Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist gedeckelt. Sinnwidrige Belastung durch die EEG-Umlage sowie Willkür-Bürokratie sorgen für ein zusätzliches Ausbremsen. Das Mieterstromgesetz stellt sicher, dass die Dachflächen der Städte weitgehend photovoltaiklos bleiben. Die Windbranche wird durch Abstandsregelungen, Höhenbegrenzung und sonstige Restriktionen in die Krise getrieben.
In puncto Erdgas weht der Wind aus einer anderen Richtung. Gefracktem Flüssigerdgas wird der rote Teppich ausgerollt. Zusätzliches Gas wird akquiriert, wo immer es zu bekommen ist. Hier geht man mit einer Gründlichkeit zu Werke, von der der Klimaschutz nur träumen kann: Obwohl die Erdgasförderung in Deutschland nur knapp 6 Prozent zum nationalen Verbrauch beiträgt, achten die Bergämter penibel darauf, dass kein Kubikmeter im Boden bleibt. Die Einnahmen der Förderunternehmen sind offenbar wichtiger als sauberes Grundwasser, unbelasteter Boden und gesunde Luft.
Dass in Niedersachsen bis zu 220.000 Kubikmeter Lagerstättenwasser (extremer Salzgehalt, Kohlenwasserstoffe, Schwermetalle) in einen oberen Grundwasserleiter gelangten, wird hingenommen. Zeitgleich mit der Veröffentlichung dieser bisher größten – bekannt gewordenen – derartigen Havarie wurde der verursachenden Wintershall Dea Deutschland AG die Aufsuchungserlaubnis für ein weiteres Gebiet erteilt.
In der Nordsee gibt es zig Tausende von Gasbohrungen. Nun will das Unternehmen ONE-Dyas B.V. in der Nähe von Borkum und des Wattenmeeres an der niederländisch/deutschen Grenze ein Gasvorkommen in vier Kilometer Tiefe ausbeuten. Eine Bohrplattform auf der niederländischen Seite ist beantragt. Da die Bohrungen grenzüberschreitend sein werden, ist auch das Landesamt für Bergbau Energie und Geologie in Hannover (LBEG) involviert.
Bis 19. September liegen in Borkum Pläne für eine Umweltverträglichkeitsprüfung aus. Hierzu kann Stellung genommen werden. Das LBEG erläutert: „Im Rahmen einer UVP wird geprüft welche Auswirkungen auf die Umwelt, die Gesundheit, die Landschaft, die Natur, den Boden und das Wasser durch ein Vorhaben zu erwarten sind. Es muss vom Vorhabensträger dargelegt werden, wie diese nach Möglichkeit vermieden oder reduziert werden können.“
Man beachte: „nach Möglichkeit“ – Umweltauswirkungen zu vermeiden, würde in diesem Fall natürlich bedeuten, das Vorhaben zu vermeiden. Dies wird offensichtlich ausgeschlossen.
„Der Brennpunkt bei der Gasförderung liegt auf einer umweltbewussten und sicheren Umsetzung, die den Wünschen der Stakeholder entspricht und dazu beiträgt, unseren Energiebedarf nachhaltiger zu gestalten.“ heißt es auf https://www.gemsnordsee.de/, deren Lektüre das LBEG empfiehlt.
Die Frage, zu wieviel Milliarden Tonnen CO2- und Methan-Emission die für 25 Jahre vorgesehene Förderung führen und was das fürs Klima bedeuten würde, wird umgangen.
Man lobt das klimapolitische Engagement der Jugend. Gesetzgeberische Maßnahmen werden angekündigt. Das geschieht vorne auf der Bühne. Hinter den Kulissen werden Unsummen investiert, um neue Klimagas-Quellen zu eröffnen – Geld, das für die rapide Weiterentwicklung der Energiewende dringend benötigt würde.
Wir befinden uns auf einem Schiff, das schwer leck geschlagen ist. Anstatt alle Kräfte, alle Mittel darauf zu konzentrieren, die Lecks abzudichten, bohren wir neue Löcher. Jede neue Gasbohrung ist ein neues Leck. – Das ist unsere „Klimaschutzpolitik“.
Im Jahresbericht 2018 kommt der Leiter des LBEG, Andreas Sikorski, nicht umhin, die FridaysforFuture-Bewegung zu erwähnen, aber gleichzeitig auch zu belehren: Die hundertprozentige Umstellung auf erneuerbare Energien „ist unter Berücksichtigung der derzeitigen Rahmenbedingungen der Energieerzeugung ohne weiteren Einsatz von Erdöl und Erdgas als Brückentechnologie allerdings nicht möglich.“ Erdgas ist aufgrund der Emissionen unverbrannten Methans mindestens so klimaschädlich wie Kohle – wie kann es da „Brückentechnologie“ sein? Da wäre es doch sinnvoller, einfach mit Kohle weiterzumachen! Unsere Verwirrung ist phänomenal.
In den USA spricht sich allmählich herum, dass das Sauberkeitsimage des Erdgases von Methan-Lecks durchlöchert ist. Das „Wall Street Journal“ bedauert vor wenigen Tagen, dass eine wachsende öffentliche Besorgnis über Leckagen und absichtliche Freisetzung von Gas und seiner Hauptkomponente Methan die „Dominanz von Gas in der neuen Energieweltordnung“ zu gefährden droht.
— Der Autor Christfried Lenz war unter anderem tätig als Organist, Musikwissenschaftler und Rundfunkautor. Politisiert in der 68er Studentenbewegung, wurde „Verbindung von Hand- und Kopfarbeit“ – also möglichst unmittelbare Umsetzung von Erkenntnissen in die Praxis – zu einer Leitlinie seines Wirkens. So versorgt er sich in seinem Haus in der Altmark (Sachsen-Anhalt) seit 2013 zu 100 Prozent mit dem Strom seiner PV-Inselanlage. Nach erfolgreicher Beendigung des Kampfes der BI „Kein CO2-Endlager Altmark“ engagiert er sich ganz für den Ausbau der Erneuerbaren in der Region. Als Mitglied des Gründungsvorstands der aus der BI hervorgegangenen BürgerEnergieAltmark eG, wirkte er mit an der Realisierung einer 750 Kilowatt-Freiflächenanlage in Salzwedel. Lenz kommentiert das energiepolitische Geschehen in verschiedenen Medien und mobilisiert zu praktischen Aktionen für die Energiewende. —
Die Blogbeiträge und Kommentare aufwww.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com.
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Zur Windkraft: Das sind nicht staatliche Restriktionen, die der Windkraft zur Zeit Schwierigkeiten machen, sondern Wutbürger, die finden, Energiewende gut und schön, aber nicht vor meiner Haustür, oder die Notwendigkeit gleich ganz bestreiten, weil sie Angst um Vögel und Fledermäuse haben. Die staatsbügerlichen Rechte, die es diesen WB erlaubt, erhebliche Verzögerungen oder gar völligen Stopp des Notwendigen zu erzielen, sind in diesem Fall zwar ärgerlich, sollten aber dennoch nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden.
Zum Gas: Sie mögen in der Sache weitgehend recht haben (nur, dass Gas die Kohle nicht zu 100% ersetzen muss, sondern wegen seiner höheren Flexibilität unnötiges Laufen fast vollständig vermeidet, und damit auch kein dreckiger Kohlestrom exportiert werden muss – man konnte das an der Entwicklung von Stromexport, Erneuerbaren- und Kohlestromerzeugung im Juni sehr gut sehen), aber Sie sollten auch im Auge behalten, was politisch durchsetzbar ist: Die Position, dass es ohne Erdgas ginge, ist eine extreme Minderheitenposition. Man wird aber eine Mehrheit brauchen, und da wird vorübergehend am Erdgas kein Weg vorbeiführen. Es geht leider nur Schritt für Schritt, etwas anderes könnte die Volkswirtschaft auch überlasten. Und die nächsten Schritte heißen: Power-to-Gas-Anlagen aufbauen, Erneuerbare Leistungen erhöhen, Kohlekraftwerke durch Gaskraftwerke ersetzen. Das ist schon eine ganze Menge, was wir da simultan schultern müssen, und an der Geschwindigkeit dieser Konversion wird ein verantwortlicher Staatslenker nur behutsam drehen. Den Aufbau von KWK-Kraftwerken, Nah- und Fernwärmenetzen und (welchen auch immer) neuen Mobilitätslösungen habe ich da schon weggelassen. Auch den von großen Batteriespeichern, weil ein großer Teil von deren Nutzen auch durch Demand-Side-Management der PtG-Anlagen übernommen werden kann, die man ja ohnehin brauchen wird. Es gibt natürlich auch Entlastungen: Auch ohne Energiewende müssten kontinuierlich konventionelle Kraftwerke gebaut werden, die Kosten dafür spart man. So utopisch, wie meine Liste auf den ersten Blick aussieht, ist es also gar nicht. Aber eine besondere Anstrengung bedeutet es schon, denn jedes vorzeitig aus dem Markt genommene Kraftwerk muss durch entsprechende Erneuerbare Leistungen ersetzt werden, und jeder Abschreibungsverlust, fällt auf der anderen Seite als zusätzlicher Investitionsbedarf an. Und Sie wollen doch nicht behaupten, dass Sie die Investitionskraft unserer Volkswirtschaft auf die 100Mrd jährlich genau angeben könnten? Was wirklich immer nötig sein wird, ist, dass PtG nicht durch billiges Erdgas klein gehalten werden kann, sondern umgekehrt jede PtG-Kapazität unmittelbar das entsprechende Erdgas verdrängt, das dazu mit den notwendigen Abgaben belastet werden muss. Die deutsche Demographie legt es nahe, dass es sinnvoll wäre, jetzt, wo die Babyboomer noch im Arbeitsprozess sind, möglichst viel zu investieren, von dessen Erträgen die B. dann in ihrer Rentenzeit den Nutzen haben. Das würde die nachfolgende kleine Generation entlasten. Aber wie man das monetär organisiert, ohne Härten in der Werthaltigkeit von Vermögenswerten zu erzeugen, das ist keine so leichte Aufgabe.