Bundesrechnungshof fordert „Realitätscheck“ für Wasserstoffstrategie – BEE widerspricht

Teilen

Unter dem Titel „Umsetzung der Wasserstoffstrategie des Bundes“ hat der Bundesrechnungshof eine Bestandsaufnahme vorgelegt. Sein Fazit: „Trotz milliardenschwerer Förderungen bleibt der Erfolg der Wasserstoffwirtschaft ungewiss.“ Der Bundesverband Erneuerbare Energien reagierte umgehend und warnte vor einer Revision. „Wir dürfen hier nicht den Kopf in den Sand stecken, nur weil sich der positive Effekt der Investitionen nicht unmittelbar zeigt“, erklärte BEE-Präsidentin Ursula Heinen-Esser.

Der Bundesrechnungshof legte bei der Vorstellung seines Berichts vier Empfehlungen vor. Die erste davon lautet, „die Wasserstoffstrategie und deren bisherige Umsetzung einem Realitätscheck zu unterziehen und dabei neu zu bewerten, ob und wann grüner Wasserstoff ohne dauerhafte Subventionen in ausreichenden Mengen, zu einem wettbewerbsfähigen Preis sowie klimaneutral und nachhaltig verfügbar sein kann“.

Zweitens solle hierbei geprüft werden, welchen Beitrag die Wasserstoffwirtschaft insgesamt zur Energiewende leisten kann – der Rechnungshof sieht hierbei offenbar Grund zur Skepsis, ob die bestehenden Erwartungen überhaupt erfüllbar sind. Grüner Wasserstoff habe „grundsätzlich das Potenzial, klimaneutral erzeugt und genutzt zu werden“, doch ob das in der Praxis auch gelinge, sei vor allem bei importiertem Wasserstoff unsicher. Hier könnten „erhebliche Vorkettenemissionen entstehen“, bei internationalen Ausschreibungen habe die Bundesregierung – die mindestens die Hälfte des Bedarfs durch Importe decken will – bereits „Zugeständnisse bei Nachhaltigkeitsanforderungen gemacht, um überhaupt ausreichend Gebote zu erhalten“.

Drittens solle die Wasserstoffstrategie so überarbeitet werden, „dass Angebot, Nachfrage und Infrastruktur möglichst synchron und wirtschaftlich aufgebaut werden“. Der Bundesrechnungshof weist hierbei darauf hin, dass die Nachfrage sich weit langsamer als erwartet entwickle. Die Förderung für industrielle Nutzung habe insbesondere in der Stahlbranche nicht zur erhofften Nachfrage geführt. Ein „wesentlicher Nachfrageimpuls“ fehle außerdem, solange Gaskraftwerke entgegen früheren Planungen „nicht zwingend auf Wasserstoff umzurüsten sind.“

Warnung vor Dauersubventionen

Die vierte Empfehlung stellt implizit die Wasserstoffstrategie insgesamt infrage. Nach deren Neubewertung solle nämlich gegebenenfalls rechtzeitig ein „Plan B“ entwickelt werden, „um die Klimaneutralität bis 2045 auch ohne eine dauerhaft subventionierte Wasserstoffwirtschaft zu erreichen.“

„Solange nicht absehbar ist, dass Wasserstoff preislich wettbewerbsfähig wird, droht eine staatliche Dauerförderung die bereits aus den Fugen geratenen Bundesfinanzen weiter unter Druck zu setzen“, sagte Bundesrechnungshof-Präsident Kay Scheller. 2014 und 2025 habe der Bund vor allem für Subventionen bereits mehr als sieben Milliarden Euro bereitgestellt, es bestünden zudem bereits bis Ende des Jahrzehnts „Vorbindungen“ in Milliardenhöhe. Das Bundeswirtschaftsministerium, so Scheller, „hat selbst erkannt, dass es sein Vorgehen anpassen muss. Nun muss es auch konsequent handeln.“

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) reagierte auf die Warnungen „mit Sorge, aber auch mit deutlicher Kritik“. Die Bewertung durch den Rechnungshof greife zu kurz und blende „zentrale Chancen und Notwendigkeiten einer heimischen grünen Wasserstoffwirtschaft aus“. Die nämlich schaffe Wachstumsperspektiven sowie „zehntausende neue Arbeitsplätze entlang der gesamten Wertschöpfungskette“. Gleichzeitig werde die Abhängigkeit von Energieimporten verringert und das Energiesystem resilienter.

„Henne-Ei-Problem“

Außerdem sei Wasserstoff auch eine wichtige Flexibilität für das Energiesystem. Gerade angesichts der steigenden Zahl von Stunden mit negativen Strompreisen sei der Ausbau solcher Flexibilitäten essenziell. Der BEE erneuerte in seiner Stellungnahme deshalb auch seine Forderung, die EEG-Systematik von Zeit- auf Mengenförderung umzustellen. Damit lasse sich nicht ins Netz einspeisbarer Strom aus Erneuerbaren in Flexibilitäten wie etwa Elektrolyseuren einsetzen.

Es sei zwar richtig, dass heimisch produzierter grüner Wasserstoff „derzeit noch nicht wettbewerbsfähig ist“. Dies müsse aber, entgegen der Einschätzung des Bundesrechnungshofs, mittelfristig nicht so bleiben. Es sei anhand aktueller Studien mit erheblichen Kostensenkungen zu rechnen, die sich aber nur durch „gezielte politische Flankierungsmaßnahmen“ umsetzen ließen. „Wir haben bei Wasserstoff aktuell ein Henne-Ei-Problem“, so BEE-Präsidentin Heinen-Esser: „Grüner Wasserstoff ist teuer, weil er bislang nur in geringem Maße verfügbar ist. Weil er teuer ist, wird er weniger nachgefragt.“ Es fehle die Absatzperspektive für den Aufbau größerer Kapazitäten, doch die Regierung habe durchaus Gestaltungsmöglichkeiten. „Über Leitmärkte, die Ausschreibung der gerade erst von der EU bewilligten 12,5 Gigawatt Gaskraftwerke als H2-ready oder eine feste Grünstahlquote bei Aufträgen der Öffentlichen Hand“ lasse sich ein planbarer Markt schaffen und damit der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft anreizen.

Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.

Popular content

Balkonsolar, Stecker-Solar-Gerät
Schuko-Stecker meistens ausreichend: VDE veröffentlicht Produktnorm für Stecker-Solar-Geräte
14 November 2025 Balkonanlagen, Guerilla-PV, Do-it-yourself-Solar. Kleine Anlagen, die Endkunden in Baumärkten oder online kaufen und eigenhändig installieren, um sie...