Fraunhofer ISE: Warten ist keine Option – kontinuierlicher Photovoltaik-Ausbau für klimaneutrales Energiesystem bis 2050 erforderlich

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Es ist keine Option, die Photovoltaik-Wachstumsziele weltweit abzusenken und auf technologische Wunder zu warten. Stattdessen gilt es, in den nächsten zehn Jahren den Zubau von Photovoltaik-Anlagen weltweit um 25 Prozent jährlich zu steigern. Nur so lasse sich bis 2050 ein klimaneutrales Energiesystem erreichen und eine dafür notwendige Photovoltaik-Leistung von 75 Terawatt. Zu diesem Ergebnis kommen die Forscher des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE, des National Renewable Energy Laboratory (NREL) und des National Institute of Advanced Industrial Science and Technology (AIST), in der von ihnen geleiteten Studie „Photovoltaics at multi-terawatt scale: Waiting is not an option“, die sie kürzlich im Fachmagazine „Science“ veröffentlicht haben.

Grundlage für ihre Erkenntnisse legt ein Workshop vergangenes Jahr mit 41 Teilnehmern aus 15 Ländern. Die Forscher verständigten sich dort auf die etwa 75 Terawatt Photovoltaik-Leistung weltweit, die bei einer Bevölkerung von 10 Milliarden Menschen bis 2050 gebraucht würden, um das Energiesystem zu dekarbonisieren. Zuvor hatte es einen Überbietungswettbewerb mit immer höheren Photovoltaik-Zubauzielen gegeben. »Die Ermittlung eines Zielbereichs für den erforderlichen Photovoltaik-Ausbau, der mit einem realistisch erreichbaren Pfad zu den Klimazielen und einem möglichen Photovoltaik-Produktionsaufbau in Einklang steht, ist entscheidend, um wirtschaftliche und politische Ziele festlegen zu können«, erklärte Andreas Bett, Institutsleiter des Fraunhofer ISE. Die Ziele müssten konsequent weiterverfolgt und beschleunigt werden, ergänzte Nancy Haegel, Direktorin des National Center for Photovoltaics am NREL. Der leitende Forscher am AIST, Keiichiro Sakurai betonte die große Rolle von Steigerung des Wirkungsgrads und Senkung der Kosten für die bisherige und künftige Entwicklung der Photovoltaik.

Bei den angestrebten Wachstumsraten von 25 Prozent verweisen die Studienautoren auf die Vergangenheit, wo diese auch bereits erreicht wurden. Tatsächlich habe die Solarindustrie bisher weltweit alle drei Jahre eine Verdoppelung der jährlichen Produktion und der kumulativen Kapazität verzeichnet. Bei diesen Steigerungsraten werde das nächste Terawatt voraussichtlich im kommenden Jahr erreicht. Erst 2022 war die Terawatt-Marke bei der installierten Photovoltaik-Leistung durchbrochen worden. Der geplante Ausbau der Polysiliziumkapazität lasse vermuten, dass 2028 eine Produktionskapazität von einem Terawatt pro Jahr erreicht werde. Vielleicht auch schon früher, so die Autoren weiter. Die Kosten für den Bau einer neuen Photovoltaik-Produktionslinie hätten sich in den vergangenen zehn Jahren alle drei Jahre um 50 Prozent reduziert.

Auch die Effizienzsteigerungen hätten daran einen wichtigen Anteil So sei in den vergangenen 20 Jahren der Wirkungsgrad von Solarzellen im Durchschnitt um 0,5 Prozent absolut pro Jahr gestiegen. Größere Zellformate ermöglichten in dieser Zeitspanne einen Anstieg der Leistung pro Zelle von etwa 2,5 auf 10 Watt. Zudem drängen neue vielversprechende Technologien wie Topcon verstärkt auf den Markt. Die vom Fraunhofer ISE mitentwickelte Hocheffizienz-Technologie habe es innerhalb von fünf Jahren von einem relevanten Labor-Design zur Kommerzialisierung und Massenproduktion geschafft. Jüngste Analysen zeigten zudem, dass es etwa 3 Jahre dauert, bis die durchschnittliche Zelleffizienz in der Massenproduktion die Effizienz der im Industrielabor hergestellten Spitzen-Solarzelle erreicht.

Als eine Herausforderung für den weiteren schnellen Ausbau der Photovoltaik sehen die Autoren der Studie eine Knappheit bei bestimmten Materialien. So mache der Silberverbrauch der Photovoltaik bereits zehn Prozent der weltweiten Produktion aus. Die Materialverfügbarkeit werde damit absehbar das Hauptproblem. Die Wissenschaftler arbeiten daher auch mit Hochdruck daran, das Silber in den Solarzellen durch Kupfer oder Aluminium zu ersetzen. Die Forschungsfortschritte würden bald für Topcon- und Heterojunction-Solarzellen verfügbar sein. Die Autoren fordern, rasch auch Ökodesign und Recycling weiterzuentwickeln, um die Kreislauffähigkeit von Materialien bei zunehmender Massenproduktion zu erhöhen. Notwendig sei überdies eine Verlagerung der Photovoltaik-Lieferkette. Zum einen könnten die mit Logistik verbundenen Emissionen gesenkt werden, zum anderen würde eine ununterbrochene Versorgung mit Komponenten gewährleistet.

Das nächste Jahrzehnt sei entscheidend, um die Herausforderungen zu meistern, die Wege zu definieren und eine schnelle und nachhaltige Skalierung der Photovoltaik zu unterstützen, wobei der Schwerpunkt auf der gesamten Lieferkette liege, so die Forscher in ihrer Publikation.

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