Strom ist sauberer und günstiger – Bruno Burger zieht Bilanz nach einem Jahr Atomausstieg

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Nach dem Atomausstieg ist der Strom in Deutschland sauberer und günstiger. Das ist die Bilanz, die das Fraunhofer ISE nach einem Jahr Atomausstieg zieht. Am 15. April 2023 gingen die letzten drei AKW-Meiler Emsland, Neckarwestheim und Isar vom Netz.

Die letzten Wochen und Monate vor der Abschaltung der Anlagen waren politisch angespannt, da eine Diskussion über die möglichen Effekte des Atomausstiegs die Gemüter beschäftigte. Annahmen, dass Deutschland mehr Kohle verstromen wird, die Versorgungssicherheit nicht gewährleistet werden kann und der Strom aus den Nachbarländern eingekauft werden, heizten die  Diskussion an.

Bruno Burger, der beim Fraunhofer ISE die Energy-Charts betreut, nimmt den Jahrestag zum Anlass, um Bilanz zu ziehen und den Schreckensszenarien vom vergangenen Jahr mit Fakten zu begegnen

Im letzten Betriebsjahr der Atomkraftwerke vom 16.04.2022 bis zum 15.04.2023 hätten die drei Atomkraftwerke 29,5 Terawattstunden Strom erzeugt. Ihr Anteil an der öffentlichen Stromerzeugung in diesem Zeitraum betrug nach Aussagen von Burger 6,5 Prozent. Die Annahme, dass diese knapp 30 Terawattstunden Erzeugung durch einen stärkeren Einsatz der Kohlekraftwerke kompensiert wurde, bestätigte sich nicht.

Grafik: Fraunhofer ISE/ Energy Charts

Grafik: Fraunhofer ISE/ Energy Charts

„Tatsächlich wurde die Stromerzeugung aus Kernkraft energetisch durch erneuerbare Energien ersetzt“, sagt Burger. „Im ersten Jahr ohne Kernenergie wurden ungefähr 270 Terawattstunden erneuerbarer Strom erzeugt, 33 Terawattstunden mehr als im Vorjahreszeitraum. Unser Strommix ist so sauber wie nie zuvor.“

Mehr erneuerbare Energien

Der Anteil von erneuerbaren Energien an der Last betrug im Betrachtungszeitrum von April 2023 bis April 2024 58,8 Prozent. Die Erzeugung aus Kohle, Gas, Öl und Müll sei Burger zufolge um 26 Prozent auf 154,4 Terawattstunden gefallen. Die fossilen Energieträger erreichten somit einen Anteil von einem Drittel an der öffentlichen Nettostromerzeugung.

Als Gründe für den Rückgang der Erzeugung aus fossilen Energieträgern parallel zum Abschalten der Atomkraftwerke nenn Burger höhere Preise für Kohle und Erdgas zusätzlich zu den ohnehin gestiegenen CO₂-Zertifikatskosten. Der Betrieb der Anlagen wäre somit gegenüber erneuerbaren Energien unwirtschaftlich.

Die Last sank im Betrachtungszeitraum im 2,1 Prozent auf 459 Terawattstunden. Das ist aber nicht analog zum Rückgang im produzierenden Gewerbe zu verstehen, wie von einigen Kritikern des Atomausstiegs angenommen wurde. Als Gründe für den Rückgang nennt Burger neben tatsächlichen Stromeinsparungen, in der Industrie und im Privatbereich, eben auch einen höheren Anteil des Eigenverbrauchs durch Photovoltaik.

Bei den Importen stimmt es, dass Deutschland seit dem Atomausstieg mehr Strom aus den Nachbarländern zukaufte. Burger gibt an dieser Stelle aber zu verstehen, dass das aus wirtschaftlichen Gründen passiert und nicht etwa, weil die Erzeugungskapazität in Deutschland nicht mehr die Last decken könne. Die maximale Last betrage in Deutschland etwa 75 Gigawatt, die durch die 90 Gigawatt Kraftwerksleistung von nicht-fluktuierenden Kraftwerken, also Kohle, Gas, Biomasse, Wasserkraft, Pumpspeicher und Müllverbrennungsanlagen, locker und jederzeit gedeckt werden können.

Stromkosten billiger dank Import

Grafik: Fraunhofer ISE/ Energy Charts

„Dass wir 23 Terawattstunden Strom importiert haben, gegenüber 21,3 Terawattstunden Export im Vorjahr, liegt also nicht an mangelnden Erzeugungskapazitäten in Deutschland“, sagt Burger. „Grund sind die deutlich gefallenen Börsenstrompreise. Im Sommer haben die erneuerbaren Kraftwerke in den Alpen und in Dänemark, Norwegen und Schweden günstigen Strom erzeugt, sodass die deutschen Kohlekraftwerke nicht konkurrenzfähig waren. So kam auch über den Import viel Strom mit niedrigen Treibhausgasemissionen nach Deutschland.“

Der günstige erneuerbare Strom aus den eignen Anlagen und jenen, die grenzüberschreitend den Strom nach Deutschland geliefert haben, machte sich auch im Börsenstrompreis bemerkbar. Die Stromkosten seien mittlerweile auf dem Stand von April 2021 angelangt. Das sei niedriger als vor Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine. Der durchschnittliche monatliche Day-ahead-Börsenstrompreis liegt bislang im April 2024 bei 4,8 Cent pro Kilowattstunde. Die Preise kommen mittlerweile auch bei den Endverbrauchern an. Bei Neukunden werden Verträge wieder mit Abschlägen auf dem Preisniveau von Juni 2021 abgeschlossen.

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