Grüne wollen schwarz-rote Ausbaubremse bei Erneuerbaren lösen

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Im Entwurf von Bündnis 90/Die Grünen nimmt das Thema EEG gerade einmal eine Seite ein. Den Vorwurf, dass für die Partei die Energiepolitik keine zentrale Rolle mehr spiele, weist Julia Verlinden aber entschieden zurück. „Klima- und Energiepolitik ist mehr als nur das EEG. Wir habenkonkrete Antworten für die Bereiche Strom, Wärme und Verkehr“, sagt die energiepolitische Sprecherin der Partei im Interview mit pv magazine. „Vieles davon lässt sich über das Wahlprogramm hinaus in den Anträgen und Positionspapieren der Bundestagsfraktion nachlesen. Entscheidend ist: Wenn wir jetzt keine vernünftige Ökologiepolitik machen, dann haben wir in 10, 20, 30, 40 Jahren ganz andere Sorgen.“ Zudem habe Deutschland das Klimaschutzabkommen von Paris unterzeichnet und komme daher gar nicht um eine Beschleunigung der Energiewende umhin. Die Bundesregierung – bestehend aus CDU, CSU und SPD – die derzeit die Macht habe, mehr für die Energiewende zu tun, verweigere sich aber.

Mit der Bundestagswahl im Herbst könnten die Karten neu gemischt werden und neue politische Konstellationen erscheinen denkbar.  Eine Regierungsbeteiligung der Grünen ist danach durchaus möglich. Verbunden damit besteht zumindest eine kleine Hoffnung, dass sich bei der Energiepolitik in den kommenden Jahren wieder mehr tut. So fordern die Grünen in ihrem Wahlprogramm die schwarz-rote Ausbaubremse bei den Erneuerbaren wieder zu lösen. „Ich glaube, dass es mit beiden großen Parteien nicht einfach wird. Aber wir haben keine Alternative, als den Erneuerbaren-Ausbau zu beschleunigen“, sagt Verlinden.

Sie macht klar, dass die Grünen den Kohleausstieg als eine Grundvoraussetzung für Koalitionsverhandlungen sehen – mit welcher Partei auch immer. Mit der SPD arbeiten die Grünen auf Landesebene energiepolitisch erfolgreich zusammen, doch auf Bundesebene scheint das nicht garantiert. „Die SPD muss sich entscheiden: Will sie tatsächlich den Pfad der Energiewende weitergehen, und zwar ambitioniert und nicht mit irgendwelchen Alibibeschlüssen–? Dann muss sie Ernst machen und auch den Kohleausstieg mit uns gemeinsam umsetzen“, sagt Verlinden. Der Kohleausstieg sei eine wichtige Voraussetzung, um bei der Energiewende voranzukommen. Zudem müssten die „Hürden“, die die Bundesregierung den Erneuerbaren in dieser Legislaturperiode in den Weg gelegt habe, wieder beseitigt werden. Verlinden meint damit etwa die Belastung des Photovoltaik-Eigenverbrauchs mit der anteiligen EEG-Umlage oder auch die generelle Umstellung des Fördersystems auf Ausschreibungen. „Wir müssen ganz, ganz viele Stellschrauben korrigieren, die die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode verbockt hat, weil wir sonst eben nicht die Klimaschutzziele erreichen und auch wirtschaftspolitisch den Anschluss verlieren“, sagt Verlinden mit Blick auf die Zusagen an die EU und das Pariser Klimaschutzabkommen.

Die Forderungen aus der Union, das EEG im Laufe der nächsten Legislaturperiode abzuschaffen, hält die Grünen-Politikerin für verfehlt. „Es braucht einen verlässlichen Rahmen. Allein solche Grundsatzentscheidungen wie der Einspeisevorrang sind essenziell dafür, dass wir mit der Energiewende im Stromsektor vorankommen. Deswegen kann es überhaupt nicht funktionieren, ein Regelwerk wie das EEG, das die Bedingungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland definiert, einfach abzuschaffen“, sagt Verlinden. Das müssten selbst die CDU-Politiker eingestehen, die nun mit dieser Idee Wahlkampf machten. Verlinden vermutet hinter den Angriffen auf das EEG, dass es letztlich darum geht, aus der finanziellen Förderung für den Ausbau der erneuerbaren Energien auszusteigen. Dazu müsste es aber einen angemessenen CO2-Mindestpreis geben, um faire Wettbewerbsbedingungen mit den fossilen Energien zu schaffen. „Wir haben kein Level Playing Field. Es gibt nach wie vor keine Gerechtigkeit bei den Stromgestehungskosten, alleine deswegen, weil der CO2-Preis viel zu niedrig ist“, sagt Verlinden weiter.

Verlinden verweist auch darauf, dass die erneuerbaren Energien immer günstiger geworden sind und werden. Daher kritisieren die Grünen, dass mit der weitgehenden Umstellung der Förderung von Photovoltaik und Windkraft auf Ausschreibungen der Ausbau zu sehr eingeschränkt wird. Ob sich das Rad allerdings zurückdrehen lässt, daran hat auch die Grünen-Politikerin Zweifel. „In erster Linie geht es darum, die Auswirkungen des Systemwechsels abzumildern, der zu sehr vielen Verwerfungen geführt hat“, sagt sie. „Deshalb wollen wir die De-minimis-Regelung voll ausschöpfen. Damit gäbe es für einen großen Teil der Projekte wieder verlässliche Investitionsbedingungen. Das hilft insbesondere den Bürgerenergiegesellschaften.“ Dies gelte für Photovoltaik und Windkraft an Land gleichermaßen.

Zudem müssten die jährlich ausgeschriebenen Mengen deutlich angehoben und nicht realisierte Projekte sofort wieder ausgeschrieben werden. Dies gelte auch und gerade mit Blick auf die Sektorkopplung.  Der Ausbau der erneuerbaren Energien im Stromsektor allein reiche nicht aus. Es gehe auch um die Bereiche Wärme und Verkehr. „Der komplette Umstieg auf hundert Prozent Erneuerbare im Stromsektor bis 2030 ist unser grünes Ziel“, sagt Verlinden. „Aber mit jedem Jahr große Koalition wird es schwieriger, das zu erreichen.“

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