Drei bis vier Monate Zeitfenster für Entscheidung zu deutscher Photovoltaik-Produktion

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Die Diskussion um Photovoltaik-Herstellung in Europa gibt es, seit 2011 chinesische Produzenten den Markt zunehmend übernommen haben. Im Bereich der Zellen und Vorprodukte beherrschen sie ihn inzwischen nahezu vollständig, bei Module weitgehend. Doch die Podiumsdiskussion, die pv magazine im Rahmen des Webinarprogramms organisiert hat, zeigt, dass diese Diskussion doch deutlich konkreter geworden ist und die Chancen so gut sind wie nie seit dem Niedergang, die Solarindustrie wiederaufzubauen.

Das zeigt nicht zuletzt, dass es seit drei Monaten das neue Referat im Bundeswirtschaftsministerium „Solar- Wind und Transformationsindustrien“ gibt. Es ist in der Unterabteilung Dekarbonisierung der Industrie beheimatet. „Es ist ein neues Referat, was die Industrien unterstützt, die der Industrie bei der Dekarbonisierung helfen können“, sagt der zuständige Referatsleiter Friedrich Gröteke. Es geht um die „Enabler“.

Podiumsdiskussion zum Nachsehen

Hier können Sie die Podiumsdiskussion „Nachhaltige Solarzellen aus Deutschland – Podiumsdiskussion mit dem BMWK und Branchenvertretern“ unter anderem mit Friedrich Gröteke, Leiter des neuen Referats IVE5 – Wind-, Solar- und Transformationsindustrien im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, nachsehen

Die Politik vermittelt, dass sie nun wirklich dazu beitragen will, die Solarindustrie wieder aufzubauen. Sowohl auf EU-Ebene mit dem „Net Zero Industry Act“, der als Entwurf existiert, dem „Temporary Crisis and Transition Framework“, das Beihilferegeln lockert, als auch in Berlin. „Wir müssen Partner sein der Industrie und die Rahmenbedingungen so setzen, dass es gelingt, die Industrie wieder aufzubauen“, sagt Gröteke. „Dazu gibt es elf Handlungsfelder. Viele seien bereits angegangen worden. „Wir haben uns drei neue herausgepickt, die wir spezifisch adressieren wollen.“ Das sind Investitionsförderung, Förderung von Forschung und Entwicklung und Absicherungsinstrumente. „Für die Solarindustrie schauen wir auch, ob wir Hybrid-Kapitalinstrumente anwenden können“, sagt er. Dies könnten aussehen wir etwa im Wirtschaftsstabilisierungfonds nach der Corona-Krise.

Einmalige Gelegenheit auf dem Terawatt-Weltmarkt

Außer den politischen Rahmenbedingungen haben sich auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verändert. Heute ist der Weltmarkt 300 Gigawatt groß, im März waren ein Terawatt Photovoltaik-Leistung global installiert, Ende des Jahrzehntes wird die Jahresproduktion an Photovoltaik-Modulen ein Terawatt betragen“, sagt Eicke Weber, Vize-Chair des European Solar Manufacturing Council ESMC. „Der Markt beginnt in dieser Dekade unglaublich aufzuwachsen.“ Vor diesem Hintergrund hält es der ehemalige Direktor des Fraunhofer ISE für völlig unverantwortlich, das sich Deutschland bei Solarzellen so derart abhängig macht.

Er zeigt auch kein Verständnis dafür, falls von den zwei Milliarden Euro, die die EU als „Recovery und Resilience facility“ für Deutschland bereithält, zunächst an andere Energieformen gedacht wird. „Sind wir uns nicht einig, die zwei Säulen der Energieversorgung werden Solarenergie und Windkraft sein, dort ist die Importabhängigkeit besonders schlimm“, fragt er. Die Bundesregierung muss die Tage mit dem „Revised national Recovery and Resilience Plan“ nach Brüssel melden, wie das Geld verwendet werden soll. Friedrich Gröteke weist darauf hin, dass es „Mittelknappheiten“ gebe, er das nicht allein entscheide und auch Wärme und Effizienz „eine Rolle spielen können“.

Derweil erhöht der Inflation Reduction Act (IRA) in den USA den Druck. Mit zwischen 13 und 19 Cent pro Wattpeak können Hersteller von Wafern, Ingots, Zellen und Modulen dort für zehn Jahre an Subventionen rechnen. Das macht zwischen 600 Millionen und einer Milliarden Euro für eine Fünf-Gigawatt-Zell-und Modul-Produktion aus. Das ist eine oft genannte Fabrikgröße, wie sie auf dem Panel zum Beispiel Jochen Wermuth nennt. Der Climate Impact Investor eruiert mit Solar Foundry derzeit konkret drei Standorte für eine Fabrik, zwei in den USA, einer in Deutschland, mit etwas über eine Milliarden Euro Investitionsvolumen. „Als Investor wäre ich schon weg, als Europäer bin ich noch da“, sagt er. Dabei sei eine Produktion ab einem Gigawatt auch in Deutschland global wettbewerbsfähig. „Wenn nicht der Inflation Reduction Act wäre, könnte man loslegen“, sagt er.

Das neue „Temporary Crisis and Transition Framework“ (TCTF) der EU enthält zwar eine so genannte Matching Clause. Diese wird oft so verstanden, dass man in der EU das gleiche an Subventionen geben darf, wie man sie als Investor woanders erhält. „Doch das ist mitnichten eine Matching Clause“, sagt Christoph Podewils, Leiter Politik beim Zell- und Modulproduzenten Meyer Burger. Die EU legt nämlich fest, dass man maximal die Höhe des Investitionsvolumens erhalten darf. Unter dem Inflation Reduction Act bekommt man viel mehr. Unter vergleichbaren Bedingungen könnte Meyer Burger nicht wie anvisiert 2026 auf sieben Gigawatt Jahresproduktion erhöhen, sondern auf 15 Gigawatt in 2027.

Außerdem ist der Inflation Reduction Act deutlich einfacher aufgesetzt als die projektbezogene Förderung in Deutschland. „Hier muss man einen Antrag stellen und nach so und so vielen Monaten hört man, es ist bewilligt“, sagt Eicke Weber. „In den USA ist es ein allgemeingültiges Programm, jeder der in den USA Solarzellen herstellt, bekommt das.“

Grundsätzlich ist es schwer, hierzulande Risikokapital zu finden. Die ersten 250 Millionen Euro Eigenkapital seien der schwierigste Schritt. Das lasse sich auch nicht einfach mit Krediten ausgleichen, da ein Kredit eben anders geprüft werde, so Jochen Wermuth. Er sieht einige mögliche Lösungen. So habe die Europäische Investitionsbank EIB an den Batteriezellen-Produzenten Northvolt einen Kredit in Höhe von 50 Millionen Euro gegeben, „auf Basis einer Power Point Präsentation“. Das habe sie das eine Mal so gemacht, sei aber nach derzeitigen Regelungen nicht verallgemeinerbar. Eine andere Lösung sei, dass der Staat das Eigenkapital matcht. Zum Beispiel zu den ersten 125 Millionen Euro die gleiche Summe hinzugebe. Dann seien alle Gesellschafter, aber es werde vereinbart, dass die privaten Investoren das Geld zuerst zurückerhalten. Klingt nach Wunschkonzert, ist aber gar nicht so unüblich, wenn man einen großen Rückstand, wie er nun in dieser Industrie besteht, aufholen will. Mit einem ähnlichen Modell sei etwa Israel zur Technologie-Nation aufgestiegen.

Alles bisschen bürokratischer

Referatsleiter Friedrich Gröteke hört den Vorstellungen geduldig zu. Eins zu eins umsetzbar scheinen sie nicht. Die EU-Beihilferegeln fordern das so genannte Pari-Passu-Prinzip. „Der Staat darf sich nur zu gleichen Konditionen wie der private Investor engagieren“, sagt er. Und: „Sie wollen hohe Rendite auf der anderen Seite keine Bürokratie, da muss man kucken.“ Allerdings könne man bei Investitionen auch noch Garantien geben. „Wenn das ausreicht, hätten wir eine Option.“ Eine Möglichkeit, die Eicke Weber sehr begrüßt. Auch der Aufbau der Solarindustrie in China von 2008 bis 2012 sei wesentlich durch Garantien getrieben worden. „Ein Topf von 10 Milliarden Euro für den Aufbau einer Erneuerbare-Energie-Produktion würde die Situation drastisch ändern.“

Grundsätzlich ist die Frage, wie viel staatliche Unterstützung nötig ist. „Das Ziel ist die Wettbewerbsfähigkeit mit chinesischen Kosten plus Transportkosten, das sind ungefähr 24 Cent pro Wattpeak“, sagt Peter Fath, CEO von RCT Solutions. Er plant und begleitet den Bau von voll integrierten Wafer-Ingot-Zelle-Modulfabriken, nach eigenen aussagen derzeit weltweit bei 43 Projekten. Derzeit ist er in vier Projekten in Deutschland involviert. „Hier liegen wir bei 27 Cent pro Wattpeak Kosten.“ Diese Lücke müsse geschlossen werden, mit „Baby-Care“, wie er es nennt. Später schließe sie sich mit der Skalierung und dem Aufbau einer europäischen Wertschöpfungskette von selber. Ein Beitrag zum Schließen der Lücke könne ein günstiger Preis für CO2-freien Strom sein. „Robert Habeck hat gesagt, die Lücke wird geschlossen, also müssen wir uns zusammensetzen, um die Lücke zu schließen.

Resilienzkriterien berücksichtigen

Ein anderer auch auf dem Panel diskutierter Weg ist, die „Vorteile der Produkte mehr zu würdigen“, wie Christoph Podewils sagt. Das sind Resilienz und Nachhaltigkeit. Wobei man bei der Nachhaltigkeit aufpassen müsse. Auch die chinesischen Photovoltaik-Hersteller könnten je nach Betrachtungsweise CO2-ärmere Produkte herstellen. „Nachhaltigkeitskriterien reichen nicht, um unser Problem zu lösen“, sagt er. Daher hält er Resilienzkriterien für notwendig. Diese gebe es auch an anderer Stelle im Energiesystem. So zahle man pro Liter Sprit ungefähr einen halbe Cent dafür, dass europaweit Lager angelegt seien, um ihn drei Monate auf Vorrat zu speichern.

Friedrich Gröteke weist darauf hin, dass es notwendig ist, europaweit einheitliche Ökodesign-Richtlinien zu entwickeln, da es sonst komplizierter werde, solche Kriterien in Ausschreibungen zu berücksichtigen und diese verzögere.

Auf der Nachfrageseite ließe sich auch sonst noch Einges tun. Jochen Wermuth etwa schlägt vor, dass das Bundeswirtschaftsministerium ähnlich vorgeht wie bei Northvolt. Dort sei es „eine super Agentur“ gewesen und habe das Unternehmen mit möglichen Abnehmern zusammengebracht. Am Ende seien Investitionen von drei Milliarden Euro geflossen. Das Ministerium könne doch auch Modulhersteller und Energieversorger zusammenbringen.

Alles in allem eine konstruktive Diskussion, doch die Dringlichkeit schnell zu Lösungen zu kommen, trübt das Bild. Entwickelte Projekte lasen sich nicht lange offenhalten. „Man kann ein Projekt nicht anhalten und dann warten“, sagt Fath. Diese haben einen strukturierten Ablauf und es zählen die Bedingungen zu dem Zeitpunkt, wenn die Investitionsentscheidung fallen muss. Auch macht der Inflation Reduktion Act Zeitdruck. Wenn man nicht bis Ende des Jahre Investitionsentscheidungen in die USA trifft, fließen die üppigen Zuwendungen ein Jahr kürzer. Alle vier Industrievertreter geben auf dem Panel an, dass sie in den nächsten drei bis vier Monaten Entscheidungen treffen müssen.

Positiv mag stimmen, dass die Ergebnisse einer gerade erst in Auftrag gegebenen Studie laut Gröteke nicht abgewartet werden müssen. Die Entscheidungen könnten zwar erst mit dem nächsten Haushalt fallen. Er erwartet sie aber vor der Sommerpause.

 

In der pv magazine Magazinausgabe, die im Juni erscheint, werden wir ausführlich über das Thema berichten.

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