Irena: Fehlende Investitionen sind immer noch eine große Hürde für Energiewende

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Investitionshemmnisse erweisen sich zunehmen als größte Hürde, damit das 1,5-Grad-Ziel eingehalten werden kann. Die weltweiten Investitionen in die Energiewende müssen sich dazu auf mehr als 5 Billionen Euro vervierfachen. Das besagt der auf dem „Berlin Energy Transition Dialogue“ in Berlin vorgestellte „World Energy Transition Outlook“ der internationalen Energieagentur für erneuerbare Energien (Irena). „Vor zwei Jahren haben wir gesagt, dass sich das Window of Oportunity schließe“, sagt Generaldirektor Francesco La Camera. „Vergangenes Jahr plädierten wir für eine dramatische Veränderung der Art, wie wir Energie nutzen und auch dieses Jahr sehen wir keinen Anlass für mehr Optimismus.“

Grafik 1: Zubau erneuerbarer Energien im Vergleich zum Zubau von Kraftwerken insgesamt. Für Irena-Direktor Franceso La Camera die einzige optimistisch stimmende Grafik, die er dieses Jahr zeigt.

Grafik: Irena

Im Jahr 2022 überstieg der Anteil der Leistung erneuerbarer Energien am Gesamtkraftwerkszubau die 80-Prozent-Marke (siehe Grafik 1). „Das ist aber die einzige positive Grafik, die ich zeige“, sagt La Camera auf der Pressekonferenz zur Eröffnung des Events, was alljährlich im Außenministerium in Berlin stattfindet und wo Politiker und Diplomaten aus aller Welt vor Ort sind. Der Zubau reiche nämlich bei Weitem nicht, um die Ziele des Paris-Abkommens zu erreichen. Bis 2030 müsse der Anteil der fossilen Energieträger von 79 Prozent 2020 auf 60 Prozent reduziert werden (Grafik 2). Dafür müsse der jährliche Zubau erneuerbarer Energien verdreifacht werden, denn ohne Erneuerbare ließen sich die Energieträger nicht ersetzen.

Grafik 2: Nach dem Irena-Szenario muss der Anteil fossiler Energieträger bis 2030 um weitere 19 Prozentpunkte reduziert werden. Nach 2030 geht es in großen Schritten weiter.

Grafik: Irena

Dabei kommt es nicht nur darauf an, die entsprechenden Erzeugungskapazitäten zuzubauen, sondern es müssen alle Länder daran beteiligt werden. Eine große besondere Herausforderung ist, die Investitionsungleichheit anzugehen. Diese war schon vor acht Jahren groß. Damals wurde in Europa pro Kopf 22-mal so viel in die Energiewende investiert wie in Afrika. Jetzt hat sich dieser Unterschied noch einmal verdoppelt (Grafik 3).

Grafik 3: In Afrika wird pro Kopf nur ein 41stel der Summe in erneuerbare Energien investiert wie in Europa. Diese Ungleichheit hat sich in den letzten 8 Jahren sogar verdoppelt.

Grafik: Irena

Das Problem dieser Ungleichheiten betonte auch Außenministerin Annalena Baerbock. (Grüne) Die mehr als fünf Billionen US-Dollar jährlich könnten die Staaten alleine nicht aufzubringen. Dabei habe Deutschland noch vergleichsweise gute Ratings, was sich auf die Zinsen auswirkt. Die Zinsen für Investitionen in manchen Ländern seien teilweise viermal so hoch wie in Deutschland. „Das ist ungerecht“, sagt Baerbock. Die G7 hätten daher angestoßen, einen Fonds bei der Weltbank stärker für Klimainvestitionen einzurichten.

Industrialisierung für die Energiewende

Um Investitionen in erneuerbare Energien zu ermöglichen, benötigt man nicht nur Kapital, sondern auch Menschen und Unternehmen, die den Strom kaufen. „Entwicklung muss daher Hand in Hand gehen mit der Investition in Erneuerbare“, sagt La Camera.

Das sieht auch der kenianische Präsident William Ruto so. Es sei bisher nicht attraktiv gewesen, energieintensive Produktion anzusiedeln, weil die Netzkosten so hoch seien. „Anders als in Europa muss Afrika erst den Bedarf erhöhen.“ Deutschland exportiert Maschinen und hat Produktionskapazitäten, Afrika hat ein enormes Potenzial mit Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und eine sehr junge Bevölkerung, Europa könne seinen Energiebedarf wiederum nicht alleine decken. Das ermögliche eine gute Zusammenarbeit für eine grüne Industrialisierung. „Deutschland könnte ein idealer Partner sein.“ Kenia habe in der Vergangenheit schon große Forstschritte erreicht. In den vergangenen acht Jahren ist die Zahl der Studenten von 90.000 auf 500.000 gesteigert worden. Der Ausbau erneuerbarer Energien ist schon weit fortgeschritten und für 2030 strebt das Land eine rein erneuerbare Stromerzeugung an.

Eines der großen Themen des „Berlin Energy Transition Dialogue“ ist wie die Energiewende und die Handelspolitik miteinander verwoben sind. Ruto fordert, dass keine Handelsbarrieren die Entwicklung behinderten und das europäische Kohlendiaoxid- Grenzausgleichssystem sollte auch die Produktion von Waren in Afrika fördern, die mit kleinem CO2-Fußabdruck produziert werden. „Wir müssen zusammenarbeiten, um Standards zu entwickeln und Kohlendioxidnachweise mit niedriger Integrität vermeiden.“ Warum sollte es dann nicht möglich sein, ein Teil der Photovoltaik-Wertschöpfungskette dort anzusiedeln?

Damilola Ogunbiyi, UN-Sonderbeauftragte für Sustainable Energy for All weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es bereits die Africa Renewable Energy Manufacturing Initiatiative und eine entsprechende Intitiative für Asien gibt.

Annalena Baerbock will die Fehler in der Vergangenheit nicht wiederholen, bei denen Länder als reine Rohstofflieferanten behandelt wurden. Als Beispiel führte sie die Lithium-Förderung in Chile auf. Derzeit stammt ein großer Anteil des weltweit abgebauten Lithiums aus Chile. „78 Prozent davon gehen nach China“, sagt Baerbock, und das sei das Gegenteil von Diversifizierung der Lieferkette. Die Zusammenarbeit mit Chile müsse sich so gestalten, dass das Lithium dort sauber abgebaut und weiterverbreitet werde. Immerhin ist auch Chile beim Ausbau der erneuerbaren Energien fortgeschritten.

Pläne gibt es also und vielleicht sind diese Anlass dafür, dass Baerbocks Staatsministerin Jennifer Morgan optimistischer war als Irena-Chef Francesco La Camera, neben dem sie bei der Eröffnungspressekonferenz saß. Der kürzlich veröffentlichte IPPC-Bericht habe zwar gezeigt, dass die Welt an einem Kipppunkt stehe. „Die Entscheidungen, die wir jetzt treffen, werden Hunderte Millionen Menschen die nächsten 1.000 Jahre beeinflussen“, sagt sie. Aber er zeige auch, wie sich die schlimmsten Auswirkungen noch abwenden lassen.

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