden und dann auch in die Prognose aufnehmen.

Herr Engel, ist die Pinkelpause das größere Problem?

Engel: Nein. Denn damit haben die Netzbetreiber ihre Erfahrung, während jetzt überhaupt nicht transparent ist, welche Gigawattzahl ins Netz installiert wird.

Aber würde man das nicht wirklich auch durch eine Abschätzung hinbekommen?

Engel: Woher wollen Sie das wissen? Es gibt heutzutage nur eine sichere Methode, die installierte Leistung zu erfassen. Das ist, wenn die Module gemäß der bestehenden Rechtslage bei ihren Netzbetreibern und damit bei der Bundesnetzagentur im Anlagenregister angemeldet werden. Ich gehe nicht davon aus, dass dies bei Baumarktmodulen mehrheitlich erfolgt. Quaschning: Meine Waschmaschine melde ich auch nicht beim Netzbetreiber an, und die hat eine höhere Leistung als ein Steckdosenmodul. Da muss man die Kirche im Dorf lassen. Die Leistungen sind im Endeffekt Peanuts.

Engel: Sie haben vorhin noch gesagt, dass Sie einen neuen Schub in die Energiewende bringen wollten. Also Peanuts oder ein neuer Schub?

Quaschning: Ein einstelliger Gigawattbereich ist ja auch schon mal ein guter Anfang, und wir werden hoffentlich auch weiterhin noch viele größere Photovoltaikinstallationen bauen. Aber im Vergleich zur Nachfrageseite von 50 bis 70 Gigawatt sind auch fünf Gigawatt noch vergleichsweise wenig. Verbraucher wie Waschmaschinen und Trockner sind für die Netzbetreiber viel schlechter planbar als eine Photovoltaikanlage. Außerdem wächst die Leistung der Steckdosenmodule langsam, so dass man da seine Erfahrungen sammeln kann.

Engel: Es ist eindeutig, dass nach geltendem Recht die Anmeldung beim Netzbetreiber gefordert wird, und die sollte am besten durch diesbezüglich routinierte Installateure erledigt werden. Dann ist klar, was ins Netz einspeist.

Quaschning: Dann schließen wir die Kleinanlagen aus. Wenn ich eine 500-Watt-Anlage haben will und den Installateur beauftrage, die Anlage anzuschließen, wird sie zu teuer. Dann bleibt die Energiewende den Einfamilienhausbesitzern oder größeren Anlagenbetreibern vorbehalten. Das macht die Energiewende undemokratischer und zerstört weiter die Akzeptanz.

Herr Engel, sehen Sie Chancen für Kleinstanlagen?

Engel: Ich denke, man sollte den Mietern auch andere Möglichkeiten anbieten, zum Beispiel rechtlich erleichtern, dass auch in Mietshäusern den Mietern ein Eigenverbrauch aus einer Gemeinschafts-Dachanlage leichter möglich wird. Außerdem sollte auch darüber nachgedacht werden, ob man als Genosse Strom aus etwas weiter entfernten Anlagen von Energiegenossenschaften als Eigenverbrauch nutzen kann, ohne dass alle Umlagen hinzugerechnet werden. Darüber hinaus gibt es für Kleinanlagen normgerechte Lösungen, die allerdings von Installateuren in Betrieb genommen werden müssen.

Ich will noch mal auf die anderen angesprochenen Fragen zur Netzintegration zurückkommen. Sie fordern vor allem auch die Blindleistungseinspeisung und Abregelbarkeit?

Engel: Genau, auch das. Besonders wichtig ist, dass diese Anlagen eine frequenzabhängige Leistungsreduktion haben, um das 50,2-Hertz-Problem zu vermeiden und sich damit an der Frequenzhaltung im europäischen Verbundnetz zu beteiligen.

Müssen sie laut Niederspannungsrichtlinie nicht sowieso? Engel: Ja, aber viele halten die Niederspannungsrichtlinie heutzutage ja nicht ein. Wenn ich einige Datenblätter von diesen Modulen lese, habe ich da größte Zweifel.

Quaschning: Selbst wenn die Module, die jetzt auf dem Markt sind, technisch noch nicht ausgereift sind, muss man die Idee doch nicht ganz unterbinden. Man muss eben für die Steckdosenmodule entsprechende Richtlinien erlassen. Und nur dann kriegen sie ein TÜV- oder GS-Siegel.

Können wir festhalten, dass es, was die Niederspannungsrichtlinie angeht, ja eine Lösung gibt und sich die Module weiterentwickeln lassen?

Engel: Ganz klar. Wenn am Ende gewährleistet ist, dass diese Module die anerkannten Standards der Netzintegration einhalten, dann habe ich auch nichts gegen sie.

Sie vermissen außerdem die Fähigkeit zur Blindleistungseinspeisung. Nach der Niederspannungsrichtlinie müssen sie das ja gar nicht können, weil sie so klein sind.

Engel: Dann muss aber auch gewährleistet sein, dass man nicht mehr als 15 dieser Module zusammen installiert. Wenn man Anlagen hat in einem Haus, die zusammen über die Schwelle von 16 Ampere Einspeisestrom gehen, müssen sie auch blindleistungsfähig sein. Da ist es ganz wichtig, dass da der Kunde eindeutig informiert wird. Ich halte es auch deshalb für ganz wichtig, dass die Module von Installateuren installiert werden.

Herr Quaschning, sehen Sie es als großes Problem, dass diese Steckdosenmodule keine Blindleistung machen müssen?

Quaschning: Man muss sich da die Leistungsdaten anschauen. 250 oder 500 Watt sind auch in dieser Hinsicht Peanuts. Wenn jemand auf die Idee kommt, viele dieser Module zusammenzuschalten, dann wäre das anders. Dann wird aber auch sinnvoller und günstiger eine Großanlage mit einem normalen Wechselrichter installiert.

Kommen wir noch zu dem anderen sehr strittigen Punkt. An welcher Stelle hat man ein Sicherheitsproblem?

Engel: Ganz klar an zwei Stellen: Die Leitungen sind in der Niederspannungsverteilung abgesichert. Und wenn ich jetzt von der anderen Seite dort eine größere Anzahl von Einspeisemodulen hätte, könnte es sein, dass ich eine Überlastung habe. Außerdem kann es zu einer Überlastung von Mehrfachsteckdosen selbst kommen, wenn ich darüber mehrere Module anschließe. Das Zweite ist der Schutz der Installation vor Feuchtigkeit. Die Module sind außen angebracht, und wir sehen die Gefahr, dass dort eine laienhafte elektrische Installation mit Mehrfachsteckdosen nicht den Umweltbedingungen genügt, wenn es zum Beispiel regnet.

Kann man das über Richtlinien in den Griff kriegen?

Engel: Man bekommt es aber nicht in den Griff, wenn der Endverbraucher das Ding einfach im Baumarkt mit einem Schukostecker bekommt.

Um das zu konkretisieren: Ab wie vielen Modulen sehen Sie Sicherheitsprobleme?

Engel: Es kann zu Problemen kommen, wenn mehr als zwei oder drei dieser Module eingesteckt werden. Wir haben dann unter Umständen auch ein Problem mit der Inselnetzerkennung, was die elektrische Sicherheit unzulässig beeinträchtigt.

Quaschning: Erst einmal zur Feuchtigkeit. Es gibt ja auch andere Geräte, die für den Außeneinsatz zugelassen sind. Die müssen entsprechend nach den IP-Richtlinien spritzwassergeschützt sein. Also, da sehe ich kein Problem. Bei der Absicherung ist das anders. Klar, wenn ich ein einzelnes Modul mit 250 Watt nehme und an die Fassade hänge, dann habe ich nie mehr als ein Ampere an Leistung. Da muss man dann auch nicht päpstlicher als der Papst sein. Ich finde es schon sehr konstruiert, in dem Fall über Kabelbrände zu diskutieren. Wenn wir mehrere Module haben, dann wird der Strom größer. Da ist es wichtig, dass die Hersteller sicherheitstechnisch nachlegen. Das kann man relativ einfach machen, indem man an der Steckdose, an der das Modul angeschlossen wird, eine Sicherung einbaut und die Amperezahl der entsprechenden Hauptsicherung reduziert. Mittelfristig sollte sich die Branche über Einspeisesteckdosen Gedanken machen. Da könnte man einen Standard ähnlich wie bei Elektroautos entwickeln. Es wäre mein Traum, dass es im Haushalt einmal eine spezielle Einspeisesteckdose gibt, die entsprechend abgesichert ist. Am besten, man versucht, noch eine Richtlinie durchzusetzen, dass das im Neubau standardmäßig vorgesehen wird. Dann kann jeder für die Energiewende einstecken, was er möchte, Solarmodule oder vielleicht auch kleine Windräder.

Nehmen wir eine Dreifachsteckdose und schließen drei Module an, dann können rund drei Ampere fließen. Wie viele fließen denn, wenn man eine Waschmaschine anschließt?

Engel: Mehr natürlich. Aber bei einer Waschmaschine kommt niemand auf die Idee, mehrere nebeneinanderzustellen.

Wie sicher muss die Technik eigentlich sein? Wie viel Unwissenheit beim Verbraucher muss ich mit einkalkulieren?

Quaschning: Wir wollen mit der Photovoltaik ja niemanden umbringen. Das ist ganz klar. Bei der Sicherheitstechnik würde ich deshalb keine Kompromisse eingehen. Da ist die Branche gefragt. Man könnte sich übrigens auch überlegen, dass diese Module keinen Standardschukostecker, sondern einen Spezialstecker haben, der wiederum nur über einen Adapter in die Schukosteckdose passt. Und dieser Adapter ist extra abgesichert und hat eine Vier-Ampere-Sicherung. Dann kann ich maximal vier Module zusammenstöpseln, sonst fliegt die Sicherung raus. Dann hätte ich das Problem gelöst, so dass der Anwender, der vielleicht die Anleitung nicht liest oder sich mit zwei linken Händen dumm anstellt, auch hier wirklich überhaupt nichts falsch machen kann.

Engel: Sie haben jetzt einige sehr konstruktive Vorschläge gemacht. Das sind andere Module als die, die es im Baumarkt zurzeit gibt, die Sie vorschlagen. Eines halte ich für sehr wichtig: Es reicht nicht aus, diese ganzen Einschränkungen nur in der Betriebsanleitung im Kleingedruckten zu beschreiben, sondern es muss auch vorne auf dem Karton stehen.

Der Photovoltaikzubau liegt in der Hand der Menschen, unkontrollierbar durch die großen Versorger. Ist Photovoltaik daher eine Guerilla-Energie?

Engel: Also, meine Vision ist das nicht. Meine Vorstellung ist, dass Photovoltaik auch in der Zukunft erlaubt und gefördert ist und dass die Photovoltaik eine demokratische Möglichkeit ist, dezentral an der Energiewende teilzunehmen.

Quaschning: Es gibt keine Energieform, die demokratischer ist als die Photovoltaik. Selbst bei Windkraftanlagen gibt es ja vergleichsweise nur eine kleinere Anzahl an Windparks. Wir haben über eine Million Photovoltaikanlagen in Deutschland. Das zeigt ja, wie breit verteilt und wie demokratisch die ganze Technik ist. Wir haben mit der Photovoltaik einen Schlüssel, durch den sich wirklich jeder an der Energiewende beteiligen kann. Die Energiewende funktioniert auch nur, wenn jeder mitmacht und sich jeder damit identifiziert. Die Solarenergie kann ein wahnsinnig hohes Identifikationspotenzial bieten.

Also eher Demokratie als Guerilla?

Quaschning: Ja.

Engel: Aber diese Entwicklung ist durchaus bedroht. Und zur Guerilla wird die Photovoltaik dann, wenn die Rahmenbedingungen durch den Staat so nachteilig gestaltet werden, wie es jetzt zum Beispiel in Spanien der Fall ist, wenn der Eigenverbrauch diskriminiert wird durch überzogene Aufschläge, zum Beispiel durch überzogene Zählerkosten. Aber das müssen wir unbedingt vermeiden.

Quaschning: Wir müssen die Energiewende retten. Ein bisschen Guerilla und damit Widerstand gegen die derzeitigen Bestrebungen der Energiekonzerne und Politik, Photovoltaik abzuwürgen, ist ja nicht schlecht. Wir brauchen neues Tempo. Sobald eine Technologie sexy ist, die die Leute anspricht und begeistert, entfaltet sie neue Dynamik. Diese Chance bieten Steckdosenmodule. Ich hoffe, dass wir das langfristig auch in geregelte Bahnen bekommen können.

Das Gespräch führte Michael Fuhs.

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