Seit Jahren wird argumentiert, dass Batteriespeicher den Netzausbau reduzieren und daher der Allgemeinheit nützlich seien. Damit entgegnet die Branche den Angriffen, nach denen mit Batteriespeichern erhöhter Eigenverbrauch zu einer Entsolidarisierung führen würde. Prognos zeigt im Auftrag des Batteriespeicher-Herstellers Sonnen (ehemals Sonnenbatterie) jetzt schwarz auf weiß, dass sich Batteriespeicherbesitzer nicht auf Kosten der Allgemeinheit bereichern. Im Gegenteil. Sie ersparen der Allgemeinheit mehr Netzausbau, als sie an Umlagen und Abgaben weniger zahlen.
Die Prognos-Experten beziehen sich auf die Verteilnetzstudie des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) aus dem Jahr 2014, um die Netzausbaukosten und deren Reduktion durch die Batteriespeicher abzuschätzen. Danach müssen bundesweit 210 Millionen Euro pro Jahr für den durch die Photovoltaik nötigen Ausbau der Niederspannungs-Verteilnetze investiert werden. Die Autoren der Verteilnetzstudie nehmen dabei an, dass die installierte Photovoltaik-Leistung bis 2032 auf 58,3 Gigawatt steigen wird. Da der Netzausbau vor allem durch die neue Photovoltaik-Leistung nötig wird, lässt sich dieser durch eine Abregelung der Anlagen begrenzen. Nach der Verteilnetzstudie sinken die Ausbaukosten auf 60 Millionen Euro pro Jahr, wenn die Photovoltaik-Anlagen zu keinem Zeitpunkt mehr als 60 Prozent ihrer Nennleistung einspeisen (60-Prozent-Abregelung).
Um diese Ergebnisse auf eine kleine Hausdach-Photovoltaik-Anlage herunter zu brechen, haben die Prognos-Experten in ihrer aktuellen „Kurzstudie“ mit dem Namen „Auswirkungen von Batteriespeichern auf das Stromsystem in Süddeutschland“ Bayern und Baden-Württemberg betrachtet. Dort werden rund zehn Gigawatt neuer Zubau vorgesehen, sechs Gigawatt davon am Niederspannungsnetz. Da dort schon viele Solaranlagen am Niederspannungsnetz installiert sind, führe dort jede neue Anlage zu einem Netzausbau, sagt Frank Peter, Studienleiter bei Prognos.
Die neuen Photovoltaik-Anlagen im Süden werden vermutlich rund 60 Prozent der gesamten bundesweiten Netzausbaukosten verursachen. Wenn durch den Einsatz von Batteriespeichern eine 60-Prozent-Abregelung möglich wird, ohne dass der Solarstrom ungenutzt verpufft, spart das in der Region also 90 Millionen Euro. Vielleicht sogar mehr, da auch im Mittelspannungsnetz weniger ausgebaut werden muss.
Was das für eine Kleinanlage bedeutet
Unter diesen Voraussetzungen reicht ein einfacher Dreisatz, um die Bilanz für eine einzelne Kleinanlage auszurechnen, die diese für die Allgemeinheit bedeutet. Als Beispiel wählt Prognos eine 7,9-Kilowatt-Anlage, einmal mit Batteriespeicher mit 6 Kilowattstunden nutzbarer Speicherkapazität und einer Lade-/Entladeleistung von 3,5 Kilowatt für 10.000 Euro.
Die Tabelle zeigt die Geldströme für eine 7,9 Kilowatt Photovoltaikanlage ohne und mit Speicher. Mit Speicher erhöht nicht nur der Hausbesitzer seinen Eigenverbrauch. Er tut der Allgemeinheit auch noch etwas Gutes. Quelle: Prognos
Die Gesamtbilanz ergibt sich dann wie folgt: Die 7,9-Kilowattpeak-Anlage ohne Speicher, bei einem Haushalt mit 4.000 Kilowattstunden Stromverbrauch, speist nach einer Abschätzung von Prognos rund 6.800 Kilowattstunden ein. Dadurch erhält der Besitzer im Jahr 821 Euro an Vergütung. Der Besitzer kauft natürlich auch Netzstrom und zahlt dabei 713 Euro an Umlagen und Abgaben (EEG-Umlage, Netzkosten, Beschaffung und Vertrieb, Stromsteuer etc.).
Baut der Besitzer nun einen Batteriespeicher mit sechs Kilowattstunden Kapazität ein, steigt die Eigenverbrauchsquote laut Prognos von 10 auf 25 Prozent. Dadurch sinken die Vergütungszahlungen um 183 Euro. Gleichzeitig kauft der Betreiber weniger Netzstrom und beteiligt sich dadurch mit 259 Euro weniger an der Finanzierung der Umlagen und Abgaben. Wegen dieser 259 Euro kam im Übrigen der Vorwurf der Entsolidarisierung auf. Die Prognos-Analysten rechnen jedoch zwei weitere Posten dagegen. Erstens die Umsatzsteuer, die bei der Lösung mit Speicher 45 Euro höher ausfällt. Zweitens wird durch den Batteriespeicher Netzausbau vermieden, weil die mittäglichen Einspeisespitzen auf 60 Prozent der Photovoltaik-Nennleistung begrenzt werden. Diese Einsparung schätzt Prognos auf 120 Euro pro Jahr.
Bildet man die Differenz, fällt die Bilanz für die Allgemeinheit um 89 Euro pro Jahr günstiger aus, wenn der Hausbesitzer außer der Photovoltaik-Anlage auch noch einen Batteriespeicher einbaut. Von Ensolidarisierung also keine Spur.
Das Ergebnis wurde zwar für Süddeutschland hergeleitet, gilt so aber überall, wo Photovoltaik-Ausbau direkt Netzausbau erfordert. Mittelfristig dürfte das fast überall der Fall sein.
Randbedingungen für das Beispiel
Es gibt allerdings einige Einschränkungen bei diesem Beispiel. Die Eigenverbrauchsquote ist deutlich kleiner, als Batteriespeicher-Hersteller üblicherweise im Marketing behaupten. Mit den Angaben aus dem Beispiel errechnet derKalkulator bei Sonnen beispielsweise eine Autarkiequote von rund 83 Prozent, was einer Eigenverbrauchsquote von 45 statt wie bei Prognos von 25 Prozent entspräche. Nutzt man denAutarkierechner der HTW Berlin erreicht man eine Eigenverbrauchsquote von 39 Prozent, im Vergleich zu 18 Prozent ohne Speicher. Die Differenz zwischen „mit Speicher“ und „ohne Speicher“ ist dann sechs Prozentpunkte größer. Bei größerer Differenz steigt zwar die Amortisation für den Käufer, die von Prognos berechnete Bilanz für die Allgemeinheit fiele aber ungünstiger aus. Den Effekt könnte es auch haben, wenn man die Photovoltaik-Anlage kleiner dimensioniert, da dann in der Rechnung weniger Netzausbaukosten vermieden werden.
Prognos-Studienleiter Frank Peter ist von seinen Zahlen überzeugt. Wie alle Experten sagt auch er, dass Eigenverbrauchsquoten je nach Haushalts-Verbrauchsprofil variieren können (eine Diskussion dazu siehehier). Prognos habe auch andere Beispiele durchgerechnet. Der Bilanz sei für die Allgemeinheit immer positiv.
Eine andere Einschränkung des Beispiels liegt darin, dass der Speicher zwischen zwei Mittagspeaks seine eingespeicherte Energie wieder loswerden muss. Das Prognos-Beispiel ist so gewählt, dass mit 3,5-Kilowatt-Anschlussleistung der Speicher im Sommer mittags vollgeladen wird. Der Haushalt benötigt diese sechs Kilowattstunden jedoch meistens nicht. Damit der Netzausbau wirklich reduziert werden kann, müsste der Speicher die Energie teilweise wieder in das Netz einspeisen, sagt auch Frank Peter. Regulatorisch ist das derzeit schwierig, allerdings werde darüber diskutiert.
Batteriespeicher bei zwei Prämissen sinnvoll, die gegeben sind
Der Ehrlichkeit halber muss man auch noch hinzufügen, dass ein Beispiel ganz ohne Photovoltaik-Anlage noch besser für die Allgemeinheit ausfiele. Es gibt zwei Prämissen dafür, dass die Argumentation von Sonnen und Prognos stimmig ist. Erstens, die Photovoltaik-Anlagen sind nötig, um die Allgemeinheit mit sauberem Strom zu versorgen. Zweitens, dass der Solarstrom während des Mittagspeak erzeugt wird, nicht einfach abgeregelt, sondern genutzt werden sollte.
Beide Prämissen dürften erfüllt sein. Was den nötigen Photovoltaik-Ausbau angeht, ist die Verteilnetzstudie deutlich zu zurückhaltend. Nach Szenarien des Fraunhofer ISE und anderen sind nicht 52 Gigawatt Photovoltaik nötig, sondern150 bis 200 Gigawatt um die Energiewende umzusetzen.
Die derzeitigen Studien zu den Stromnetzen berücksichtigen laut Frank Peter den Fall überhaupt nicht, dass Batteriespeicher Netzausbau verringern. „Es war vor einigen Jahren einhelliger Tenor, dass Batteriespeicher wegen der Kosten keine Rolle spielen“, sagt er. „Wenn ich aber die Kostensenkung der letzten zwölf Monate sehe, die sehr hoch war, können wir alle Studien neu machen“, sagt er. Bei Agora Energiewende und einigen Netzbetreiber gebe es dazu auch bereits Initiativen. „Ich bin der Meinung“, sagt Sonnen-Geschäftsführer Vertrieb und Marketing, Philipp Schröder, „dass die Kosten der Batteriespeicher im Vergleich zum Gesamtsystem marginal werden“. (Michael Fuhs)
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