Taiwans Photovoltaik-Branche zwischen Umstrukturierung und Hoffnung

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Der Stellenwert der erneuerbaren Energien in Taiwan ist derzeit hoch. Zur Eröffnung der Energy Taiwan, in der die Solarmesse PV Taiwan aufgegangen und am Freitag zu Ende gegangen ist, kam sogar Präsidentin Ing-Wen Tsai, begleitet von ihrem Wirtschaftsminister. Es ist ihre Regierung, die den Solarunternehmen die Perspektive gibt, die alle suchen. Taiwan mit seinen 23 Millionen Einwohnern will 20 Gigawatt Photovoltaik-Leistung bis 2025 installieren. Das dient nicht nur der Energiewende, sondern auch der heimischen Produktion.

Ursprünglich stark in der Herstellung orientieren sich die großen taiwanesischen Zell- und Modulhersteller derzeit um. Viele treten jetzt selber als EPCs und teilweise als Investoren auf, da die Margen beim Bau von Anlagen höher sind als bei der Produktion. Es kann funktionieren, da die Regierung viel dafür tut, dass die Photovoltaik-Anlagen mit Modulen und Zellen aus einheimischer Fertigung gebaut werden.

Taiwanesische Module für den Heimatmarkt

Dafür gibt es mehrere Mechanismen. Zum einen dürfen Module aus chinesischer Fertigung nicht direkt importiert werden. Zum anderen tragen die so genannten VPC-Zertifikate (Voluntary Product Certification) dazu bei, die die Standardisierungsbehörde vergibt. Anlagen aus Modulen mit diesen Zertifikaten bekommen eine um sechs Prozent höhere Einspeisevergütung. Das Fabrikaudit, das die Zertifikate erfordern, dürfte eine größere Hürde für nicht taiwanesische Hersteller sein, da die Auditoren nicht unbedingt reisen oder die Reise zumindest verzögern können. Außerdem ist ein Teil der raren Flächen für Solarkraftwerke in Regierungshand. Die Vergabe wird anscheinend auch daran gebunden, dass taiwanesische Module eingesetzt werden.

Ob Taiwan die selbstgesteckten Ziele beim Photovoltaik-Ausbau erreichen wird, hängt nicht zuletzt von den Flächen ab. „Wir bekommen weniger und weniger gute Dächer“, sagt Andy Shen. „Wir müssen daher Freiflächenanlagen bauen“, sagt er. Da es diese nicht im Überfluss gibt, sind auch Wasserauffangbecken und Fischzuchtbecken, die nicht mehr benötigt werden, interessant. Dort müssen die Anlagen schwimmend oder auf hohen Unterkonstruktionen gebaut werden. Sie müssen der Feuchtigkeit, und da sich die Installationen in Meeresnähe befinden, dem Salzgehalt der Luft standhalten. Beides war dementsprechend ein großes Thema auf der Messe in Taipeh. So erklärten beispielsweise sowohl TSEC als auch NSP, die beide zu den größeren Playern im Inselstaat gehören, dass sie dafür Module entwickelt haben, mit denen sie sich von anderen Anbietern unterscheiden würden.

Eine der großen Fragen ist, was mit der Produktionskapazität geschieht, die nicht in Taiwan verbaut werden kann. Bei Zellen sind das derzeit rund zehn Gigawatt. Wenn nächstes Jahr der einheimische Markt auf zwei Gigawatt anwachsen würde, was manche angesichts der Zubauziele für realistisch halten, bleiben also noch viele Zellen übrig.

Hersteller sprechen offen darüber, dass sie insbesondere in der Zellherstellung gegenüber den chinesischen Produzenten nicht wettbewerbsfähig sind. Ihre Produktionskosten liegen ungefähr zwei US-Dollarcent pro Watt höher. Nicht zuletzt deshalb hat Motech, einer der taiwanesischen Hersteller, am Tag vor der Messeeröffnung ankündigt, 300 Mitarbeiter entlassen zu wollen. Bereits im Sommer hat das Unternehmen begonnen, eine Waferfertigung herunterzufahren.

Bei TSEC steht derzeit die Linie für jährliche Produktion von 500 Megawatt polykristalliner Zellen still. TSEC ist ein integrierter Hersteller, der zusätzlich zu der polykristallinen Produktionskapazität ungefähr 800 Megawatt Kapazität für Mono-Perc-Zellen und 500 Megawatt Kapazität für Module hat. Ob eine weitere 800 Megawatt Modulproduktion in Betriebe geht, hänge von der Marktentwicklung in Taiwan ab.

Die China-Diskussion reloaded

Joseph Wang, Vizepräsident Solarmodule und Kraftwerke bei TSEC, sagt offen, dass die Regierung daher die taiwanischen Hersteller gegenüber der chinesischen Konkurrenz schützen muss, zum Beispiel durch die Zertifikate. In China werde die Produktion subventioniert und die Bedingungen seien nicht fair. Bei fairen Bedingungen könne sein Unternehmen sehr wohl konkurrieren.

Das Argument ist in Europa wohlbekannt, aber nicht unbedingt richtig. Corinne Lin, Analystin in Taiwan, rechnet vor, dass selbst wenn wie angeführt Fabriken und Land in China teilweise gratis sind, diese Subventionierung nicht für einen Unterschied von zwei Cent pro Watt verantwortlich sein könne. Dieser Kostenblock mache maximal 0,5 Cent pro Watt aus.

Stattdessen sieht sie wie ihre Kollegin Yali Lang von Bloomberg New Energy Finance andere Gründe für die höheren Produktionskosten. Die chinesischen Produktionslinien seien noch nicht so alt und die gesamte Zulieferkette sei in China besser ausgebildet. Beides reduziert die Kosten. Auch taiwanesische Hersteller könnten jetzt in neue Produktionsanlagen investieren. Da sie aber nur begrenzte Ressourcen haben, müssen sich entscheiden, wie viel Kapital sie in den Anlagenbau und wie viel in die Zellherstellung stecken.

Der neue taiwanesische Gigant

Letzteres spielt bei United Renewable Energy, kurz URE, jedenfalls auch eine Rolle. Bereits vor einem Jahr angekündigt fusionieren NSP, Gintech und Solartech am 1. Oktober offiziell zu dem neuen Unternehmen, das dann eine Produktionskapazität für fünf Gigawatt Zellen und ein Gigawatt Module haben wird.

URE werde nach dem offiziellen Vollzug der Fusion durch einen „Prozess der Optimierung und Rationalisierung“ gehen, sagt Andy Shen, Präsident von NSP. Statt alle Zelllinien individuell zu optimieren, solle die Technologie der besten Linie bei den anderen kopiert werden. Teilweise solle die Fertigung polykristalliner Zellen auf mono-Perc umgestellt werden. Die Entwicklung von Heterojunctionzellen gehe weiter. Nächstes Jahr solle eine kleine Produktion starten. Auch der taiwanesische Repräsentant eines deutschen Maschinenausrüster sehr optimistisch in die Zukunft blickte. Zwischen den Zeilen wird jedoch auch klar, dass nicht unbedingt alle Zelllinien erhalten bleiben werden.

Auch geht es bei URE nicht ganz ohne Unterstützung vom Staat. Rund 100 Millionen US-Dollar gibt er als Eigenkapital an die Firma. Insgesamt würden dann rund 16 Prozent der Aktien vom Staat gehalten. Die Bildung des neuen Giganten ist außerdem noch nicht abgeschlossen, es könnten laut Shen durchaus noch weitere Unternehmen dazu stoßen. Offizielle Schritte sind nach dem 1. Oktober möglich.

Vertikale Integration

Um gegenüber den größeren chinesischen Herstellern zu bestehen, geht URE außerdem den gleichen Weg wie TSEC. „Wir werden ein stärker vertikal integriertes Unternehmen“, sagt Shen. Ein Teil der Module werde dementsprechend in die eigenen Projekte verbaut. Heute würden Modulfertigung und Systemgeschäft Gewinne machen, nur das Zellgeschäft sei negativ. Auf die Frage, ob man die Zellen nicht einfach zukaufen könne, sagt Shen, das sei durchaus eine Option. Allerdings könne man Zelllinien ja nicht so einfach dicht machen und das Equipment verkaufen. Da liegt unter anderem daran, dass daran Arbeitsplätze hängen.

Es läuft am Ende immer wieder auf die auch in Europa diskutierte Frage hinaus, in welchen Märkten man welche Produkte mit einem leichten Aufpreis verkaufen kann, sei es wegen Zollbeschränkungen oder weil es einen Bedarf nach Premiummodulen gibt. Außer auf den taiwanesischen Markt wird auch URE daraufsetzen, für Qualität, gutes Aussehen und Spezialanwendungen einen etwas höheren Preis verlangen zu können. Schon jetzt wird ein Teil der Produktion nach Europa exportiert.

Ein anderer taiwanesischer Hersteller, Winaico, sagte auf der Energy Taiwan, dass schon heute gar nicht so sehr auf den taiwanesischen Markt angewiesen ist, da der Exportanteil deutlich überwiegt.

Was man auf der Messe nicht hört, ist die Diskussion um die Kosten des Photovoltaik-Zubaus. Schwimmende Solaranlage dürften die Kosten erhöhen. Wie viel, dürfte noch unklar sein, da derzeit noch etliche verschiedene Konzepte diskutiert werden. Ein Hersteller, der nicht genannt werden will, rät jedenfalls vom Einsatz der Module in schwimmenden Systemen ab. Es sei nicht absehbar, wie die Feuchtigkeit eindringt. Hongjie Hu von Dupont sagte auf dem pv magazine Roundtable, der in Taipeh auf der Messe stattfand, dagegen, dass auch Glas-Folie Module seiner Einschätzung nach einsetzbar sind.

Die Zertifizierung, die zur Abschottung führt, hat dagegen ein eindeutiges Preisschild. Module mit taiwanesischen Modulen bekommen dadurch 6 Prozent höhere Einspeisevergütung. Ist das für Europa wünschenswert und übertragbar? Da gibt es die bekannten Argumente. Hersteller argumentieren damit, dass dadurch Arbeitsplätze geschaffen oder erhalten werden. Auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig werden Hersteller durch solch ein Polster aber nicht unbedingt.

Insgesamt waren nach Angaben der Organisatoren um das Taiwan External Trade Development Council und Semi 260 Austeller vor Ort. Das sind 21 Prozent mehr als vergangenes Jahr. Allerdings haben die Organisatoren die Messe durch ihre Transformation von PV Taiwan zu Energy Taiwan auch um die Bereiche Wind, Speicher, erneuerbarer Wasserstoff und Kreislaufwirtschaft erweitert.

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