Die Nachfrage nach Ökostrom ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen – und das Angebot ebenfalls. Wie das Umweltbundesamt mitteilt, hatten 2017 knapp 80 Prozent der Stromanbieter mindestens ein Ökostromprodukt im Programm. Und während es 2013 erst 810 solcher Produkte gab, waren es 2017 bereits 1157. Basis der Zahlen ist die jetzt veröffentlichte „Marktanalyse Ökostrom II“. Demnach wurden 2017 in Deutschland Herkunftsnachweise für 95,6 Terawattstunden Strom entwertet, 22 Prozent mehr als 2013. Diese Nachweise stammen laut Umweltbundesamt allerdings annähernd zur Hälfte aus Norwegen und zu über 90 Prozent aus Wasserkraft.
Wie aus der Analyse ebenfalls hervorgeht, haben für die Kunden die Zusammensetzung des Stromproduktes und dessen Preis eine gleichgewichtige Bedeutung. Neben Labeln scheine zudem Regionalität beim Strombezug eine zunehmende Rolle zu spielen. Aus Sicht des Umweltbundesamtes müsste die Stromkennzeichnung aber verständlicher und bekannter werden, um Wirkung zu entfalten. Das sei auch angesichts von EEG-Altanlagen und neuen förderfreien Anlagen wichtig: Die wachsende Zahl von Erzeugungsanlagen ohne eine EEG-Vergütung eröffne ein neues Potenzial für Herkunftsnachweise. „Falls Herkunftsnachweise ein hohes und stabileres Preisniveau erreichen, welches zum Beispiel im Rahmen langfristiger Lieferverträge zu einem relativ verlässlich kalkulierbaren Gewinn werden könnte, würden sich der Stellenwert der Herkunftsnachweise und deren Beitrag zur Energiewende ändern“, schreibt das Umweltbundesamt: „Das Ziel einiger Ökostromsiegel, mit dem Bezug von Ökostrom die Errichtung neuer Anlagen jenseits der Förderung anzureizen, könnte sich unter diesem Gesichtspunkt in den kommenden Jahren leichter erfüllen lassen.“
„Für den Gesamtmarkt muss man sagen, dass viele als Ökostrom angepriesene Tarife die Energiewende kaum voranbringen“, sagt Naturstrom-Vorstand Oliver Hummel vor allem mit Blick auf Herkunftsnachweise für norwegischen Strom aus Wasserkraft. Durch diese Zertifikats-Ökostromprodukte werde kein einziges Ökokraftwerk in Deutschland zusätzlich gebaut. Kunden sollten deshalb auf Gütesiegel mit hohen Qualitätsstandards wie etwa das Grüner-Strom-Label achten. Dadurch werde eine aktive Unterstützung der Energiewende sichergestellt, so Hummel. Zudem müsse die Ökostromkennzeichnung dringend reformiert werden. Die bisherige Darstellung sage durch den pauschalen Ausweis des EEG-Anteils im Strommix von über 50 Prozent so gut wie nichts über den konkreten Stromeinkauf des Energieversorgers aus.
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Ich sehe da einen Widerspruch, den der freie Markt nicht lösen kann: Kaum ein Stromverbraucher ist bereit und in der Lage, seinen Stromverbrauch in Qualität (-> Preis) und auch nur in der Menge für viele Jahre im Voraus festzulegen. Die Stromerzeuger legen aber ihre Erzeugung durch Errichtung ihrer Erzeugungsanlagen für viele Jahre in Qualität, Menge und Kosten fest. Diesen Widerspruch kann nur ein staatlich vernünftig regulierter Markt lösen. Deshalb erscheint es mir illusorisch, große Effekte damit erzielen zu können, dass Erzeuger freie Anlagen errichten, für deren Erzeugung sich ebenso frei entscheidende Abnehmer finden. Im Einzelfall mag das gehen, aber das Große Ganze löst man damit nicht.
In der Realität legen sich die Stromverbraucher, bestimmer gesellschaftlicher Zuordnung, sehr wohl auf längere Jahre, in deutschen Gewohnheitsgefügen, für einen Stromanbieter fest.
Diese obrigkeitsorientierte Abgabe von Verantwortung für flexibel handhabbare Entscheidungen, im Rahmen des persönlich greifenden Handlungspielraumes, ist lächerlich und unreif.
Danke für diese Charakterdarstellung.
@JCW:
Ich glaube da liegt ein Missverständnis vor. Es ist im Artikel wahrscheinlich nicht so gemeint, dass ein Endkunde sich auf eine Anlage festlegt, davon einen Anteil kauft und über seinen Strompreis bezahlt. Vielmehr ist es so, dass sich große PV-Anlagen oder auch Windparks heute schon vielfach mit den Direktvermarktungspreisen messen können und keine EEG-Vergütung mehr benötigen, weil sie auch ohne wirtschaftlich betrieben werden können. Je kleiner die Anlage, desto weniger trifft das zu, aber die Preise fallen weiter.
Wenn engagierte Stromversorger jetzt also echte Ökostromangebote schaffen, indem sie verschiedene Windparks, PV-Anlagen, Wasserkraft, Speicher und Weitere direkt unter Vertrag nehmen oder selber bauen, dann können sie den Kunden zu vernünftigen Preisen echten Ökostrom bieten und wenn das Angebot gut ankommt, dann werden mit den Gewinnen weitere Anlagen gebaut. So trägt der Endkunde direkt zur Energiewende bei.
@Richter: Das Problem bei der Errichtung von freien Anlagen ist die Finanzierung. Ohne Nachweis von vertraglich verpflichteten Strom-Abnehmern bekommt man keine Fremdfinanzierung. So viel Mut haben auch die Ökobanken nicht. Finanzierung aus dem Gewinn (laufender und Rücklage) ginge natürlich, aber so sanft ist kaum ein Unternehmen gebettet. Deshalb ist das einzig sinnvolle Modell, um nicht bloß Papier-Ökostrom zu beziehen, das von Ihnen zuerst beschriebene. Genau diese neuen, freien Anlagen werden hier vom UBA aber nicht betrachtet, und auch nicht von Herrn Hummel von Naturstrom. Der drückt sich mit dem Verweis auf das „Grüner-Strom-Label“ auch darum herum zu beschreiben, wie man sicher sein kann, seinen Öko-Strom nicht aus ohnehin vorhandenen Anlagen zu beziehen. Da muss dann der gute Name des Anbieters reichen. Wer Strom aus EEG-Anlagen teurer bezieht, zahlt jedenfalls doppelt, denn die Kosten dafür stecken schon in der EEG-Umlage. Mit dem Mehrpreis baut man am besten selbst eine freie Anlage (oder beteiligt sich an einer) und steckt sie nicht in einen sinnlosen Zertifikatehandel.