Deutschland droht seine selbstgesetzten CO2-Einsparziele bis 2020 zu verfehlen. Dann sollen 40 Prozent CO2 weniger emittiert werden als noch 1990. Bis zur Mitte des Jahrhunderts sollen es sogar 80 bis 95 Prozent weniger sein. Wenn Deutschland dies erreichen wolle, müsse es auf die Abscheidung, Nutzung und Speicherung von Kohlendioxid aus Industrieprozessen – Carbon Capture, Usage, and Storage, kurz CCU, CCS – setzen, so ein Aufruf. Er entstammt aus einem Projekt von Acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und ist gemeinsam mit Forschungseinrichtungen, Stiftungen und Umweltorganisationen formuliert worden, wie es am Dienstag hieß.
In der neuen Legislaturperiode müssten CCU- und CCS-Technologien erforscht, geprüft und diskutiert werden. Nur so stünden sie rechtzeitig zur Verfügung, um bis 2050 einen Beitrag zum Klimaschutz leisten zu können. „Vieles spricht dafür, dass wir CO2 nicht nur vermeiden, sondern auch verwerten und im tiefen Untergrund speichern sollten. Hierüber brauchen wir eine neue, unvoreingenommene Debatte. Kohlendioxid zu lagern oder sogar von einem Abfall- zu einem Rohstoff zu machen, könnte die CO2-Emissionen deutlich schneller sinken lassen“, erklärte Hans-Joachim Kümpel, Leister des Acatech-Projekts zu technischen Wegen der Dekarbonisierung.
Für die Reduktion der unvermeidlichen CO2-Emissionen aus industriellen Prozessen seien Speicherung und Lagerung wichtige Optionen. Erika Bellmann, Policy Advisor Climate & Energy bei WWF Deutschland, erklärte dazu: „Um das Klima zu schützen und die völkerrechtliche Verpflichtung aus dem Pariser Klimaschutzabkommen zu erfüllen, muss der CO2-Ausstoß überall stark sinken. CCS ist dazu keine Alternative. Aber es kann für Restmengen an Industrieemissionen, für die es noch keine andere Vermeidungsoption gibt, eine wichtige Rolle spielen.“
Das Bündnis geht davon aus, dass die CCS- und CCU-Technologien Vorlaufzeiten von mindestens zehn Jahren haben. Daher sei die kommende Legislaturperiode so wichtig. „Aber vor allem müssen wir jetzt die Weichen stellen, damit die Industrie bei Innovationen und Investitionen rechtzeitig auf einen Minderungspfad in Richtung der 2030-Ziele einschwenken kann“, erklärte Christoph Wolff, Managing Director der European Climate Foundation. Neben dieser und dem WWF Deutschland haben die Bellona Foundation, die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, die Dechema Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V., das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI, Germanwatch, das Helmholtz-Zentrum Potsdam, das Deutsche Geo Forschungszentrum, das Institute for Advanced Sustainability Studies e.V., das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) e. V. und das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie den Aufruf unterzeichnet.
Die abschließenden Empfehlungen aus dem Projekt „Technische Wege zur Treibhausgasneutralität (Dekarbonisierung) in der Industrie“ sollen im Sommer 2018 vorgelegt werden, wie es bei Acatech weiter hieß.
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CCS ist eine teure und gefährliche alternative. Ein Gas dauerhaft vollständig im Untergrund zu halten dürfte sich im Endeffekt als unmöglich herausstellen. Ich möchte nicht beim Wandern durch eine Senke laufen und umfallen, weil ich zuviel Kohlendioxid eingeatmet habe.
Der kalte CCS-Kaffee wird mal wieder aufgewärmt.
Der Umstieg auf die erneuerbaren Energien birgt – laut FDP-Lambsdorf – die Gefahr des „industriellen Selbstmordes“. Wenn es um die Beendigung der Kohleverstromung, die Dekarbonisierung der Mobilität, die Reduzierung der landwirtschaftlichen Treibhausgase geht, ist Klimaschutz „Ideologie“ und der CDU-Wirtschaftsrat warnt vor „klimaideologischer Übersteuerung“. Wenn aber eine Chance gesehen wird, CCS wieder ins Gespräch zu bringen, dann triefen plötzlich alle nur so von „klimapolitischem“ Engagement. Während man den Löwenanteil der CO2-Emissionen ruhig weitergehen lässt, sorgt man sich geradezu herzzerreißend um die angeblich unvermeidbaren industriellen CO2-Emissionen, welche angeblich nur durch die „geologische Speicherung“ unschädlich gemacht werden können.
Doch werden sie dadurch denn unschädlich?? – Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. kam jedenfalls zu dem Schluss, dass die geologische CO2-Speicherung (ebenso wie die Atomenergie) „versicherungstechnisch schlichtweg nicht absicherungsfähig“ ist. (Stellungnahme vom 13.4.2011).
Und die CCS-Betreiber glauben selber nicht an die von ihnen in der Öffentlichkeit lauthals behauptete „Sicherheit“: In der von CCS-Befürwortern am 14.01.2014 im EU-Parlament eingebrachten (und verabschiedeten) Resolution wird die vorgesehene 40jährige Haftung der Betreiber für verfüllte Speicher als „übermäßig“ bezeichnet. Statt der Unternehmen solle doch der Staat, der die CO2-Verpressung genehmigt hat, in die Pflicht genommen werden.
Weiterhin sollen die Betreiber von der laut Richtlinie vorgesehenen Pflicht, im Leckagefall CO2-Zertifikate zurückzugeben, befreit werden, da sie durch die „erforderlichen kostenintensiven Abhilfebemühungen“ schon genug belastet würden.
Dass das Versuchsprojekt von Ketzin als Erweis des Funktionierens der Technik gefeiert wurde, ist lächerlich. Hier wurden 67.000 Tonnen verpresst, während ein mittleres Kohlekraftwerk jährlich Millionen Tonnen emittiert. Dieser „Reagenzglasversuch“ hat etwa die gleiche Aussagekraft, wie wenn man den Beweis, dass ein Behälter einen Druck von 100bar aushält, dadurch erbracht sieht, dass er bei Befüllung mit 0,1 bar nicht geplatzt ist.
Bei CCS geht es nicht um Klimaschutz, sondern um Hinauszögerung der Energiewende. Bei einem Einstieg in CCS bei industriellen Emissionen würden alsbald Erfolgsmeldungen à la Ketzin produziert, und es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, dass dann die fossilen Kraftwerke alsbald ebenfalls angeschlossen würden. Nichts anderes als deren Grünwaschung ist das ganze Motiv des CCS.
Die alten Lobbies kämpfen verzweifelt um den Fortbestand der Atom- und der fossilen Industrie. Da die erneuerbaren Energien (insbes. Sonne und Wind) ihrem Wesen nach dezentral sind, passen sie nicht mit der Struktur und auch nicht mit der Ideologie der alten Energie-Geschäftsmodelle zusammen. Das ist der eigentliche Hintergrund der EE-Bremsung. Der Schutz des Planeten und die Demokratisierung der Energieerzeugung erfordern aber die Ablösung der alten Geschäftsstrukturen!
Auch die hochgepriesenen CCU-Technologien sind kritisch zu betrachten.
CO2 ist chemisch eine sehr stabile Verbindung, die nur mit hohem Energieaufwand für weitere Prozesse genutzt werden kann.
Solange in Deutschland jährlich noch mehr als 8 Milliarden Normkubikmeter Wasserstoff (equiv. 24GWh) durch Erdgasreformierung bzw. Kohlevergasung hergestellt werden, wobei enorme Mengen an CO2 abgetrennt werden, besteht wohl kein Bedarf an weiterem CCU.