Solarisierung braucht passenden Marktrahmen

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pv magazine: Solarisierung geistert als neues Schlagwort seit einiger Zeit durch die Gegend. Was ist darunter zu verstehen?
Robert Busch (Foto): Die Erzeugungskosten bei der Solarenergie sind in den vergangenen Jahren drastisch gesunken. Diese Entwicklung ermöglicht es, Solarstrom auf wettbewerblichen Niveau zu produzieren. Die Ausschreibungen für Freiflächen zeigen, dass sich auch hierzulande für unter sechs Cent pro Kilowattstunde Solarstrom erzeugen lässt. Dazu kommt: Die Preise werden weiter fallen. Ebenso sinken die Kosten für Batteriespeicher. Dadurch ergeben sich automatisch viele neue und dezentrale Geschäftsmodelle mit Photovoltaik, Speichern und weitere Anwendungen, in Deutschland, aber auch weltweit. Denken Sie an Gebiete etwa in Afrika oder Indien, die bisher nicht an das öffentliche Netz angeschlossen sind. Die Solarenergie, die damit verbundene Elektrifizierung, kann dort einen massiven Schub der Entwicklung auslösen, getragen von Technik und Anlagen die hier entwickelt und konfiguriert werden.

Welche konkreten Potenziale bestehen durch die Solarisierung in Deutschland?

Riesige. Schauen Sie sich Großstädte in Deutschland an. Die meisten Dachflächen dort werden noch nicht für die Solarenergie genutzt, ganz zu schweigen von den Fassaden. Hier lassen sich mit der weiteren technischen Entwicklung viele Potenziale erschließen. Der Trend ist klar: In Zukunft können sich Gebäude immer stärker selbst mit Energie versorgen und brauchen immer weniger Energie aus dem Netz oder dem Öltank. Die Solarisierung kommt genau zur richtigen Zeit. Wenn wir Klimaschutzziele erreichen wollen, brauchen wir sehr viel mehr kostengünstige, CO2-neutrale Lösungen für Wärme- und Mobilität. Solaranlagen, die Strom- für Wärmepumpen oder Elektroautos liefern sind da eine richtige Antwort.

Was muss passieren, damit die Potenziale gehoben werden können?

Wir müssen den energierechtlichen Rahmen drastisch entschlacken. Es ist geradezu widersinnig, selbst verbrauchten Strom mit einer Umlage für das EEG zu belasten, um ein aus der Zeit gefallenes Umlagesystem zu erhalten. Dies führt allein dazu, den Ausbau zu behindern. Wie erwähnt brauchen wir aber nicht weniger, sondern mehr Solarenergie, um den wachsenden Strombedarf zu decken. Insgesamt haben wir die absurde Situation, dass wir die Solarenergie auf der einen Seite begrenzen, aber auf der anderen Seite weiterhin finanziell fördern. Hier brauchen wir ein Umdenken: Mehr Markt, weniger Regulierung durch den Staat. Das Thema Subvention würde sich dann auch ganz schnell erledigen.

Sie sagen mehr Markt, weniger Staat. Wie stellen Sie sich das konkret vor?

Wir brauchen einen Marktrahmen, der neue Vermarktungswege, wie sie etwa über regionale Strombörsen, bilaterale Stromverträge, Quartierslösungen oder ähnliches möglich sind, nicht durch Bürokratie und andere Mechanismen behindert. Aktuell pressen wir den Ökostrom über die Börse in den Markt. Dort wird der Strom dann grau. Das ist auf die Dauer nicht sinnvoll.

Wie sollte es laufen?

Wir müssen die Nachfrage über den Markt erzeugen. Mit der notwendigen Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität bieten sich hier völlig neue Perspektiven. Was würde passieren, wenn Wärmepumpen oder Elektroautos nur noch mit Ökostrom betrieben werden dürften? Eine Umsetzung qua Ordnungsrecht wäre zwar der schnellste und einfachste Weg, das Ziel muss aber sein, diese Nachfrage durch einen Marktrahmen zu modellieren, der dem Kunden zeigt, dass es kostengünstiger und sinnvoller ist, CO2-freie oder -arme Technologien zu nutzen. Wir stehen hier am Anfang einer sehr spannenden Entwicklung. Wir denken da noch weiter: Es muss einen  Systemanreiz geben, um den steigenden Bedarf nach Flexibilität zu decken. Wer sich flexibel verhält, etwa durch eine Reduktion seines Strombezuges aus dem Netz in bestimmten Zeitfenstern, wird belohnt. Eigenerzeuger müssen die Möglichkeit bekommen, ihr energiewirtschaftliches Potenzial einzubringen. Gelingen kann dies durch ein Zusammenspiel aus Eigenerzeugung, Speicherung und einer Reform der Netzentgeltsystematik. Ganz entscheidend ist dabei nicht zuletzt ein neutrales Energienetz, das den Wettbewerb um den Energiekunden ermöglicht.

Welche Normen und Vorschriften sollten aus Ihrer Sicht sofort abgeschafft werden?

Ein Riesenthema sind Steuern, Abgaben und Entgelte bei den Energiepreisen. Strom hat wegen der hohen Belastung im Vergleich zu fossilen Energieträgern wie Heizöl einen massiven Wettbewerbsnachteil. Da ist es dann natürlich schwer, jemanden von einer Stromheizung auf Basis Erneuerbarer zu überzeugen. Wichtig ist es daher, die Belastung der Energieträger nach ihrer CO2-Bilanz auszurichten. Dann entstünde automatisch, ohne Subvention, ein Anreiz, in CO2-arme Technologien zu investieren.

Wie lange würde ein Übergang zum Markt voraussichtlich dauern?

Die Solarisierung schreitet voran und wird durch die Digitalisierung noch stärker als bisher getragen. Mit den entsprechenden Schritten kann sehr schnell eine große Dynamik entstehen. Das hängt natürlich vom politischen Willen ab. Ein neuer energiewirtschaftlicher Rahmen, bei dem eine Reform der Netzentgeltsystematik unausweichlich ist, kann Fehlentwicklungen wie bei der Eigenerzeugung oder beim Mieterstrom verhindern.

Sind im Sondierungspapier Ansätze zu erkennen, die die geforderte Solarisierung voranbringen?

Nein. Die angedachte Sonderausschreibung im Umfang von vier Gigawatt für Onshore-Wind und Photovoltaik klingt nach dem verzweifelten Versuch. noch irgendwie das Klimaschutzziel für 2020 zu erreichen. Natürlich brauchen wir deutlich mehr Photovoltaik und Wind als bisher, aber der Ruf nach mehr grünen Gigawatts allein wird uns ohne eine kluge Anpassung des Energiemarktdesigns, einen beschleunigten Netzausbau sowie kleineren Anpassung am Ausschreibungsdesign nur immer wieder neue ideologische Grabenkämpfe bescheren.

Was wäre denn besser gewesen?

Ein richtiger Schritt wäre dagegen ein Klimaschutzgesetz. Eine Große Koalition, sofern sie denn zu Stande kommt, will dies ja auf den Weg bringen. Positiv ist, dass in dem Sondierungspapier explizit erwähnt wird, die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Speicher zu überprüfen. Leider findet sich das Thema Reform bei der Finanzierung der Energiewende, anders als in einem ersten Entwurf, nicht mehr wieder.

Wo sehen Sie die größten Unterstützer für ihr Konzept und wen müssen Sie erreichen, um es in die Tat umzusetzen?

Vor allem bei den Verbrauchern, die längst darauf warten, dass ihr Engagement für dezentrale Versorgung und Klimaschutz nicht weiterhin und ständig durch zu kurz gedachte politische Notbremsungen, widersprüchliche Regelungen, überkommene Anreizprogramme einer vergehenden fossilen Ära und immer neue Pläne erstickt wird. Wir könnten schon viel weiter sein, wenn Verbraucher und Unternehme klare Signale für die Richtigkeit ihrer Investments in eine CO2 -ärmere Versorgung erhielten und man sie ansonsten machen ließe.

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