2020 ist in vielerlei Hinsicht ein überraschendes Jahr. Der September hielt gleich mehrere verblüffende Entwicklungen für die deutsche Energie- und Klimapolitik bereit. Nach Monaten des energiepolitischen Stillstands wurde die große Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) innerhalb von nur knapp vier Wochen durch die Ressortabstimmung sowie Länder- und Verbändeanhörung gepeitscht und dann vom Kabinett beschlossen.
Unstimmigkeit zur EEG-Novelle innerhalb der Bundesregierung
Besonders bemerkenswert ist der offene Dissens innerhalb der Bundesregierung: Während das CDU-geführte Wirtschaftsministerium einen EEG-Entwurf vorgelegt hat, der zahlreiche Forderungen energieintensiver und konventioneller Industriezweige aufnimmt, geht der Ausbau der Erneuerbaren dem SPD-geleiteten Umweltministerium nicht schnell genug. In einer Protokollerklärung weist Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) darauf hin, dass sie in drei Punkten Verbesserungsbedarf sehe: Höhere Ausbaumengen der Erneuerbaren, verbesserte Regelungen für Post-EEG-Anlagen sowie eine verpflichtende Kombination von Neubauten mit Photovoltaik-Anlagen.
Was passiert nach der EEG-Novelle mit Post-EEG-Anlagen?
Dabei ist insbesondere im Hinblick auf die Post-EEG-Anlagen Eile geboten. Zum Jahreswechsel fallen die ersten Anlagen nach 20 Jahren aus der EEG-Förderung. Und bis heute ist nicht abschließend klar, was mit ihnen passieren soll. Das ist umso frustrierender, weil wir – wie viele andere auch – seit knapp zwei Jahren auf die unklare Situation hinweisen.
Anders als die Umweltministerin sehen wir den Nachbesserungsbedarf für Post-EEG-Anlagen nicht nur bei Windkraftanlagen, bei denen kein Repowering möglich ist, sondern vor allem bei kleinen Solaranlagen. Verschiedene Schätzungen gehen davon aus, dass mindestens 18.000 Anlagen alleine in 2021 betroffen sind – bis 2025 sogar bis zu 180.000 Anlagen.
Die Problematik für die Kleinstanlagen besteht vor allem darin, dass der sinnvolle Eigenverbrauch ausgebremst wird. Anlagen können zwar weiter ihren Strom zu akzeptablen Kosten bei minimalen Erträgen ins Netz einspeisen. Wollen Anlagenbetreiber jedoch Strom auch selbst vor Ort verbrauchen, ist eine Nachrüstung mit einem intelligenten Messsystem und Steuerungstechnik verpflichtend. Diese Nachrüstung lohnt sich bei Kleinstanlagen unter den aktuellen Voraussetzungen nicht.
Die sinnvollere Variante wäre der Eigenverbrauch vor Ort. Damit könnten auch ausgeförderte Anlagen weiterbetrieben werden und ihr Strom direkt vor Ort genutzt werden – eine Alternative, die im Hinblick auf das starke Wachstum der Elektroautos und von Heimspeichern nur folgerichtig ist. Diese alternative Nutzung wird jedoch mit technischen, administrativen und finanziellen Hürden mindestens erschwert, wenn nicht sogar verunmöglicht.
Ein Beispiel ist die „Sonnensteuer“, also die Belastung des Eigenverbrauchs von Strom aus PV-Anlagen mit Abgaben und Umlagen. Die EU hat bereits 2018 eine Direktive erlassen, wonach der Eigenverbrauch aus Anlagen mit 30 Kilowatt von diesen finanziellen Verpflichtungen befreit sein soll. Diese EU-seitig geforderte Abschaffung der Belastung des Eigenverbrauchs mit Abgaben und Umlagen wird im aktuellen Entwurf nicht entsprechend umgesetzt.
Verbesserungsvorschläge für die EEG-Novelle
Um diese Problematik zu lösen, hat eine Allianz von Energieunternehmen schon im Sommer handfeste Verbesserungsvorschläge gemacht. Dazu gehört die Einführung der sogenannten kleinen Direktvermarktung, in der bestehende energiewirtschaftliche Prozesse weiterhin genutzt werden können, während die Kosten für den Anlagenbetreiber gesenkt werden. Grundsätzlich soll dabei eine Bilanzierung viertelstündlich erfolgen – es sei denn die Kosten für die Bilanzierung liegen über den Einnahmen. In dem Fall sollen Standardeinspeiseprofile und -lastprofile genutzt werden. Diesen Vorschlag unterstützen wir ausdrücklich, da er die Interessen der verschiedenen Akteure ausgewogen berücksichtigt, die Kosten und Nutzen ausbalanciert und Innovation fördert, statt den Status Quo zu bewahren.
Mit Standardlastprofilen ließe sich auch die Rolle der Prosumenten stärken. Sie würden den Eigenverbrauch stärken, unnötige Zähler vermeiden und die dezentrale Energiewende unterstützen. Der Berliner Think Tank Agora Energiewende hat diesen Vorschlag ebenfalls im späten Sommer vorgestellt – auch diese Vorschläge wurden nicht berücksichtigt.
Insgesamt ist der nun von der Bundesregierung beschlossene Gesetzesentwurf besonders für den Eigenverbrauch dramatisch. Die deutliche und bewusste Blockierung der Nutzung von selbst erzeugtem Strom ist eine unmögliche Entwicklung. Zwar wurde die Leistungsgrenze für Photovoltaik-Anlagen von 10 auf 20 Kilowatt angehoben, jedoch bleibt der nun verabschiedete Vorschlag hinter EU-Regelungen zurück, die bis 2021 ins nationale Recht überführt werden müssen.
Eine EEG-Novelle ohne Kraft für die Zukunft
Die Innovations- und Prosumerfeindlichkeit des aktuellen EEG-Gesetzesentwurfs verwundert auch deshalb, weil Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) noch Anfang September einen 20-Punkte-Plan für Klimaneutralität und Wohlstand vorstellte. Darin äußerte er sich auch zur EEG-Umlage: „Das EEG wird umfassend reformiert und an die neuen Zielsetzungen der EU angepasst und schrittweise zu einem europäischen Instrument ausgestaltet, das die Stromtransformation in ganz Europa entscheidend voranbringen kann.“
Dieses Ziel hat der Gesetzesvorschlag zur EEG-Novelle von Peter Altmaier und seinem Haus verfehlt. Es wird lediglich eine etablierte Logik – das Einspeisen von Strom oder eben nicht – fortgeführt. Stattdessen sollten die vielfältigen neuen Möglichkeiten dazwischen genutzt werden. Das Wirtschaftsministerium, das sonst im Hinblick auf Klimaschutz immer Innovation und Marktwirtschaft fordert, lässt beim Eigenverbrauch alle Innovationspotenziale und marktwirtschaftliche Mechanismen außen vor. Besonders das Aufkommen von Speichern und Elektroautos bietet unzählige Möglichkeiten, selbsterzeugten Strom innovativ, günstig und netzdienlich zu nutzen.
Interessanterweise kommt dieser Vorschlag nicht nur von Unternehmen und Akteuren der Energiewirtschaft, sondern auch von Verbraucherschützern und der Automobilindustrie. Ein gutes Beispiel ist die Weiterentwicklung des §14a des Energiewirtschaftsgesetzes. Auch hier soll mit der Spitzenlastglättung die starre Absenkung der Ladevorgänge unterstützt werden, statt intelligente und marktwirtschaftliche Ansätze zu stärken. Trotz des breiten Bündnisses bleiben auch diese Vorschläge bislang unberücksichtigt.
Die dezentrale Energiewende und ihre mehr als eine Million Prosumer hätten mit der EEG-Novelle gestärkt werden können. Es bleibt zu hoffen, dass im parlamentarischen Prozess die Schwachstellen des Gesetzentwurfs adressiert und entsprechend geändert werden.
— Der Autor Christian Chudoba ist CEO von Lumenaza und besitzt mehr als 15 Jahre Führungserfahrung in strategischer Geschäftsentwicklung, Business Development und Marketing. Er entwickelte eine neue Geschäftsidee basierend auf flexibler Software und trieb sie als Start-up in einem Konzern zu einem neuen Geschäftsfeld. In dieser Position betrieb er auch ein strategisches Investment in eine Partner-Firma, die eine Schlüssel-Technologie herstellte. Basierend auf dieser Erfahrung und seinem Interesse an Nachhaltigkeit, die ohne Verzicht einhergeht, treibt er seit Anfang 2013 die Entwicklung von Lumenaza voran. www.lumenaza.de —
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Ein Ministerium und dessen Verwaltungsmacht wird maßgeblich durch die MA selbst und deren Qualifikation für die entsprechenden Aufgaben geprägt.
Der Entwurf des EEG 2021 zeichnet jetzt nicht unbedingt ein Loblied auf die MA des Ministeriums aus.
Entweder wurden diese auf die konsequente Verhinderung der Energiepolitik hin zu Erneuerbaren ausdrücklich eingeschworen oder es scheitert wirklich an unzureichendem Sachverständnis und Unvermögen der Beteiligten die erforderlichen Prozesse für die Überleitung der E-Strom-Versorgung der Republik hin zu den Erneuerbaren zu überführen.
Eine konsequente und renitente Missachtung der Beschlussfassung des Europäischen Parlamentes kommt noch obendrauf!
Was ist das für eine Führung eines Ministeriums, leider weiterhin ohne wissenschafftliche Unterstützung im Bereich der Energiewende und wo bleiben die viel besagten Parlamentarischen Kontroll-Instanzen?
Andererseit ist es je zu verstehen, dass den beflissenen MA der Wirtschaftsministeriums bisher hilfreiche Goast-Schreiber wegfallen und diese nun auf Eigeninitiative zurückgreifen müssen, wie denn eine alternative Energiepolitik überhaupt funktionieren könnte, ohne AKWs und später auch hoffentlich ohne KKWs. Eine bisher nicht gekannte Herrausforderung!