Spielepreis für den Klimawandel: 2022 gewann das Computerspiel „Imagine Earth“ den Preis für das beste Expertenspiel. Spieler besiedeln Planeten, errichten Infrastruktur – und bringen dabei das Ökosystem aus dem Gleichgewicht. Sie können gegensteuern, wenn beispielsweise die Polkappen wegen der Emissionen schmelzen oder Strafsteuern auf fossile Energiequellen erheben. Sie können saubere Energien erforschen und vieles mehr. „Die Anfangsidee war, irgendwas mit Klimawandel zu machen“, erinnert sich Jens Isensee, Geschäftsführer des Entwicklerstudios Serious Bros. Allerdings alles im Rahmen eines westlich geprägten Gesellschaftssystems. Nur eben auf einem Planet B. Und dessen Schicksal kann man laut Isensee in zwei bis drei Stunden auch besiegeln. „Die zentrale Botschaft ist, man kann sich Planet B sparen, wenn man das System nicht ändert“, sagt Isensee.
Große Marktmacht und große Zielgruppe
Das Beispiel zeigt, wie Klimawandel und Energiewende auf spielerische Weise Menschen nähergebracht werden können. Die Möglichkeiten sind groß, die Zielgruppe mittlerweile ebenfalls. Allein in Deutschland betrug der Umsatz mit Spielen und der zugehörigen Hardware 2021 fast zehn Milliarden Euro, ein Plus von 17 Prozent gegenüber 2020, teilte der Branchenverband game kürzlich mit.
Das Medium ist damit auch ein wichtiger Kommunikationskanal. Und das weckt Forderungen, auch seitens der Politik. Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien, vergleicht die umweltpolitischen Herausforderungen mit einem Computerspiel: „Der gemeinsame Endgegner heißt Klimakrise.“ Der Menschheit fehle es aber an Superkräften, daher müsse sie andere Möglichkeiten wählen. Mit geeigneten Produkten könne das Umweltbewusstsein in der Bevölkerung spielerisch gefestigt werden. „Die Branche muss sich ihrer Verantwortung stellen“, fordert Roth.
Auf der Konferenz „One Planet Left“, die Rahmen der Berliner Energietage zur dortigen Konferenz „Spielklima“ gehört, diskutierten Vertreter aus Industrie und Wissenschaft, wie Computerspiele ihre Kunden für Umweltthemen sensibilisieren können – und wie nicht.
Apokalyptische Szenarien können zur Resignation führen
Es geht beim Klimawandel um die Kommunikation von Wissenschaftsthemen, und das ist schwierig. „Spiele sind erstmal nur ein Format, und das ist eigentlich zu grob, wir wissen, wie vielfältig sie sind“, sagt Claudia Frick, Professorin für Informationsdienstleistungen und Wissenschaftskommunikation an der Technischen Hochschule Köln. Zudem ist der Klimawandel nicht trivial, die Kommunikation folglich eine Herausforderung. Denn es sind viele Bereiche betroffen wie Menschen, Tiere, Pflanzen, Geltscher und vieles mehr. „All das hat seinen eigenen Forschungsbereich, das ist eine unglaubliche Multidisziplinarität“, erklärt Frick.
Wichtig ist ihrer Ansicht nach, nicht zu apokalyptische Szenarien zu wählen. „Wenn wir immer nur das schlimmste Ergebnis zeigen, resignieren die Menschen“, befürchtet sie. Zwar könne ein apokalyptisches Szenario zeigen, wie es werden könnte. Aber sich nur darin zu bewegen, greife zu kurz. Denn wer resigniere, handele nicht. Es gehe daher darum, zu motivieren. „Games sind ein ideales Werkzeug, um uns Handlungsoptionen aufzuzeigen.“
Zudem hat sie einen großen Kritikpunkt an existierenden Spielen, die sich mit dem Thema beschäftigen. Zwei Drittel des Klimaberichts des Weltklimarats drehten sich um soziale Aspekte. Spiele hingegen griffen vor allem Klimaszenarien und marktwirtschaftliche Verfahren auf. „Das Thema Klimagerechtigkeit fehlt noch in Spielen“, beklagt Frick.
Oft zu plakativ oder zu langweilig
Ähnlich sieht das Claudia Paganini, Professorin für Medienethik an der Hochschule für Philosophie München. Insbesondere erfolgreiche, kommerzielle Spiele seien sehr plakativ, selbst wenn sie das Thema Klimawandel aufgreifen. „Civilization VI, Anno 2070 und Sims 4 behalten alle ihre kolonialistisch-kapitalistische Grundlage bei“, hat Paganini beobachtet. Auch bei den Lernspielen ist sie skeptisch. So bewertet sie „Climate Quest“ mit klaren Worten. „Das Spiel ist unglaublich langweilig, der einzige Pluspunkt ist, dass es nur zehn Minuten dauert“, sagt die Wissenschaftlerin.
Sie kennt aber auch Gegenbeispiele, häufig von kleineren Entwicklerstudios. Zwei grundlegende Ansätze unterscheidet sie: anthropozentrisch und physiozentrisch. Beim anthropozentrischen Ansatz steht der Mensch im Mittelpunkt und ist das Maß aller Dinge. „Wenn wir in diesem Ansatz stecken bleiben, werden Schutzmaßnahmen immer nur begrenzt sein“, warnt die Ethikerin. Bei physiozentrischen Ansätzen hingegen haben auch außermenschliche Teile der Natur moralische Rechte.
Allerdings werden Computerspiele nach wie vor von Teilen der Gesellschaft kritisch beäugt. Das sei historische bei neuen Medien immer schon so gewesen, selbst bei den ersten Medien in der Antike. „Das neue Medium wird immer als kulturell minderwertig wahrgenommen werden“, weiß Paganini. Dabei zeigten Studien, dass Computerspiele die Handlungen und Haltungen von Spielern verändern können.
Auch staatliche Institutionen sehen die Möglichkeiten, die Computerspiele bieten. „Das Informationspotenzial von Games zu nutzen, um für den Klimaschutz zu sensibilisieren, halten wir für sehr wichtig“, erklärt Helge Jürgens, Geschäftsführer bei der staatlichen Fördereinrichtung Medienboard Berlin-Brandenburg. (Jochen Bettzieche)
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