Die Bundesregierung hat mehrfach versichert, sie strebe einen Anteil von 65 Prozent erneuerbare Energien am Bruttostromverbrauch bis 2030 an. Doch die Voraussetzung dafür erfüllt das EEG 2021 nicht, wie bereits von vielen Branchenexperten moniert wurde. Nun hat das Energiewirtschaftliche Institut (EWI) der Universität Köln eine neue Analyse „Auswirkungen des EEG 2021 auf den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromnachfrage 2030“ veröffentlicht, bei der mit dem EEG 2021 ein Anteil von nur 55 Prozent erneuerbare Energien erreicht werden könnte. „Die mögliche Differenz resultiert aus einer Abschätzung des Strombedarfs von 685 Terawattstunden pro Jahr sowie der laut EEG 2021 geplanten Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien von 377 Terawattstunden pro Jahr“, schreiben die Kölner Forscher.
Ob Deutschland das selbstgesteckte Ziel erreiche, hänge wesentlich von zwei Faktoren ab: der Entwicklung der Stromnachfrage und der Erzeugung des erneuerbaren Stroms. Weithin kritisiert werden die Annahmen der Bundesregierung beim Stromverbrauch 2030. Sie geht dann von einem Bruttostromverbrauch von 580 Terawattstunden aus. Die Berechnungen des EWI liegen dagegen bei rund 685 Terawattstunden im Jahr 2030. Wärmepumpen, Elektrofahrzeuge und die geplante Herstellung von grünem Wasserstoff seien die wesentlichen Treiber.
„Die Nationale Wasserstoffstrategie geht von einer Nachfrage zwischen 90 und 110 Terawattstunden thermisch im Jahr 2030 aus. Dabei wird eine vergleichsweise niedrige nationale Erzeugung von 14 Terawattstunden thermisch angenommen, und der Großteil würde importiert werden“, sagt EWI-Analyst Tobias Sprenger. „Ohne diese Importe wäre der deutsche Bruttostromverbrauch im Jahr 2030 nochmal höher.“
Bei der Erzeugung des erneuerbaren Stroms werden mit dem EEG 2021 eine installierte Gesamtleistung von 205 Gigawatt und eine Erzeugung von 377 Terawattstunden angestrebt. Angesichts einer 2019 installierten Gesamtkapazität von 125 Gigawatt müssten ab 2020 jährlich rund 9,7 Gigawatt an Photovoltaik, Windkraft und Biomasse erfolgen, um das Ziel 2030 zu erreichen. Den von der Bundesregierung angestrebten Anstieg der Erzeugung um 34 Terawattstunden bei den Erneuerbaren, halten die EWI-Forscher mit Blick auf das 65 Prozent-Ziel für unzureichend. Nach ihren Abschätzungen müssten 68 Terawattstunden mehr als noch 2019 erzeugt werden.
BEE passt Szenario an schärfere EU-Klimaziele an
Auch der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) hat sein Szenario aktualisiert. In den Berechnungen des neuen „BEE-Szenario 2030 – 65% THG-Minderung bis 2030“ sei die zu erwartende Anhebung der europäischen Klimaschutzziele berücksichtigt. Demnach müssten die Treibhausgas-Emissionen in Deutschland bis 2030 um 65 Prozent und nicht wie bisher angestrebt um 55 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 1990 gesenkt werden. Der BEE hat in seinem Szenario die Auswirkungen auf die benötigte Leistung und Anteil der Erneuerbaren am Bruttostromverbrauch beleuchtet.
„Der BEE hat berechnet, dass ein Anteil von 77 Prozent an einem Bruttostrombedarf von gesamt 745 Terawattstunden im Jahr 2030 erforderlich ist, um die Klimaziele zu erreichen und eine deutliche Abnahme der fossilen Erzeugung von 329 Terawattstunden (2019) auf 169 Terawattstunden (2030)“, erklärte BEE-Präsidentin Simone Peter. Für den Bruttoendenergiebedarf bedeute das verschärfte Emissionseinsparziel eine Steigerung der Nutzung erneuerbarer Energien um den Faktor 2,4 auf 1084 Terawattstunden 2030. Photovoltaik und Windkraft an Land hätten dabei die größten Potenziale, um dieses Ziel zu erreichen. Die installierte Photovoltaik-Leistung müsse so auf 205 Gigawatt bis 2030 steigen. Dies sind etwa 150 Gigawatt als die aktuell existierende Gesamtleistung der Photovoltaik-Anlagen in Deutschland. Für die Windkraft an Land sieht der BEE ein Gesamtbedarf von 95 Gigawatt bis 2030.
Aber auch die anderen Erneuerbaren-Technologien würde in dem zunehmend flexibler werdenden Strommarkt gebraucht. Den Sektorkopplungstechnologien wie grünem Wasserstoff komme eine wachsende Bedeutung zu. „Die bereits für das erste Quartal angekündigte Anhebung der Ausbaupfade im Erneuerbare-Energien-Gesetz ist zeitnah vorzunehmen, um die erneuerbaren Energien als tragende Säule des Energiemarktes sowie wichtigen Innovations- und Wirtschaftsfaktor zu stärken“, forderte Peter. Auch der BEE hat wiederholt die viel zu geringen Annahmen der Bundesregierung beim Bruttostrombedarf in den nächsten Jahrzehnten kritisiert. Zumal dies eben signifikante Auswirkungen auf den angestrebten Ausbau von Photovoltaik und Windkraft in Deutschland hat.
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Vielleicht sollte man die forcierte Elektrfizierung überdenken, wenn die Produktion aus EE nicht dementsprechend gesteigert werden kann. Was nützt der ganze saubere Wasserstoff und E-Autos, wenn fast 50% der Stromproduktion fossil (Braunkohle?) erfolgen muss?
Nun Hr. Schnyder,
es ist nicht die Frage ob es gesteigert werden kann (das ist ganz sicher möglich!), sondern ob es auch Alle wollen?! Das fängt bei der zusätzlichen Ausweisung von notwendigen Flächen an und hört bei der Verringerung bürokratischer Hemmnisse noch lange nicht auf.
@Andreas Schnyder
Genau das ist die Strategie der konventionellen Stromwirtschaft, und ihren Lobbyisten.
Ich hoffe Sie sehen das nur etwas naiv, und gehören nicht zu denen.
Vielleicht ist es naiv, vielleicht einfach nur realistisch. Wenn‘s nach mir ginge hätte ich zuerst die Braunkohlen CO2 Schleudern abgeschaltet. Dann wäre der Strom in D schnell CO2 neutral gewesen.