Bundesnetzagentur legt Eigenkapitalverzinsung für Netzbetreiber fest

Historische Aufnahme vom Bau einer neuen Stromleitung in Norwegen

Teilen

Derzeit erhalten die Strom- und Gasnetzbetreiber für Investitionen in bestehende Anlagen einen Eigenkapitalzins von 5,12 Prozent vor Körperschaftssteuer, bei Neuanlagen sind es 6,91 Prozent. Wegen der niedrigen Marktzinsen sinken die Sätze künftig auf 5,07 Prozent für Neu- und 3,51 Prozent für Altanlagen. Die neuen Zinssätze gelten ab der vierten Regulierungsperiode. Diese beginnt für die Gasnetzbetreiber im Jahr 2023, für die Stromnetzbetreiber im Jahr 2024.

Die Festlegung der Zinssätze hatte zuvor für intensive Diskussionen gesorgt. Ursprünglich hatte die Bundesnetzagentur vor, den Satz für Neuanlagen auf 4,59 Prozent und für Altanlagen auf 3,03 Prozent zu senken. Viel zu wenig, meinten die Netzbetreiber – die Absenkung erschwere Investitionen und verzögere den Netzausbau. Der Ökostromversorger Lichtblick hielt ein Gutachten des  Ökonomen Thomas Wein von der Universität Lüneburg dagegen, dass zu dem Ergebnis kam, eine deutlichere Zinssenkung auf 3,79 Prozent (bei Neuanlagen) und 2,23 Prozent (Altanlagen) sei angemessen, ohne Netzinvestitionen zu gefährden. Gegenüber dem aktuellen Zinsniveau wären Verbraucher damit um rund zwei Milliarden Euro beziehungsweise zwölf Euro pro Haushalt und Jahr entlastet worden.

Netzbetreiber sehen Investitionen gefährdet

Kein Wunder also, dass die Entscheidung der Bundesnetzagentur jetzt auf viel Kritik von beiden Seiten stößt. So sprechen der Bundesverband der deutschen Energie- und Wasserwirtschaft BDEW und der Stadtwerkeverband VKU in einer gemeinsamen Erklärung von einem „völlig falschen Signal“. Der Zinssatz gefährde die Leistungsfähigkeit der Netzbetreiber und die Investitionen in die Netzinfrastruktur, die für Klimaschutz und Versorgungssicherheit notwendig seien. Daran ändere auch die leichte Anhebung nach dem Konsultationsverfahren wenig.

Es sei völlig unverständlich, dass die Bundesnetzagentur die intensiven Diskussionen und die wiederholt von der Energiebranche aufgezeigten offenkundigen methodischen Schwächen bei der Berechnung des Zinssatzes ignoriert, erklären die Verbände. Sehr problematisch und inkonsistent sei beispielsweise, dass die Bundesnetzagentur bei ihrer Einschätzung zur Entwicklung der Kapitalmärkte wesentliche Empfehlungen der Europäischen Zentralbank zur Bewertung der künftigen Renditeerwartung von Investoren nicht beachtet hat.

Lichtblick dagegen spricht von einem „Milliarden-Geschenk für Netzbetreiber“. Die staatlich garantierten Renditen werden auch in Zukunft deutlich zu hoch angesetzt, sagt Markus Adam, Director Legal bei Lichtblick. „Dabei gibt es kaum risikoärmere Investitionen. Offenbar ist die Behörde vor dem massiven Druck aus Politik und Netz-Lobby eingeknickt.“

Ähnlich argumentiert der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne). „Es ist enttäuschend, dass die Bundesnetzagentur die Chance verspielt, Verbraucher, Industrie und Gewerbe deutlicher zu entlasten“, erklärt bne-Geschäftsführer Robert Busch. Das Potenzial für eine Absenkung der Eigenkapitalverzinsung sei bei weitem nicht genutzt worden. Stattdessen machten überhöhte Netzrenditen den Strom weiterhin unnötig teuer. „Gerade in Zeiten steigender Energiepreise muss jeder Spielraum genutzt werden, um staatlich veranlasste oder regulierte Bestandteile beim Strompreis zu reduzieren.“

Bundesnetzagentur erklärt ihre Kalkulation

Nach Angaben der Bundesnetzagentur ergibt sich der neue Eigenkapitalzinssatz aus dem Zehn-Jahres-Durchschnitt des risikolosen Zinssatzes zuzüglich eines angemessenen Wagniszuschlags. Dieser Satz beträgt 0,74 Prozent. Derzeit seien am Kapitalmarkt keine Anzeichen erkennbar, dass dieser Zins während der nächsten Regulierungsperiode in einem Maße steigen könnte, das im festgelegten Eigenkapitalzinssatz nicht bereits berücksichtigt wäre, so die Behörde. Gleichwohl hat die Bundesnetzagentur Vorkehrungen getroffen, den Eigenkapitalzinssatz bei einer unerwarteten Änderung des Zinsumfeldes während der nächsten Regulierungsperiode unmittelbar anpassen zu können.

Den Wagniszuschlag hat die Bundesnetzagentur mit rund 3 Prozent angesetzt. Hierzu hat sie Gutachten in Auftrag gegeben, die im Juli 2021 veröffentlicht wurden. Offen war noch eine mögliche Auswirkung aufgrund von Laufzeit- und Liquiditätseffekten im Wagniszuschlag im Vergleich zum risikolosen Zinssatz. Vor dem Hintergrund der Konsultation hat die Behörde entschieden, den Wagniszuschlag gegenüber dem im Juli veröffentlichten Wert um 0,395 Prozentpunkte anzuheben. Ergänzt durch steuerliche Folgen führte dies zu einer Gesamterhöhung des zunächst angesetzten Wertes von 4,59 Prozent um 0,48 Prozentpunkte auf 5,07 Prozent.

Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.