Rettungsschirm für Röttgen

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Es ist Ende März – der Bundestag entscheidet in zweiter und dritter Lesung über die EEG-Novelle zur Photovoltaik. In einer lebhaften Debatte äußern vor allem Oppositionspolitiker große Kritik an der geänderten Solarförderung. Als erster Redner der SPD tritt Thüringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig ans Rednerpult. Er kritisiert, dass die Regierungsparteien im Alleingang die Rahmenbedingungen für die Photovoltaik in Deutschland geändert haben. Er kündigt an, dass Thüringen sich im Bundesrat für einen Vermittlungsausschuss einsetzen will. Nachbesserungen – gerade aus industriepolitischer Sicht – sind aus Machnigs Perspektive dringend geboten, um den vielen angeschlagenen Herstellern aus Deutschland unter die Arme zu greifen (siehe Artikel Seite 18).Die Abstimmung im Bundestag verläuft aus Sicht der Regierung trotzdem planmäßig. 305 Abgeordnete votieren für die EEG-Novelle und 235 dagegen. Die Reihen in der Union und FDP sind relativ geschlossen. Aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion stimmen nur drei Abgeordnete mit Nein, darunter Josef Göppel aus Bayern. „Die aktuelle Novellierung des EEG besteht aus Einschnitten und Kürzungen, die nicht mit einer konzeptionellen Weiterentwicklung der solaren Stromerzeugung verbunden sind“, begründet er sein Nein. Außerdem fehlten Anreize für Speicher und der Systemfehler bei der Strompreisfindung sei nicht beseitigt. „Die kleinteilige Stromerzeugung wird von Teilen der Koalition als Systemgefahr betrachtet, der Eigenverbrauch als ‚Schädigung der Solidargemeinschaft‘. Diese Haltung konserviert technologisch überlebte Strukturen“, erklärt Göppel. Allerdings steht er mit seinen Ansichten weitgehend allein innerhalb der Koalition.

Ein weiteres pikantes Detail: Die Mitglieder des CDU-Wirtschaftsflügels, allen voran Joachim Pfeiffer, Michael Fuchs und Thomas Bareiß, bleiben der Abstimmung gleich ganz fern. Sie kämpfen seit Jahren für einen festen Deckel für die Photovoltaik. Doch auch ihre Meinung ist innerhalb der Fraktionen anscheinend nicht mehrheitsfähig. SPD, Grüne und die Linke stimmen geschlossen gegen die Novelle. Verhindern können sie sie damit aber nicht.

Die letzte Hoffnung für Veränderungen heißt nun Bundesrat. Die Länderkammer ist bei der EEG-Novelle nicht zustimmungspflichtig, dennoch wird sie am 11. Mai noch einmal über das Gesetz beraten. Der Bundesrat könnte mit der Anrufung eines Vermittlungsausschusses das Inkrafttreten des Gesetzes weiter verzögern. Dies ist besonders brisant, da die Änderungen bei der Einspeisevergütung (siehe Tabelle Seite 16) bereits seit 1. April wirksam sind. Während sich im Vorfeld der Bundestagsentscheidung viele Vertreter aus den Ländern massivgegen die geplanten Einschnitte aussprechen, darunter auch Bayern und die CDU-geführten Länder Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, wendet sich Ende März plötzlich das Blatt.

Die Regierungsfraktionen sind im Vorfeld der Abstimmung im Bundestag auf die Länder zugegangen. Etwa mit den Nachbesserungen bei den großen Anlagen ab einem Megawatt, die nun nicht mehr unter das neue Marktintegrationsmodell fallen, ist Bayern auf Kurs gebracht. Auf die Ministerpräsidenten aus Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen wird wahrscheinlich parteiintern Druck ausgeübt. Schließlich kämpft Umweltminister Röttgen nun in Nordrhein-Westfalen um den Posten des Ministerpräsidenten. Die Wahl ist nur zwei Tage nach der Beratung im Bundesrat. Es sei hoch problematisch, dem für die erneuerbaren Energien zuständigen Röttgen in dieser entscheidenden Wahlkampfphase eine Niederlage beizubringen, heißt es in der Partei. Die CDU-geführten Länder sollten daher geschlossen für die Novelle stimmen.

Die Anrufung eines Vermittlungsausschusses stünde damit auf der Kippe. SPD und Grüne haben nicht genug Stimmen für eine Mehrheit im Bundesrat. Sie verfügen nur über 33 Stimmen, während die unionsgeführten Bundesländer auf 36 Stimmen kommen. Eine Umfrage bei den zuständigen Ministerien in den Ländern zeigt, dass es keine breite Mehrheit für einen Vermittlungsausschuss gibt. So haben sich etwa die Stadtstaaten Berlin und Hamburg, die von SPD-Politikern geführt werden, noch nicht für einen Vermittlungsausschuss ausgesprochen.

Explizit dafür sind demnach nur die Vertreter aus Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen. Sie sehen einen großen Änderungsbedarf an der EEG-Novelle, vor allem bei der Höhe der geplanten Absenkung der Einspeisetarife mit den kurzen Übergangsfristen. In Sachsen-Anhalt erklärt das zuständige Wirtschaftsministerium eher widersprüchlich, dass die EEG-Novelle unterstützt werde, die Übergangsfristen jedoch zu kurz seien. Ein eindeutiges Ja für die Anrufung des Vermittlungsausschusses gibt es nicht, allerdings ist das Land auch nicht dagegen. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff betonte zuletzt mehrfach, er mache seine Entscheidung davon abhängig, ob die Bundesregierung noch ein Angebot für weitere Nachbesserungen vorlege.

Knappe Entscheidung erwartet

Die Frage nach dem Rettungsschirm für Röttgen, also ob der Verzicht auf die Anrufung eines Vermittlungsausschusses und damit auf mögliche Nachbesserungen mit Rücksicht auf den derzeitigen Umweltminister geschehe, will kein Landespolitiker beantworten. Doch bereits bei einer ersten Diskussion im Bundesrat über die EEG-Novelle am 30. März scheiterte ein Entschließungsantrag aus Baden-Württemberg mit denkbar knapper Mehrheit, der sich für eineumgehende Überarbeitung der Kürzungspläne aussprach. Nun werden die Ländervertreter in den zuständigen Ausschüssen in der letzten Aprilwoche und damit nach dem Redaktionsschluss über die EEG-Novelle beraten. Der Umweltausschuss des Bundesrates wird dann eine Empfehlung für oder gegen die Anrufung eines Vermittlungsausschusses abgeben. Mehrere Länder machen auch davon ihre endgültige Entscheidung am 11. Mai abhängig.

Thüringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig steht indes weiter zu seinem Wort. Im Thüringer Kabinett gibt es dazu eine feste Vereinbarung, wie sein Ministerium bestätigt. „Es muss Schluss sein mit der Dauerreformitis beim EEG, die den Unternehmen aus der Solarbranche schadet“, sagt Machnig. Seine Forderungen lauten: eine weniger starke Absenkungen und die Aufhebung des neuen Marktintegrationsmodells für Anlagen bis ein Megawatt.

Machnig für Local-Content-Klausel

Sein Hauptargument ist jedoch, dass die Bundesregierung endlich eine sinnvolle Industriepolitik machen muss. Machnig setzte sich bereits bei seiner Bundestagsrede vehement für die Schaffung einer Local-Content-Klausel im EEG ein, die die heimischen Unternehmen gegen die schier übermächtige Konkurrenz aus Fernost schützen soll. Ein Vorschlag, den Röttgen bereits im Bundestag umgehend abschmetterte. Dies sei weit entfernt von ökonomischer Vernunft und Realität angesichts der weltweiten Überkapazitäten, sagt der Minister.Selbst wenn sich die Vertreter des Bundesrates am 11. Mai nun für die Anrufung eines Vermittlungsausschusses aussprechen, ist fraglich, ob sie noch substanzielle Änderungen im EEG durchsetzen können. Die Regierungskoalitionen von CDU, CSU und FDP können diese im Bundestag mit ihrer Stimmenmehrheit wieder aufhalten. Damit wäre das Ende März verabschiedete EEG dann endgültig in Kraft.

BundeslandStimmenRegierungsparteienVermittlungsausschuss
Baden-Württemberg6B90/DIE GRÜNEN, SPDja
Bayern6CSU, FDPnein
Berlin4SPD, CDUoffen
Brandenburg4SPD, DIE LINKE.ja
Bremen3SPD, B90/DIE GRÜNENja
Hamburg3SPDoffen
Hessen5CDU, FDPkeine Rückmeldung
Mecklenburg-Vorpommern3SPD, CDUoffen
Niedersachsen6CDU, FDPkeine Rückmeldung
Nordrhein-Westfalen6SPD, B90/DIE GRÜNEN*ja
Rheinland-Pfalz4SPD, B90/DIE GRÜNENkeine Rückmeldung
Saarland3CDU**offen
Sachsen4CDU/FDPnein
Sachsen-Anhalt4CDU, SPDja
Schleswig-Holstein4CDU, FDP***nein
Thüringen4CDU, SPDja
* Neuwahlen am 13. Mai; ** Regierungsbildung läuft, voraussichtlich CDU/SPD; *** Neuwahlen am 6. Mai (Stand Mitte April)
Mögliche Entwicklung der Vergütung (in Cent/kWh)
Anlagengröße altes Modell (kW)<1010 – 3030 – 100100 – 1.000>1.000Dach>1.000 Konversionsflächen>1.000sonstige Freifläche
01.03.1224,4324,4323,2321,9818,3318,7617,94
Anlagengröße neues Modell (kW)<1010 – 1.0001.000 – 10.000
Hochgerechneter Zubau 2012 (GW)2,5 – 3,55,5 – 6,56,5 – 7,5>7,52,5 – 3,55,5 – 6,56,5 – 7,5>7,52,5 – 3,55,5 – 6,56,5 – 7,5>7,5
01.04.1219,5016,5013,50
01.05.1219,3116,3413,37
01.06.1219,1116,1713,23
01.07.1218,9216,0113,10
01.08.1218,7315,8512,97
01.09.1218,5415,6912,84
01.10.1218,3615,5312,71
01.11.1218,1817,9517,9017,8415,3815,1915,1515,1012,5812,4312,3912,35
01.12.1217,9917,5617,4517,3515,2314,8614,7714,6812,4612,1612,0812,01
01.01.1317,8117,1717,0216,8615,0714,5314,4014,2712,3311,8911,7811,67
01.02.1317,6416,8016,5916,3914,9214,2114,0413,8712,2111,6311,4911,35
01.03.1317,4616,4316,1815,9314,7713,9013,6913,4812,0911,3711,2011,03
Vergütungssenkung 1.3.2013 zu 1.3.2012 prozentual
<10 kW-29%-33%-34%-35%
10 kW – 30 kW-40%-43%-44%-45%
30 kW – 100 kW-36%-40%-41%-42%
100 kW – 1.000 kW-33%-37%-38%-39%
Freifläche1 MW – 10 MW-33%-37%-38%-39%
Freifläche > 10 MW-100%-100%-100%-100%

Einige Szenarien, wie sich die Vergütung entwickeln kann: Da die Vergütung monatlich sinkt und ab November 2012 vom vorhergehenden Zubau abhängt, ist die genaue Entwicklung nicht zu prognostizieren. Für die Absenkung November, Dezember, Januar 2013 zählt der Zubau der Monate Juni bis September 2012 multipliziert mit vier. In den Monaten Februar, März, April 2013 zählt der Zubau des zweiten Halbjahrs 2012 multipliziert mit zwei. Danach wird jeweils monatlich der Zubau der davorliegenden drei Monate multipliziert mit dem Faktor vier als Grundlage genommen. Es ist zu berücksichtigen, dass künftig nur noch 80 Prozent bei Anlagen bis zehn Kilowatt und 90 Prozent bis ein Megawatt Leistung des eingespeisten Solarstroms vergütet werden.

Die Tabelle muss man so lesen, dass bei einem kontinuierlichen Zubau von beispielsweise sechs Gigawatt im Jahr, also durchschnittlich einem halben Gigawatt pro Monat, die Vergütung sich entsprechend den Spalten Zubau 5,5 bis 6,5 Gigawatt entwickelt. Da der Zubau aber auch von Monat zu Monat stark schwanken kann, kann die Absenkung von November bis Januar anders als von Februar 2013 bis April 2013 ausfallen. Sollte durch die Absenkung der Zubau unter den Zielkorridor sinken, würde die Vergütung übrigens wieder steigen. Der Gesetzentwurf sieht jedoch einen jährlich sinkenden Zubaukorridor vor.

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