Boris Palmer zur neuen Photovoltaik-Pflicht in Tübingen

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Grünen-Oberbürgermeister Boris Palmer hat sich für die Photovoltaik-Pflicht in seiner Stadt stark gemacht.

Foto: Gudrun de Maddalena

Was verbirgt sich hinter der Photovoltaik-Pflicht in Tübingen genau und für wen gilt sie?

Wer ein Grundstück von der Stadt kauft oder neues Planrecht für sein Grundstück benötigt, wird künftig im Kaufvertrag oder im städtebaulichen Vertrag dazu verpflichtet, eine Solaranlage auf jedem Gebäude zu errichten, in dem Strom verbraucht wird. Da in Tübingen neue Baugebiete nur ausgewiesen werden, wenn alle Grundstücke an die Stadt verkauft sind, betrifft das den Großteil der Neubauten.

In ihrem Grundsatzbeschluss steht auch, dass die Photovoltaik-Pflicht stets unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit besteht. Was verbirgt sich dahinter?

Es muss sich wirtschaftlich rechnen. Wir verpflichten nur zum Bau der Solaranlage, wenn der Bauherr oder der Mieter dadurch mehr Geld in die Kasse bekommen. Das geht fast immer, aber im Schatten eines Hochhauses oder wenn ein Haus gar keinen Strom benötigt, rechnet es sich nicht mehr. Für solche extremen Ausnahmen sorgen wir vor. Damit sind wir auch juristisch abgesichert.

Sie haben auch beschlossen, dass Menschen, die eine Photovoltaik-Anlage nicht selbst finanzieren können, diese über die Stadtwerke bauen lassen können. Wie sieht dieses Modell dann genau aus?

Photovoltaik rechnet sich heute vor allem, wenn man den Strom vom Dach selbst verbrauchen kann. Die reinen Erzeugungskosten liegen bei acht und zehn Cent je Kilowattstunde. Das führt auf einen Endpreis, der günstiger ist als Strom aus dem Netz. Damit auch Mieter und Eigentümer das nutzen können, die vielleicht das Kapital nicht haben oder den Aufwand scheuen, finanzieren, bauen und betreiben die Stadtwerke die Photovoltaik-Anlagen. Durch eine Pachtkonstruktion kann der Strom dennoch als Eigenstrom genutzt werden.

Sie haben gesagt, Tübingen habe als erste Kommune in Deutschland die Solarpflicht eingeführt. Das stimmt nicht ganz: Marburg hat das 2010 auch schon mal versucht und scheiterte dann vor Gericht. Warum glauben Sie, dass es in Tübingen nun nicht so laufen wird?

Ich habe Marburg aufmerksam verfolgt, denn ich wollte das zu Beginn meiner Amtszeit in Tübingen auch machen. Aber da steht das Recht klar dagegen. Das war eine kommunale Satzung und die ist nicht zulässig. Wir gehen jetzt einen ganz anderen Weg. In Grundstückskaufverträgen kann man alles reinschreiben, was nicht sittenwidrig ist. Und in städtebaulichen Verträgen hat man einen ähnlich großen Spielraum.

Erwarten Sie durch den Beschluss nun einen neuen Schub beim Photovoltaik-Zubau in ihrer Stadt?

Ja. Wir haben das mit unserem aktuell größten Baugebiet die letzten zwei Jahre ausprobiert. Dort wird jedes Haus auf sechs Hektar Fläche eine Solaranlage haben. Wir erwarten eine Gesamtleistung der Kraftwerke von etwa zwei Megawatt. Das sind 20 Prozent der installierten Photovoltaik-Leistung im Rest der Stadt. Da kommen wir also richtig voran.

Wie groß ist das noch bestehende Photovoltaik-Potenzial für Dach- und Freiflächenanlagen in Tübingen nach ihrer Einschätzung?

Wir haben bislang allenfalls fünf Prozent der Dachflächen genutzt. Also riesig. Freiflächen sehe ich bei uns nicht. Dafür ist Tübingen zu dicht besiedelt und die Störung der Natur wäre mir zu groß. Ist auch gar nicht mehr sinnvoll. Für den Eigenverbrauch muss man aufs Dach.

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