Thinktanks: Flächendeckender Ausbau der Schnellladeinfrastruktur benötigt Reform der Netzentgelte

Teilen

Bei den Netzentgelten ist Deutschland ein Flickenteppich. Hohe Netzentgelte könnten nun aber dafür sorgen, dass einige Regionen beim Ausbau der Schnellladesäulen zu kurz kommen, da sie sich bei der Abrechnung der Kosten unverhältnismäßig stark bemerkbar machen. In einem gemeinsamen Diskussionspapier haben sich die Thinktanks Agora Energiewende, Agora Verkehrswende und Regulatory Assistance Project (RAP) die geplanten Ausschreibungen für den Bau von Schnellladesäulen angeschaut und empfehlen aufgrund der vorliegenden Schieflage, entweder Netze mit unterschiedlichen Kosten zusammenlegen oder die Netzkosten vorübergehend ganz beziehungsweise teilweise übernehmen. Mittelfristig führt nach Ansicht der Thinktanks aber kein Weg an einer Reform der Netzentgelte vorbei.

Die Bundesregierung plant mit dem Schnellladegesetz und Ausschreibungen eine flächendeckende Versorgung zu ermöglichen. Bis Ende Januar 2023 sollen demnach ein öffentliches Schnellladenetz für Elektrofahrzeuge an 1000 Standorten entstehen. „Wenn der Ausbau der Schnellladeinfrastruktur gelingen soll, muss der Bund auch die lange überfällige Reform der Netzentgelte angehen“, sagt Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. „Die derzeitige Verteilung der Netzkosten über die Netzentgelte passt nicht zu einer Welt, in der Elektrofahrzeuge in kurzer Zeit viel Strom laden.“ Die überholten Strukturen dürften aber nicht darüber entscheiden, wo Schnellladepunkte entstünden.

Die Fixkosten für Aufbau und Betrieb von Schnellladepunkten sind deutlich höher als für Normalladepunkte und stark vom Standort abhängig, wie in dem Diskussionspapier „Ladeblockade Netzentgelte. Wie Netzentgelte den Ausbau der Schnellladeinfrastruktur für Elektromobilität gefährden und was der Bund dagegen tun kann“ aufgezeigt wird. Daher bestünde die Gefahr, dass sich Investoren weiter wie bisher auf die wirtschaftlich attraktivsten Standorte konzentrierten. Diese liegen vor allem entlang von Bundesfernstraßen, der ländliche Raum kommt bislang zu kurz. „Ausschreibungen sind grundsätzlich sinnvoll, um Lücken im Schnellladenetz zu vermeiden. Aber bei der Ausgestaltung dieses Instruments ist viel Fingerspitzengefühl gefragt“, sagt Jan Rosenow, Europa-Direktor von RAP. Die Ungleichgewichte bei der Verteilung der Netzkosten ließen sich in den Ausschreibungen kurzfristig nur ausgleichen, indem Regionen mit verschiedenen Netzkosten in einem Los zusammengelegt würden oder der Staat die Kosten vorübergehend übernehme.

Problematisch ist nach Ansicht der Thinktanks insbesondere das Leistungspreissystem bei der Erhebung der Netzentgelte. Er werde auf die Spitzenleistung an der Ladesäule erhoben, selbst wenn diese Leistung nur ein einziges Mal im Jahr anfällt und das Stromnetz zu diesem Zeitpunkt engpassfrei ist. Die Höhe variiere dabei zwischen den Netzgebieten um mehr als 1200 Prozent. „Bei der Ladeinfrastruktur ist es sinnvoller, die Netzkosten auf den geladenen Strom zu verlagern, mit einem durchschnittlichen Netzarbeitspreis pro Kilowattstunde. Sonst werden nur wenige in Schnellladepunkte investieren, schon gar nicht an Standorten mit besonders hohen Netzkosten“, sagt Rosenow.

Die FDP moniert anlässlich der Veröffentlichung des Diskussionspapiers den bislang schleppenden Ausbau der Schnellladeinfrastruktur in Deutschland. „Es kann nicht sein, dass bis dato gerade einmal 1700 der gut 9700 vom Bundesverkehrsministerium geförderten Schnellladepunkte errichtet wurden. Hier müssen Ladesäulen entsprechend schneller genehmigt werden, wenn schon eine einseitige Förderung der Elektromobilität angestrebt wird“, sagte der energiepolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Martin Neumann.

Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.