Aus Kohle wird Photovoltaik und Windkraft – ganz ohne Förderung

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Am heutigen Freitag ringt die sogenannte Kohlekommission um das Ausstiegsdatum – also wann soll das erste und das letzte Kohlekraftwerk in Deutschland vom Netz gehen. Diesen Zeitpunkt wählten die Unternehmen Vattenfall, Baywa re, Solarpraxis und Wattner, um nochmals auf die Ergebnisse des unlängst vom Bundeswirtschaftsministerium veröffentlichten Bericht „Erneuerbare-Energien-Vorhaben in den Tagebauregionen“ hinzuweisen. Er zeigt auf, wie die Zukunft in den Kohleregionen aussehen könnte: Ein Mix aus Photovoltaik, Windkraft und Hybridkraftwerke.

Ab 2020 könnten nach Ansicht des Konsortiums auf den Tagebauflächen diese Anlagen ohne jegliche Förderung realisiert werden. Mit Blick auf die Braunkohlereviere weisen sie auf das große Potenzial hin, da es sich um Kraftwerksstandorte mit Netzanschluss und bereits bergbaulich genutzte Fläche handele. Zudem gebe es Fachkräfte in der Region. Photovoltaik-, Windkraft- und Hybridkraftwerke in Kombination mit Speicherlösungen und Sektorkopplung könnten den Charakter der Kohlereviere als Energieregion bewahren, werben die Unternehmen für ihre Idee. Zudem würden sich Chancen für eine verstärkte industrielle Ansiedlung in den Regionen ergeben. Der Projektbericht des Bundeswirtschaftsministeriums kommt zu dem Schluss, dass der Bau der Erneuerbaren-Kraftwerke in den Kohlerevieren einen wesentlichen Beitrag zu einem ökonomisch erfolgreichen Strukturwandel leisten könne. Zudem würden damit neue Arbeitsplätze in den Regionen geschaffen.

Das Konsortium aus Vattenfall, Baywa re, Solarpraxis und Wattner bekräftigte sein Interesse daran, solche Projekte umsetzen und damit auch eine Vorreiterrolle einnehmen zu wollen. „Wenn die Kraftwerke groß genug sein können – mit einer Leistung von mindestens 250 Megawatt – brauchen wir dafür keinerlei Fördermechanismen mehr“, erklärte Baywa-Energievorstand Matthias Taft. „Wir sind in der Lage, ab dem Jahr 2020 große Solarparks und Hybridkraftwerke, ohne jegliche Förderung in den deutschen Tagebauregionen zu finanzieren, zu bauen und zu betreiben. Was wir benötigen, sind lediglich entsprechend geeignete Flächen sowie Netzanschlusspunkte mit ausreichender Kapazität“, so Taft weiter. Auch bei Vattenfall sieht man große Chancen dafür, solche Projekte in Deutschland demnächst ohne Förderung realisieren zu können. „Und die Kosten für Photovoltaik sinken weiter. Wir haben bereits subventionsfreie Windprojekte in der Bauvorbereitung und sind sehr zuversichtlich, dass wir bald auch Solarprojekte in Deutschland sehen werden, die komplett ohne Subventionen auskommen“, sagte Claus Wattendrup, Leiter der Sparte Solar und Batterien bei Vattenfall.

Sowohl Baywa re als auch Vattenfall haben bereits Photovoltaik-Anlagen ohne Förderung in Europa realisiert. In Spanien hat der Münchner Konzern das europaweit wohl größte Projekt dieser Art umgesetzt – den Solarpark „Don Rodrigo“ mit einer Gesamtleistung von 175 Megawatt. Für den Solarstrom gibt es einen 15-jährigen Stromabnahmevertrag mit Statkraft. Der Energiekonzern Vatterfall wiederum hat 2018 in den Niederlanden einen Zuschlag für einen förderfreien Offshore-Windpark mit 700 Megawatt erhalten.

Die Unternehmen betonten jedoch auch, dass für kleine Photovoltaik-Anlagen, etwa private, gewerbliche, industrielle Dachanlagen oder auch kleinere Solarparks mittelfristig weiterhin eine EEG-Förderung notwendig sei. „Die Größe des Projektes ist entscheidend und ein wesentlicher Faktor für die Erreichung wettbewerbsfähiger Stromgestehungskosten“, so die Unternehmen.

Stunden nach Bekanntwerden der Meldung des Konsortiums kam Kritik an den Plänen von Greenpeace Energy. Marcel Keiffenheim, Leiter Politik und Kommunikation, kommentierte: „Es ist gut, dass Vattenfall nach jahrelangem Braunkohleengagement nun für den Ausbau von erneuerbaren Energien in der Lausitz sorgen will. Dabei folgen Vattenfall und der Projektpartner Baywa einem sehr ähnlichen Konzept, wie es Greenpeace Energy im vergangenen Jahr für das Rheinische Braunkohlerevier vorgelegt hat. In einem entscheidenden Punkt allerdings ist der Ansatz von Vattenfall grundfalsch und kein Fortschritt für die Lausitz: Wenn nur ein oder zwei Konzerne die Nachnutzung der ehemaligen Tagebaue durch Solar- und Windenergieanlagen organisieren, dann streichen am Ende auch nur sie die Gewinne ein.“ Keiffenheim monierte, dass das Konsortium um Vattenfall keine Bürgerbeteiligung in seinem Konzept vorgesehen hat. „Nach der Vorstellung von Vattenfall würden die Menschen in der Lausitz nach dem Ende der Braunkohle weiter von einem Großkonzern abhängig bleiben – noch dazu von einem, der in der Vergangenheit nicht besonders verantwortlich aufgetreten ist, wie der Streit um fehlende Rückstellungen für die Renaturierung der Tagebaue belegt. Das aber hieße, in der Lausitz den Bock zum Gärtner zu machen. Erträge und Wertschöpfung fließen dann ab, statt in der Lausitz zu verbleiben, wo sie dringend benötigt würden.“

Unlängst hatte auch Greenpeace Energy einen Plan für ein Gigawatt-Erneuerbaren-Projekt im Rheinischen Revier präsentiert. Wenn RWE zur Abgabe seiner dortigen Braunkohlesparte bereit sei, wolle Greenpeace Energy die drei RWE-Braunkohlekraftwerke im Rheinland sowie die zugehörigen Tagebaue 2020, 2022 und 2025 schrittweise übernehmen und anschließend stilllegen. Parallel dazu soll eine neu zu gründende Bürgerenergie-Genossenschaft ab 2022 auf den Flächen Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 8,2 Gigawatt bauen und betreiben. Diese Anlagen dürften unter üblichen Marktbedingungen eine Rendite von fünf bis sieben Prozent erwirtschaften, so die Erwartungen von Greenpeace Energy.

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