Bislang bildet Deutschland mit Luxemburg eine sogenannte Gebotszone im Strommarkt. In der Zone gelten dieselben Strompreise, während die Netzentgelte von Region zu Region variieren können. Dies könnte sich in Zukunft ändern, auch wenn die voraussichtlich nächste Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag bekundet hat, am Status quo festhalten zu wollen. Denn am Montag veröffentlichten die europäischen Übertragungsnetzbetreiber durch das Netzwerk Entso-E den erwarteten Bericht zu Gebotszonen, den „Bidding Zone Review“.
Darin hat Entso-E verschiedene Szenarien durchgerechnet und kommt zu dem Schluss: Die bestehende deutsch-luxemburgische Gebotszone in fünf aufzusplitten, hätte den größten sozio-ökonomischen Vorteil. In seiner Simulation kommt der europäische Übertragungsnetzbetreiber auf 339 Millionen Euro an Kostenvorteil. Die Aufteilung in zwei deutsche Strompreiszonen in Deutschland und auch in den Niederlanden brächte 332 Millionen Euro. Ein Szenario mit vier Gebotszonen in Deutschland brächte immer noch einen wirtschaftlichen Vorteil von 312 Millionen Euro.
Danach folgen die Szenarien vier Gebotszonen in Deutschland und zwei in den Niederlanden, sowie je zwei Zonen in Deutschland und den Niederlanden, zwei oder drei in Deutschland – hier sieht Entso-E die wirtschaftlichen Kostenersparnisse zwischen 268 und 251 Millionen Euro.
Eine Gebotszone stellt ein geografisches Gebiet dar, in dem Strom ohne physische Netzbeschränkungen gekauft und verkauft werden kann. Ziel der Überprüfung durch Entso-E sei es, optimale Gebotszonenkonfigurationen in Europa festzulegen, um die wirtschaftliche Effizienz und die zonenübergreifenden Handelsmöglichkeiten zu maximieren und gleichzeitig die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Insgesamt seien 14 alternative Konfigurationen für Europa auf Basis von 22 Kriterien bewertet worden. Diese Kriterien wiederum sind in vier Kategorien unterteilt: Netzsicherheit, Markteffizienz, Stabilität und Robustheit der Gebotszone sowie Energiewende.
Für die nordische Region hingegen zeigten die untersuchten Neuaufteilungen der Stromgebotszonen keinen wirtschaftlichen Vorteil zum Status quo. Im Fall der Region Mitteleuropa betont Entso-E, dass „dieses Ergebnis aus der von ACER definierten BZR-Methodik stammt und wichtige zusätzliche Aspekte nicht berücksichtigt und daher nicht isoliert betrachtet werden sollte, sondern in Kombination mit bestimmten Überlegungen, die vor der eventuellen Entscheidung des/der von einer Aufteilung betroffenen Mitgliedstaats/Mitgliedstaaten über die künftige Gebotszonen-Konfiguration gründlich geprüft werden sollten“.
Widerstand in Deutschland gegen Aufsplittung der Gebotszone
Direkten Widerspruch gegen den Vorschlag gab es vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). „Der Bidding Zone-Review zeigt klar, dass die Idee einer Aufteilung der deutschen Strompreiszone ökonomisch nicht überzeugen kann und kurzfristig nur sehr geringe Einsparungen zu erwarten wären. Demgegenüber würde eine Aufteilung des deutschen Strommarktes in mehrere Preiszonen zu massiven Unsicherheiten für die Industrie führen und zudem das Investitionsklima für erneuerbare Energien erheblich eintrüben – ohne dass den erheblichen Risiken und signifikanten Kosten nennenswerte ökonomische Vorteile gegenüberstünden“, erklärte die Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae. Aus Sicht des BDEW ist die Aufteilung „weder sinnvoll noch verhältnismäßig“. Er forderte die Bundesregierung daher nachdrücklich zum Erhalt der bestehenden Gebotszone auf.
Die Befürchtung ist, dass mit einer Aufsplittung gerade die industriestarken Gebiete in Deutschland zu Hochpreiszonen für Elektrizität werden. In der Folge würden die Unternehmen noch mehr unter den ohnehin hohen Stromkosten leiden und im internationalen Wettbewerb zusätzlich benachteiligt und geschwächt. „Gleichzeitig würde der durch eine Teilung niedrigere Strompreis in Norddeutschland die Erlöse für erneuerbare Energien reduzieren und damit die Anreize für Investitionen in erneuerbare Energien“, sagte Andreae weiter. Der weitere Ausbau sei damit stärker von staatlicher Förderung abhängig und das EEG-Konto und damit der Bundeshaushalt würden zusätzlich belastet.
Beim BDEW geht man davon aus, dass eine Umsetzung der Aufteilung in mehrere Gebotszonen Jahre dauern würde. In dieser Zeit herrsche dann enorme Planungsunsicherheit für alle Beteiligten. Damit könnten notwendige Investitionsentscheidungen verschoben oder sogar ganz gestrichen werden. Der BDEW verwies auch darauf, dass durch den Netzausbau aktuelle Engpässe im Stromnetz reduziert würden. Zudem sinke damit der Bedarf an Redispatchmaßnahmen in den nächsten Jahren, was auch die Bundesnetzagentur am Montag in ihrer Prognose bestätigte. „Dadurch werden die scheinbaren Effizienzgewinne durch eine Aufteilung des Strommarktes weiter abnehmen. Der politische Fokus sollte sich statt auf eine Aufteilung des Strommarktes vielmehr auf den beschleunigten Ausbau und die Digitalisierung der Netze richten“, so Andreae.
Ähnlich äußerte sich auch der Verband der Chemischen Industrie (VCI). Auch er lehnt die Aufteilung kategorisch ab. Für den Verband sei aber klar, dass im deutschen Stromsystem dringender Reformbedarf bestehe, auch beim Thema Netzengpässe, auf die sich der Bericht der europäischen Netzbetreiber konzentriert. „Die neue Bundesregierung muss schnell einen Plan vorlegen, wie Netzengpässe zügig abgebaut und damit die einheitliche Gebotszone erhalten werden kann“, sagte Matthias Blitz, Leiter des Bereichs Nachhaltigkeit, Energie und Klimaschutz beim VCI. Notwendig dafür seien ein beschleunigter Netzausbau, der systemdienlichere Zubau erneuerbarer Energiequellen und ihre bessere Steuerbarkeit, der Speicherausbau sowie der Erhalt von Back-up-Kraftwerkskapazitäten.
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„Aufteilung Deutschlands in mehrere Stromgebotszonen“ in Verbindung mit flächendeckenden SmartMeter Rollout läßt das „sogenannte Faule Ei“ von unserem „Mit PV seinen Rasesprengen“ ganz automatisch in Luft auflösen.
Richtig ist, dass eine Aufteilung in 5 Preiszonen erstmal die Fehlentwicklungen im deutschen Stromnetz aus den letzten 20 Jahren in den Strompreisen abbilden würde. Die ach so erfolgreiche Wirtschafts- und Energiepolitik von Söder und zuvor Seehofer ließe sich dann an den neuen Strompreisen in Bayern ablesen. Deswegen laufen vor allem Bayern und BW Sturm gegen die Aufteilung.
Aufteilung ist der Ansatz „Ende mit Schrecken“. Alle, die den Status Quo erhalten wollen, sind im Prinzip für den Ansatz „Schrecken ohne Ende“.
Was jedenfalls überhaupt nicht geht, ist der Ansatz, deutschlandweit einheitliche Strompreise mit regionalisierten Netzentgelten zu kombinieren. Das kombiniert das Schlechteste aus beiden Ansätzen. Entweder beides deutschlandweit einheitlich oder beides regionalisiert.
Die Studie weist ja selber (Kapitel 6.6.2 ) auf das Zeitprobleme hin: Implementierung 2030. Bis dahin sollten aber 2 Dinge eingetreten sein: 1. Die neue Regierung entwickelt realistische, kostenoptimale Ausbaupläne für Strom (die Pläne der Ampel waren wohl eher top down vom Klimaziel 2045 runter gerechnet). 2. Die Stromautobahnen sind im Betrieb.
Dann erscheinen die BZ entbehrlich.
Und die Transition Costs von ca. 1,5 Mia sollten man besser in den Ausbau der EE stecken.
„Die Studie weist ja selber (Kapitel 6.6.2 ) auf das Zeitprobleme hin: Implementierung 2030.“
Es gab mal eine -> Klimaunion ( Juni 2021) 🤔
« 1. Die neue Regierung entwickelt realistische, kostenoptimale Ausbaupläne für Strom (die Pläne der Ampel waren wohl eher top down vom Klimaziel 2045 runter gerechnet).»
Mit den (heute) in bestimmten Medien beschriebenen «Experten» 🤔
«2. Die Stromautobahnen sind im Betrieb.
Dann erscheinen die BZ entbehrlich.»
Stromautobahn… was ist das? 🤔
in diesem Zusammenhang sollte man gleich über Entbehrlichkeiten ( bei bestimmten Personen )reden.
«Und die Transition Costs von ca. 1,5 Mia sollten man besser in den Ausbau der EE stecken.»
Naja, zumindest hat da jetzt die neue, oder zukünftige Regierung freie Bahn.
So, ich habe das jetzt mal als Außenstehender auseinander genommen.
3 x 🤔 …
Die AfD bekommt damit immer mehr Rückenwind 🥵
Med vennlig hilsen fra Norge
Die Industrie im Süden zahlt mehr und die Erzeuger im Norden verdienen weniger. Passt doch, dann entstehen neue Windparks vielleicht mal dort, wo Strom gebraucht wird, und nicht da, wo es keine Abnehmer gibt. Aber natürlich kann man so weitermachen wie bisher und noch einen 2. Und 3. Südlink bauen.
Ein „Kostenvorteil von bis zu 339 Millionen Euro“ oder 4 Euro pro Nase ist nichts zum unbezahlbaren Vorteil den Transparenz und klare Verhältnisse bringen im Vergleich zum derzeitigen Kuddelmuddel mit quasi staatlich verordnetem Einheitsbörsenpreis zur Vortäuschung eines geeinten Landes der dann mit regionalen Netzentgelten sehr ungleich finanziert wird und mit Redispatch-Fossilerzeugung auch noch dreckig ist.
Österreich ist um 2018 ja auch aus dem DE-LU-Verbund ausgeschieden, warum nicht Bayern, warum nicht Schleswig-Holstein nördlich der Elbe wo es anscheinend an Querungen für Windstrom von Land, See, Skandinavien mangelt? BaWü hat mit TransnetBW sogar seinen eigenen Übertragungsnetzbetreiber, Amprion hat zwei Regionen, 50Hertz ist ebenso kompakt wie TransnetBW. Nur das lange Elend Tennet von Nordsee bis Alpen müsste sich intern aufteilen. Sollen die vier ÜNB doch ab Juni eigene Börsenpreise in mind. 6 Zonen aushandeln lassen.
339 Millionen sind doch gar nicht so viel oder? Oder doch? Nein?
Liebe Redaktion, solche Zahlen sollten – dringend – in Relation gesetzt werden. Ach, und gibt es diese Ersparnis dann Jährlich oder einmalig?
Wie viel Prozent des aktuellen Stromumsatzes macht das denn aus? Meiner Hochrechnung nach macht das nicht mal 1 % vom Gesamtumsatz aus.
Lieber Herr Schaible,
danke für den Hinweis. Die 339 Millionen Euro beziehen sich auf die Kosten für 2025. Nach meiner Auffassung würde sich das also in den kommenden Jahren fortschreiben…
Beste Grüße,
Sandra Enkhardt
339 Mio €…
Schälerpfennig 🤣
In den norwegischen Medien redet man von 339 Milliarden €.
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