Scheidender Sonnen-CEO: „Mein Ziel ist, erstmal kein Ziel zu haben“

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pv magazine: Herr Ostermann, Sie haben Sonnen gegründet und groß gemacht. Jetzt hören sie auf. Warum das?

Christoph Ostermann: Die letzten zehn Jahre habe ich Vollgas gegeben, eine Zeit in der ich das Unternehmen international aufgebaut habe, viel unterwegs sein musste und die Welt bereist habe. Jetzt bin ich der Meinung, ich könnte auch mal ein bisschen Zeit für mich und meine Familie nehmen.

Vor zehn Jahren hat Christoph Ostermann das Speicher-Unternehmen gegründet. Damals hieß das Unternehmen noch Prosol Invest, wurde dann 2013 in Sonnenbatterie umfirmiert und agiert seit November 2015 unter dem Namen Sonnen.

Foto: Sonnen

Warum gerade jetzt?

Ostermann: Ich habe von Anfang an immer Dreijahresverträge gehabt. Mein aktueller Vertrag endet am 10. Januar 2021. Das habe ich vor einigen Monaten zum Anlass genommen, darüber nachzudenken, ob ich noch einmal einen Dreijahresvertrag unterschreiben möchte oder nicht. Sie können sich vorstellen, dass das keine einfache Entscheidung ist. Sonnen ist ja mein Baby. Dafür habe ich die letzten Jahre gelebt. Jetzt ist die Zeit für die Übergabe des Stabs richtig, weil Sonnen sehr gut dasteht und weil Sonnen als Mitglied der internationalen Shell-Familie auch sehr gut finanziert ist. Und weil ich das große Glück habe, die Nachfolge an Oliver Koch übergeben zu können, mit dem ich seit sechs Jahren sehr eng und auch freundschaftlich zusammenarbeite. Er ist schon 2014 als Geschäftsführer zu Sonnen gekommen, verantwortlich für den Bereich Operations. Wenn man schon sein Baby abgibt, ist es einem natürlich wichtig, dass es in den neuen Händen bestens aufgehoben ist. Dieser Übergang   zeigt auch das Vertrauen von Shell in unser Team und er steht für Kontinuität und eben nicht für einen Bruch.

Herr Koch, sie übernehmen und das Stichwort ist Kontinuität. Wird es trotzdem Akzente geben, die Sie anders setzen werden? Wird man es merken, dass Sie jetzt der Geschäftsführer sind und nicht mehr Herr Ostermann?

Oliver Koch ist seit sechs Jahren bei Sonnen und bislang als COO aktiv gewesen.

Foto: Sonnen

Oliver Koch: Ja, natürlich wird man das merken. Aber die Wahl eines internen Kandidaten zeigt, dass sowohl das Team bei Sonnen als auch unsere Muttergesellschaft Vertrauen aussprechen und dass alle glauben, dass unser Kurs der richtige ist. Insofern werde ich diesen Kurs halten. Aber klar, jede einzelne Person hat einen anderen Stil und andere Schwerpunkte. In den nächsten Jahren wird unser Schwerpunkt auf Skalierung und Wachstum stehen. Wenn Sie bei uns aus dem Fenster schauen, sehen sie bereits eine Riesenbaustelle. Dort entsteht eine neue große Produktionshalle.

Was ist Ihr Wachstumsziel für die nächsten Jahre?

Koch: Wir können unsere genauen Ziele natürlich nicht kommunizieren aber wir können aber sagen, dass wir wie bisher auch weiter aggressiv wachsen wollen.

Dann schauen wir ein bisschen zurück. Wie ist dieses Jahr bei Sonnen gelaufen bisher?

Ostermann: Dieses Jahr ist ja durch die Pandemie für jeden ein spezielles Jahr. Es ist natürlich nicht so gelaufen, wie wir uns das zu Beginn des Jahres vorgestellt haben. Auf Gruppenebene sind wir die ersten neun Monate trotzdem deutlich gewachsen. Wir sind global aber nicht mit den gleichen Raten gewachsen wie in der Vergangenheit. Die Entwicklung in den einzelnen Märkten ist relativ synchron verlaufen zu den Ereignissen im Rahmen der Covid-19-Krise. In unserem Heimatmarkt Deutschland sind wir extrem stark gewachsen und hatten auch während des Lockdowns so gut wie keine Unterbrechung. Wir hatten das stärkste erste Quartal in der Firmengeschichte in Deutschland.

Und wie liefen die Geschäfte im Ausland?

Wenn wir aber zum Beispiel nach Italien schauen, hat die Pandemie recht früh besonders hart zugeschlagen. Da ging im März und April gar nichts. Das müssen wir jetzt wieder aufholen. Immerhin sind wir in Italien wieder in einer sehr guten Dynamik. In den USA kamen die drastischen Maßnahmen etwas später. Wir sehen, dass es da jetzt auch wieder gut weiter geht. In Australien waren die Maßnahmen auch relativ scharf, sind jetzt aber auch wieder gelockert. Wir müssen sehen, wie sich der Rest des Jahres entwickelt. Ich glaube, dass wir das Jahr 2020 trotz allem mit einem Wachstum beenden können.

pv magazine Podcast

Anlässlich des Führungswechsel den pv magazine Podcast vom Oktober 2019 mit Christoph Ostermann und Oliver Koch zum Nachhören: Chefredakteur Michael Fuhs besuchte den Hauptsitz des Unternehmens im bayerischen Wildpoldsried. Wir machen eine Tour durch Produktion, Batterietestlabor und Backoffice für die Netzdienstleistungen und treffen zusätzlich zu den beiden Chefs viele interessante Leute.

Und wenn wir noch weiter zurückblicken. Was sehen Sie als Ihren größten Erfolg?

Ostermann: Als meinen größten Erfolg sehe ich, dass Sonnen heute sehr gut dasteht, ein internationalisiertes und sehr differenziertes Geschäft hat, das eben nicht nur auf Speichern beruht, sondern auch auf vielen anderer unserer Kernkompetenzen, wie dem Sonnen-Now-Modell, dem Sonnen-Drive-Modell, den virtuellen Kraftwerken. Und ich glaube, dass wir weiterhin auf der Spur sind, innovativ und ein Taktgeber zu sein. Man sieht ja, dass immer mehr andere Player am Markt das, was wir geschaffen und geprägt haben, nachmachen. Darauf, dass wir den Markt geprägt haben, bin ich auch stolz. Wir wollen weiterhin vorn dabeibleiben und Innovationsführer sein und das international. Daher haben wir uns auch entschieden, uns der Shell-Gruppe anzuschließen, und massiv zu skalieren. Dass wir so weit gekommen sind, was natürlich auch eine Gruppen- und  Teamleistung ist, ist der größte Erfolg.

Was war Ihre größte Herausforderung? Gab es Situationen, wo Sie dachten, oh, jetzt könnte es auch schiefgehen?

Ostermann: Na klar, jeden Tag fünf. Aber im Ernst: Als wir 2010 angefangen haben, gab es den Speichermarkt noch gar nicht. Unsere Herausforderung war nicht, gegen Wettbewerber anzukämpfen, da gab es nämlich gar keine, sondern unsere Hauptherausforderung war es, Kunden zu finden, die verrückt genug waren, sich so ein Ding zu kaufen. Und das, obwohl alle noch über Volleinspeisung nachgedacht haben und keiner verstanden hat, wozu man so einen Speicher überhaupt braucht. Wenn man den Anspruch hat, den Markt zu prägen und Innovationen zu bringen, macht man immer wieder Sachen, die man selber noch nie gemacht hat, die aber auch auf dem Markt auch noch nie jemand anderes gemacht hat. Man weiß nie so genau, ob die so gut klappen, wie man sich das vorstellt. Das rasante Wachstum, das wir aufs Parkett gelegt haben, hat außerdem die Organisation sehr beansprucht. Und natürlich gab es da immer wieder Momente, wo man sich gedacht hat: Meine Güte, das ist ja schon ganz schön spannend.

Und in Zukunft widmen Sie sich nur noch der Familie oder bleiben Sie dem Markt doch noch irgendwie treu?

Ostermann: Das ist eine gute Frage, und die Antwort auf die Frage ist: Ich weiß es noch nicht so genau. Ich bin 49 und ich habe drei Kinder. Mein jüngster Sohn ist jetzt dreieinhalb Jahre alt. Dank zwangsläufigem Home-Office hat der jetzt mal seinen Papa ein bisschen besser kennengelernt, was sehr erfreulich ist. Und das ist sicherlich eine Situation, die ich jetzt ein bisschen pflegen und beibehalten möchte. Mein Ziel ist, erstmal kein Ziel zu haben. Ich bin ja auch noch ein paar Monate da und will sicherstellen, dass wir eine blitzsaubere Übergabe haben. Ich bin noch mit Leib und Seele voll dabei und solange man das ist, kann man sich gar nicht auf was Neues einlassen. Außerdem hat man hat ja nur sehr selten im Leben die Chance, dass man einfach einen Schritt zurücktreten und versuchen kann, mit frischem Blick und ein bisschen Abstand auf sein Leben zu schauen. Das ist ein Luxus, den ich mir jetzt leisten möchte, und dann werde ich erst entscheiden, was ich mache. Vielleicht wird es etwas Naheliegendes, wieder etwas aus dem Bereich Green Tech, vielleicht wird es auch wieder ein Unternehmen, vielleicht aber auch nicht.

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