Keine nachhaltige Entwicklung möglich?

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Schon wieder haben die meisten Modulhersteller ihre Preise nach oben angepasst. Dies ist nun schon die dritte oder vierte Preiserhöhung innerhalb der letzten 6 Monate und ein Ende ist noch nicht in Sicht. Aber warum gelingt es nicht, eine langfristige und nachhaltige Entwicklung des globalen Solarmarktes zumindest von Seiten der Produzenten zu gewährleisten? Welche Faktoren führen immer wieder dazu, dass Angebot und Nachfrage so stark auseinanderlaufen? Von keiner anderen Branche kenne ich eine derart turbulente Entwicklung, ein ständiges Pendeln zwischen Überangebot und Engpass, zwischen Preisverfall und Preissteigerung – immer bis hin zu einem Photovoltaik-Markteinbruch. Die Planungssicherheit ist – einmal mehr – zum Teufel. Projektierer und Investoren können ihre Pläne für die Errichtung von mittleren bis großen Photovoltaik-Anlagen, zumindest wenn sie nicht schon langfristig vorgesorgt haben, in der Schublade verschwinden lassen, bis sich Modulpreis und -verfügbarkeit wieder normalisiert haben – mit etwas Glück noch in diesem Jahr!

Was aber ist los im Markt, was passiert mit den Solarmodulpreisen?

Die Stabilisierung über alle Technologien hinweg ist in den vergangenen Wochen erneuten Preisanpassungen durch den Großteil der Modulproduzenten gewichen. Wir sehen fast überall um 0,5 bis 1 Cent pro Wattpeak höhere Werte als noch im letzten Monat. Gegenüber der Mitte des 4. Quartals 2020 stiegen die Preise im Durchschnitt gar um 2 bis 3 Cent, was beim aktuellen Preisniveau 10 bis 15 Prozent entspricht und in existierenden Projektkalkulationen nicht einfach an anderer Stelle kompensiert werden kann. Fast kein Modulhersteller lässt sich bei Neubestellungen auf verbindlichen Preiszusagen mehr ein. Der Großhandels- und Projektkunde kann zwar noch verbindliche Mengen buchen, erhält aber in der Regel keine festen Preise mehr, zumindest nicht über das laufende Quartal hinaus. Begründet wird diese Zurückhaltung unter anderem damit, dass sich auch die Vorlieferanten, insbesondere bei Polysilizium, Wafern und Solarglas, nicht mehr an feste Preiszusagen binden wollen, sondern nur noch auf Basis von Tagespreisen agieren.

Die Photovoltaik-Nachfrage ist zumindest in Europa nach wie vor ungebrochen, insbesondere im boomenden Kleinanlagensektor und bei den mittleren Anlagengrößen. Die Einschränkungen im deutschen EEG haben zumindest aus Sicht des Großhandels nicht zu einem Rückgang der Nachfrage geführt. Diese übersteigt bei weitem das aktuelle Angebot an Modulen. Bei Wechselrichtern und Batteriespeichern sieht es momentan noch etwas besser aus. Gefragte Modultypen sind jedoch auf Monate hinaus ausverkauft, ein Nachschub ist teilweise noch nicht einmal mehr angekündigt, selbst wenn es sich schon um die neuen Modulformate handelt. Auf Nachfrage beim Hersteller nach dem Grund für dieses Versäumnis kommt bisweilen die Antwort, man habe aufgrund der schwierigen Liefersituation und den hohen Rohstoffpreisen die Produktion herunterfahren müssen – geht’s eigentlich noch?!

Es gibt doch eine Armada von Analysten, die regelmäßig sehr genau vorhersagen, wie sich die Nachfrage nach Photovoltaik weltweit entwickelt. Jedes Quartal werden Prognosen mit Installationszahlen veröffentlicht, die nur eine Richtung kennen – nach oben. Außerdem merken Klimaexperten und -aktivisten ebenso regelmäßig an, dass die vorhergesagten beziehungsweise von der Politik in Zukunftsplänen festgelegten Werte noch viel zu niedrig sind, um die im gleichen Atemzug genannten CO2-Reduktionsziele zu erreichen. Warum gelingt es der Industrie dann nicht, bei ihren Kapazitätserweiterungen mit der tatsächlichen Entwicklung Schritt zu halten? Am Investorengeld kann es eigentlich nicht liegen, davon dürfte mittlerweile genug vorhanden sein. Dieses könnte doch in Richtung des Wiederaufbaus einer Europäischen Solarindustrie mit allen Stufen der Wertschöpfung kanalisiert, anstatt in Ermangelung anderer stabiler und lukrativer Anlageformen in Kryptowährung geparkt zu werden.

Stattdessen hängen wir nach wie vor am Tropf der oft sprunghaften Asiaten, die zwar Zell- und Modulkapazitäten in den letzten Jahren massiv ausgebaut, gleichzeitig aber die erfolgreiche Erweiterung der Polysiliziumfertigungen offenbar verschlafen haben. Selbstverständlich sind hier ganz andere Investitionssummen nötig, aber die dortigen Hersteller können sich in der Regel auf die großzügige Unterstützung ihrer Zentralregierung verlassen. Offenbar fürchtet man sich noch immer vor einer Überproduktion und einem dadurch bedingten Preisverfall, agiert deshalb oft zaghaft und dem Markt hinterherhinkend. Doch sollten sich Politik und Produzenten vor allzu unambitionierten Marktprognosen lösen und auf ein schnelles Wachstum der Nachfrage vertrauen, insbesondere wenn die Preise stimmen. Leider können wir uns hier auf den ehemaligen Branchenprimus, die deutsche Wacker Chemie AG, nicht unbedingt verlassen. Das im Jahre 2016 in den USA eröffnete Werk bereitet seit seiner Eröffnung permanent Probleme, so dass der geplante Produktionsoutput zumindest bei Solarsilizium bis heute nicht erreicht wurde.

Durch permanent steigende Modulpreise rückt noch ein ganz anderer Aspekt des weltweit schnell fortschreitenden Photovoltaik-Ausbaus wieder in den Fokus: die Qualität der Solarinstallationen. Wie kann diese gewährleistet werden, wenn die Beschaffungskosten steigen, die Zuschlagspreise in den Auktionen aber dennoch weiter sinken? Tatsache ist, dass die niedrigen Strompreise, die immer wieder durch die Presse gehen und von den Solar- und Klimaaktivisten gefeiert werden, nicht unbedingt etwas mit den real zu erzielenden Werten zu tun haben. Ein Multi-Megawatt-Photovoltaik-Park kann nach aktuellem Stand der Technik eine Kilowattstunde nicht dauerhaft für ein Cent pro Kilowattstunde produzieren, egal wo er aufgebaut wird. Es muss entweder massiv an der Qualität der eingesetzten Produkte gespart werden oder aber es ist eine riskante Wette auf zukünftig zu erlösende Strompreise. Außerhalb Europas geht es bei der Auktionsteilnahme nämlich oft allein um den schnellen Netzzugang – selbst Gebote mit 0 Eurocent pro Kilowattstunde sind da keine Seltenheit. Nach Ablauf der Preisbindefrist müssen dann aber mindesten 2, 3 Cent oder mehr erlöst werden, damit das Projekt sich langfristig amortisiert.

Die zweite Variante, nämlich dass nur billigste Komponenten eingesetzt werden, sowie bei der Kalkulation der Planungs-, vor allem aber der späteren Betriebskosten gespart wird, kommt laut eines Branchenkenners eher selten vor, da die Auftraggeber in der Regel erfahrene Energiekonzerne oder international operierende Investorengruppen sind. Eine derartige Herangehensweise wäre äußerst fahrlässig und sollte der Vergangenheit angehören. Wie heißt es so schön: wer billig kauft, kauft zweimal. Nur heißt das im Bereich der Großprojekte, dass der initiale Betreiber das zweite Mal nicht erleben wird. Ich kann daher nur darauf plädieren, dass Projektpreise realistisch geplant, bei Versteigerungen von Netzzugängen und Fördervolumina nur seriöse Gebote abgegeben werden und die Solarindustrie selbst sich endlich bemüht, sich der allgemein bekannten, stets positiven Marktentwicklung anzupassen und Angebote zu formulieren, die zur jeweiligen Nachfrage passen.

— Der Autor Martin Schachinger ist studierter Elektroingenieur und seit über 20 Jahren im Bereich Photovoltaik und regenerative Energien aktiv. 2004 machte er sich selbständig und gründete die international bekannte Online-Handelsplattform pvXchange.com, über die Großhändler, Installateure und Servicefirmen neben Standardkomponenten auch Solarmodule und –wechselrichter beziehen können, welche nicht mehr hergestellt werden, aber für die Instandsetzung defekter Photovoltaik-Anlagen dringend benötigt werden. —

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