Laut Nasa und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) wird die Erde das in Paris festgelegte Klimaschutzziel von 1,5 Grad Erderwärmung schon um das Jahr 2030 herum überschreiten. Um dem Klimanotstand mit seinen katastrophalen Folgen für die ganze Menschheit zu begegnen und noch in die Nähe des 1,5-Grad-Ziels zu kommen, dürfen spätestens ab 2030 keine Treibhausgase mehr in die Atmosphäre emittiert werden. Die Umstellung des Energiesystems auf 100 Prozent erneuerbare Energien bis 2030 ist dafür unverzichtbar. Die in Arbeit befindliche Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) muss sich an diesem Ziel orientieren.
Erforderlich sind dafür der Erhalt beziehungsweise das Repowering bestehender EEG-Anlagen sowie – nach aktuellen groben Abschätzungen der Energy Watch Group – ein ungefährer jährlicher Zubau von mindestens 8.000 Megwatt Windkraft, 26.000 Megawatt Solarenergie und jeweils einigen tausend Megawatt Bioenergie, Wasserkraft und Geothermie. Zudem sind Investitionen in Systemsicherheit, Sektorenkopplung, Speicherung und digitale Steuerung erforderlich. Die bisherigen Diskussionen und Vorschläge im politischen Berlin sind alle weit von den tatsächlichen Erfordernissen entfernt. Die Vorwürfe von Greta Thunberg nach dem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass weiter nichts Genügendes getan werde, sind daher völlig berechtigt.
Die neue Ideensammlung des Klimakreises der CDU/CSU-Fraktion fordert zwar für kleine Solaranlagen, für Geo- und Bioenergie einige wichtige Verbesserungen, die aber dennoch viel zu gering bleiben. Für Windkraft, große Solarparks und Wasserkraft gibt es gar keine Vorschläge.
Es braucht grundlegende, strategische Gesetzesänderungen
Notwendig wären stattdessen strategische, grundlegende Änderungen am jetzigen EEG und an anderen die erneuerbaren Energien betreffenden Gesetzen:
1. Abbau der Bürokratie
Denn sie wirkt oftmals abschreckend auf einen großen Teil der Investor:innen. Daher ist die Einsetzung einer Arbeitsgruppe erforderlich, die sich die Bürokratiemonster vornimmt und Vorschläge bis Ende des Jahres macht, die dann noch vor der Bundestagswahl 2021 umzusetzen sind. Dies betrifft das EEG selbst, das Energiewirtschaftsgesetz, die Steuergesetzgebung, die Bauordnungen von Bund und Ländern, die Naturschutzgesetzgebung – die selbstverständlich im Einklang mit dem Artenschutz stehen, aber dennoch den Ausbau von Wind- und Wasserkraft ermöglichen muss –, die Kapitalanlegergesetzgebung und weitere.
2. Einführung einer 40-Megawatt-Untergrenze für Ausschreibungen
Der Wechsel von der festen Einspeisevergütung zu Ausschreibungen war der entscheidende K.o.-Schlag gegen den bis 2012 exponentiell voranschreitenden Ausbau der Erneuerbaren und verursachte gleichzeitig den massiven Einbruch der Bürgerenergien. Für Investitionen durch finanzkräftige Unternehmen, zum Beispiel Offshore-Windparks oder Photovoltaik-Freiflächenanlagen, sind Ausschreibungen weiterhin sinnvoll. Für Bürgerenergieprojekte bis etwa 40 Megawatt braucht es ein Zurück zur festen Einspeisevergütung oder eine gleitende Marktprämie.
3. Abschaffung aller Ausbaudeckel
4. Umsetzung der EU-Richtlinie für Bürgerenergie
Entsprechend den Vorgaben der EU-Richtlinie müssen Eigenerzeugung und die Direktvermarktung von Ökostrom diskriminierungsfrei und frei von finanziellen Belastungen sein. Dies muss auch für Mieterstromobjekte gelten.
5. EEG-Umlagefinanzierung neu justieren
Die Finanzierung der EEG-Umlage muss als Strompreisumlage bleiben und darf nicht aus Steuergeldern finanziert werden, damit die nationale Hoheit gegenüber dem EU-Beihilferahmen bleibt und angesichts der hohen Staatsverschuldung durch die Coronakrise keine Kürzungen durch das Finanzministerium drohen. Der Umlage-Mechanismus muss aber endlich novelliert werden, damit das EEG-Paradoxon abgeschafft wird, wonach heute mit steigendem Anteil erneuerbarer Energien der Börsenstrompreis sinkt und damit die EEG-Umlage steigt.
6. Neues Gesetz für Sektorenkopplung und Innovation
Da das EEG keine direkten Anreize für Investor:innen in erneuerbare Energien schafft, um auch Verantwortung für die Systemsicherheit des Stromnetzes zu übernehmen, ist parallel zum EEG ein neues „Gesetz für Sektorenkopplung und Innovation der Erneuerbaren Energien“ (SIG-EE) zu schaffen. Mit diesem Gesetz wird auch eine Kombikraftwerks-Vergütung von etwa acht Cent je Kilowattstunde eingeführt, die ausschließlich für netzdienliche Investitionen gewährt wird. Die Investoren müssen dann mit einem Mix aus erneuerbaren Energien eine viertelstundengenaue ganzjährige Bedarfsdeckung des Lastprofils abdecken. Angereizt werden dadurch erhebliche Investitionen in Strom- und Wärmespeicher, in digitale Steuerung sowie in die Sektorenkopplung, wie E-Mobile, grüner Wasserstoff sowie Projekte im Gebäude- und Produktionssektor.
— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com
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Wenn 100% erneuerbare Energien ab 2030 (mind in der Stromerzeugung) angestrebt werden, ist die EEG-Förderung vielleicht nicht mehr das Mittel der Wahl.
Kurzfristig bin ich für eine Befreiung des Stroms von EEG-frei und ohne sonstige Förderung errichteten Solaranlagen von der EEG-Umlage.
Mittelfristig könnte eine Quote für erneuerbare Energien, die schnell gegen 100% geht, am effektivsten sein. Gewisse Absicherungen kann es geben, aber mit Teilung des Preisrisikos.
Es ist Illosion zu glauben, dass eine Regierung zu gemeinnütziger Energiegesetzgebung fähig ist, wenn sie bisher überwiegend Schäden für Klima, Umwelt und Sozialisation verursachenden Energieversorgern Verlustentschädigungen verspricht.
Super und genau treffender Beitrag für die bestehenden Probleme.
Insbesondere der Pkt. 5 „EEG-Umlagefinanzierung neu justieren“ gehört dringend und klug überarbeitet.:
Welche EEG Beiträge hätten wir in 2050 zu erwarten? ohne preisbrechende AKWs und KKWs…….100% müßten von den dann bestehenden Stromerzeugern aufgefangen werden!
Also wäre bei heutiger CO2 freier Stromgewinnung so weit als möglich auf EEG zur Preisgestaltung zu verzichten.
Es sollte besser ein Malus-System für die Stromerzeuger ins Leben gerufen werden, die für eine CO2Emission zur Verantwortung gezogen werden sollten. Die CO2-Steuer als Ansatz ist bislang ersteinmal verratzt worden und in der gewünschten Richtung wirklich nicht ausreichend.
Nachbesserungen in Sicht?
Wir müssen wegkommen von dem Beschützersyndrom, der die heimische Wirtschaft und bisherige Verbrennermotoren der Antriebstechnik unbedingt vor dem Untergang bewahren muss.
Hier sollten bessere Ansätze her.
Bei 1,5°C Erderwärmung ist eine weitere Anfeuerung des bisherigen Systems nicht lustig!
Da wir j e t z t anfangen müssen, CO2 einzusparen, ist ein Bashing auf Verbrenner n i c h t angesagt angesichts der Fülle des jetzigen Autobestandes. Vielmehr: 130 km/h auf Autobahnen, 90km/h auf Landstraßen 40km/h in Städten. Ferner: Verbot des Verkaufs von Verbrennermofas und Kleinkrafträdern, starke Subventionierung von E-Fuels, die sich mit den heutigen Motoren vertragen, Subventionierung von E-Kerosin mit verbindlicher Verpflichtung zur Verwendung für alle in Deutschland startenden Flugzeuge, wie jetzt schon z.T in Norwegen. SPEICHERAUSBAU jetzt (!!!) und nicht erst nach Scheuer-Manier weitere Tests und Gutachten anleiern, um eine 200%-ige Lösung zu finden, wie es leider viele Anbieter von Megaspeichern momentan tun, um noch einige Fördermilliönchen aus dem großen Fördertopf des Bundes
zu erhaschen. Ich denke hier vor allem an die Firma JenaBatteries, deren Redflowspeicher im letzten Jahr als praktisch marktreif angepriesen wurden, und die auf einmal einen Bedarf an neuen Tests entdeckt hat. Praktisch alle Großspeicherkonzepte sind m.E. jetzt schon marktreif (wenn auch nicht immer gewinnbringend), vor allem die mechanischen und thermischen, die auf Jahrhunderte Erforschung und Erprobung zurückblicken können. Direktsubventionierung ist also angesagt, auch g e g e n EU-Richtlinien, wozu hat das EU-Parlament einen Klimanotstand ausgerufen, wenn nicht klimaschädliche Vorschriften einfach übergangen werden können. Die Zeit des geistigen Kleingärtner vor allem im Bereich des Wirtschaftsrechts und der Verwaltung muss endlich der Vergangenheit angehören