Strommarktreform im Fokus der Eröffnung des Forums „Solar Plus“

Eröffnung Forum Solar Plus 2023

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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) schaffte es dann doch nicht persönlich auf das erste „Forum Solar Plus“ in Berlin. Die Veranstaltung ist nicht neu, aber firmiert erstmals unter diesem Namen, vielen wird es noch als „Forum Solarpraxis“ oder „Forum Neue Energiewelt“ bekannt sein. Er schickte seinen Staatssekretär Stefan Wenzel. Er diskutierte mit BEE-Präsidentin Simone Peter, BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae, SMA-Vorstandschef Jürgen Reinert und 1Komma5°-CMO Sophia Rödger zu dem Thema: „(K)ein Strommarkt zum Gruseln: Wie wir Geisterstrom verhindern und mehr Erneuerbare nutzen können“.

Über allem schwebt dabei natürlich die aktuell diskutierte Strommarktreform in der EU. Brüssel wird die Rahmenbedingungen setzen, in denen sich dann die deutsche Ausgestaltung bewegen wird. Ein Thema am Rande dabei, wird Deutschland in zwei Stromgebotszonen aufgeteilt. Viel zentraler ist die Herausforderung, auch mit wachsenden Erneuerbaren die Versorgungssicherheit auf einem hohen Niveau zu halten. Dabei sollte die Prämisse „nutzen statt abregeln“ im Zentrum, wie Wenzel betonte. Für die kurzfristige Nutzung der Spitzen seien eigene Auktionen am Vortrag geplant, um möglichst keine Erneuerbaren-Anlagen abregeln zu müssen. Zugleich sei es wichtig, ein Framework zu setzen, dass verlässliche private Investitionen mit einem Zeitfenster von 15 Jahren ermöglicht, so Wenzel in der Diskussion am Dienstag.

Auch für Andreae ist dieses ein wichtiges Thema. Sie sagte allerdings mit Blick auf Backup-Kapazitäten, die Deutschland mit immer mehr Photovoltaik und Windkraft braucht, dass die heutigen Preissignale noch nicht zu Investitionssignalen für Erneuerbare führen. Sie plädierte für wasserstofffähige Gaskraftwerke als mögliche flexible Kraftwerke. „Der Um- und Aufbau der Backup-Kraftwerke muss jetzt beginnen, auch wenn sie sich noch nicht lohnen“, sagte Andreae weiter. Sie betonte, dass sie froh sei, dass sich die Bundesregierung für den Aufbau eines Wasserstoffnetzes in dieser Größe entschieden habe.

Zentral sei die Versorgungssicherheit. Dies sei ein hohes Gut für Verbraucher und Industrie, was Deutschland nicht aufs Spiel setzen sollte. „Wir spielen dann auch mit der Akzeptanz der Erneuerbaren“, warnte sie. Mit Blick auf die Kosten sagte Andreae weiter: „Ja, Sonne und Wind schicken keine Rechnung, aber wir müssen uns ehrlich machen. Natürlich kosten sie selbst nichts, aber die ganze Energieinfrastruktur, Cybersecurity und alles drumherum kostet. Wir brauchen viel Geld, um Speicher und Netze aufzubauen“, nannte sie als Beispiele. BEE-Präsidentin Simone Peter erwiderte direkt darauf: „Wir müssen genau schauen, was auf die Verbraucher abgewälzt wird, aber es steht außer Frage, dass ein erneuerbares Energiesystem günstiger ist als das bestehende mit fossilen.“ Peter plädierte dafür, die heimischen Flexibilitätsoptionen stärker zu nutzen.

Allgemeine Ablehnung in der Runde fanden die von der EU geforderten Differenzverträge (CfD) für erneuerbare Energien. Sie könnten auf absehbare Zeit die privaten Stromabnahmeverträge (PPA) ersetzen. Doch auf dem Podium herrschte Zuversicht, dass wohl auch künftig beide Modelle nebeneinander möglich sein werden.

Ein anderes Thema zur Eröffnung war immer wieder auch den Wiederaufbau und Erhalt der Photovoltaik-Produktion in Deutschland und Europa. In diesen Tagen wird die EU-Kommission  genauer ausführen, wie die Vorgabe 40 Prozent europäischer Komponenten in neu installierten Photovoltaik-Anlagen, Windrädern oder Batterien aus dem „Net Zero Industry Act“ (NZIA) konkret umgesetzt werden soll.

In Deutschland wird dabei viel über Resilienzboni und -ausschreibungen diskutiert. Peter erinnerte Wenzel auch nochmal daran, dass diese mit dem „Solarpaket 1“ kommen könnten. Wenzel sieht durchaus die Chance einer Wiederbelebung der Solarindustrie, wo Deutschland vor etwa zehn Jahren noch führend war. Man hat aber gesehen, wie schnell es gehen kann, dass man alles verspielt.

Das Thema Industriepolitik ist natürlich auch für Reinert fundamental. Er hat mit SMA die Talsohle mit durchgemacht. Der Hersteller von Photovoltaik-Wechselrichtern musste fast die Hälfte seiner Belegschaft in Deutschland entlassen. „Jetzt bauen wir wieder aus, und das auch komplett ohne staatliche Förderung“, so Reinert stolz. Und auch 1Komma5° hat angekündigt, eine Gigawatt-Modulfertigung in Deutschland ab dem nächsten Jahr aufzubauen. Wahrscheinlich wird sie in Brandenburg entstehen. Das Hamburger Start-up will dafür vor allem auf in Europa produzierte Rohstoffe setzen. Dies sei dann der letzte, noch fehlende Schritt, „CO2-Neutralität zu gewährleisten“, so Rödger. Sie ersetzte kurzfristig ihren Chef Philipp Schröder, der genau in dieser Mission, gerade in Richtung Australien auf dem Weg sei.

Zur Eröffnung gab es noch viele weitere Themen, die zeigen, wie alles mit allem zusammenhängt. Konsens herrschte zur Aussage von Wenzel: „Die Hälfte des Erfolgs ist die Kommunikation, aber auch die Regulatorik muss passen, auch im europäischen Kontext.“ Dabei schwebt nun natürlich über vielen Dingen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus der vergangenen Woche. Die Karlsruher Richter haben die Umwidmung von 60 Milliarden Euro für den Energie- und Transformationsfonds gekappt. Viele Begehrlichkeiten, wie auch etwa der Industriestrompreis, auf den sich die Koalitionsspitzen erst kürzlich geeinigt haben, der aber noch durch den Bundestag muss, steht damit wieder auf der Kippe. Jetzt gilt es für die Bundesregierung klar zu kommunizieren, wie das Loch im Haushalt gestopft wird und welche Rahmenbedingungen im Sinne einer Energiewende nun wirklich kommen.

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