Europas Chance auf eigene Photovoltaik-Produktion in neuem Licht

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Entbürokratisieren, digitalisieren und schnellere Netzanschlüsse: So klingt der Dreiklang der Wunschliste der Solarbranche. Nach einem sehr erfolgreichen Jahr mit bislang mehr als zwölf Gigawatt installierter Kapazität und rund 75 Prozent Wachstum stellte Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Solarwirtschaft, auf dem Forum Solar Plus in Berlin die Frage, was die Branche überhaupt noch benötigt, um weiter zu wachsen.

Dafür führte der Verband im November eine Befragung seiner Mitglieder durch, die Ergebnisse zeigte Körnig auf der Veranstaltung während seines Vortrags. Die Hauptthemen Bürokratie und Digitalisierung spielen dabei weiterhin eine wichtige Rolle.

Beim Thema Bürokratieabbau antworteten 99 Prozent der befragten Verbandsmitglieder, dass dieses Belangen wichtig beziehungsweise eher wichtig wäre. Bei der Beschleunigung von Netzanschlüssen und Genehmigungen zeichnete sich ein ähnliches Bild in den Antworten ab – über 90 Prozent der Befragten sehen hier große Baustellen. Das gelte für alle drei Marktsegmente.

Allerdings zeichnet sich auch Verbesserung ab. Körnig sagte, dass die Regierung mit Solarstrategie, Osterpaket und Solarpaket 1 die Branche in einem für ihn unbekannten Maße eingebunden habe. In Konsultationsprozessen wurden alle Bedürfnisse der Branche abgefragt und zumeist in Gesetze übertragen. Im Osterpaket ist alles enthalten, was schnell umsetzbar war. Im Solarpaket 1 werden die großen regulatorischen Stellschrauben gedreht.

Daran arbeite der Verband gerade. Im „Solarpaket 1“ soll zum Beispiel eine Duldungspflicht für Netzdurchleitungen verankert werden. Körnig sagte, dass in vielen Projekten diese Vereinfachung des Netzanschlusses ein halbes Jahr bis zur Anschlusszeit bringen könnte. Der Verbandschef zeigte sich zuversichtlich, diesen Punkt im Gesetz verankern zu können, denn es gebe bereits Erfolge zu feiern. Körnig schreib es seinem Verband zudem zu, dass die Koalition die Gebotsmengen in den Ausschreibungen bereits im Osterpaket anhob.

Fraunhofer ISE-Chef Bett erwartet Marktbereinigungen auch in China

Darüber hinaus stellte Körnig die Aussicht auf mehr heimische Produktion heraus. Der Branchenvertreter erklärte, er hätte nicht gedacht, dass sich diese Möglichkeit nochmal eröffnet – doch die Krisen des vergangenen Jahres zeigten die Notwendigkeit von Resilienz in der Energieversorgung.

Die Möglichkeit, die sich dort eröffnet, bezifferte Andreas Bett, Institutsleiter des Fraunhofer ISE. Allein in Deutschland werden bis zum Jahr 2030 bis zu 200 Gigawatt Photovoltaik-Kapazität installiert sein, sagt Bett. Bis 2045 könnten es bis zu 429 Gigawatt werden. Weltweit werde der Markt von dem Meilenstein der Ein-Terawatt-Marke 2022 auf zehn Terawatt 2030 und 63 Terawatt 2050 wachsen.  Für den Zeitraum einer Dekade werde der Bedarf an Modulen jährlich um 25 Prozent steigen. Hier gelte es, die Chance zu ergreifen und in den Produktionsmarkt mit staatlicher Anschubfinanzierung einzusteigen.

Mit Blick auf die stark gefallenen Preise sagte der Institutsleiter „So wie es einen Winterschlussverkauf gibt, gibt es auch einen Modulschlussverkauf.“ Gemeint ist der Ausverkauf der restlichen Perc-Bestände, was die Preise drückt. Diese würden aktuell auch nicht chinesische Produktionskosten decken und müssten daher mittelfristig wieder steigen. Bis dahin würde es Marktbereinigungen, also Pleitewellen, auch in China geben.

Alle Produktionsschritte in Europa

Auf die hoffte am Abend dann auch noch Herbert Diess, der darin eine Chance sieht, seine Produktionspläne für Europa zu verwirklichen. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Volkswagen AG erläuterte seine Vision, Produktion wieder nach Europa zu holen. Mit 20 Gigawatt pro Jahr will er einsteigen. Vom Polysilizium bis zum Modul soll alles in Europa gefertigt werden. Voraussichtlich sollen Polysilizium, Ingots und Wafer in Spanien gefertigt werden. In Ungarn sollen daraus Heterojunction-Zellen entstehen. In einem Werk, wahrscheinlich in der Lausitz, sollen diese Zellen dann geschindelt in Module verbaut werden. In Deutschland könnten so zwischen 700 und 2000 Arbeitsplätze entstehen.

Der chinesische Hersteller JA Solar wird Technologie-Partner in dem Vorhaben und soll mit 45 Prozent einsteigen. Der Rest soll über privates Kapital finanziert werden. Der Geschäftsplan sieht vor, dass ab 2026 produziert werden kann. In weiteren Technologieausbaustufen sollen bis 2028 aus den Heterojunction-Zellen Tandem-Zellen mit Wirkungsgraden jenseits der 27 Prozent werden.

Doch Diess gesteht ein, dass der Modulpreisverfall seinen Plan kurzfristig durchkreuzte. Er hofft, dass ihm Marktkonsolidierungen und Modulpreissteigerungen in den nächsten drei bis sechs Monaten erlauben, sein Projekt mit dem Namen „Löwenzahn“ weiterzuführen.

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