Solarwatt-Chef: Leider nimmt man Sachsen nicht als Heimat innovativer Erneuerbaren-Unternehmen wahr

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Ben Gierig – Fotografie – www.ben-gierig.de

Foto: Solarwatt

pv magazine Deutschland: Sachsen steht vor der Landtagswahl. Welche Rolle spielt dabei die Energiepolitik?

Detlef Neuhaus (Foto): Auch wenn kurz vor der Landtagswahl auf den Wahlplakaten der Klimawandel von vielen Parteien aufgegriffen und mit markigen Sprüchen bedacht wird, spielte die Energiepolitik bislang eine eher untergeordnete Rolle. Im letzten Jahr machte Sachsen im Bereich Energie vor allem durch seinen Kampf für den Erhalt der Kohlekraftarbeitsplätze in der Lausitz von sich reden. Als Heimat innovativer Unternehmen im Erneuerbaren-Bereich nimmt man Sachsen aber leider nicht wahr. Da muss man schon hart um Aufmerksamkeit kämpfen, um zu zeigen, dass es noch etwas anderes gibt als die Braunkohle in der Lausitz.

Es wird immer wieder betont, dass der Kohleausstieg das Bundesland hart trifft. Allerdings gibt es ja durchaus einige Photovoltaik- und Speicherunternehmen in Sachsen. Haben Sie da ein paar konkrete Zahlen zu deren Wertschöpfung und Arbeitsplätzen?

Der Bundesverband Braunkohle selbst beziffert die Zahl seiner Arbeitsplätze in Gesamtdeutschland auf weniger als 15.000 Jobs – direkt und auf anderen Stufen der Wertschöpfungskette. Für diese Beschäftigten müssen Lösungen gefunden werden, das ist ganz klar. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass es nach der Insolvenzwelle in der Photovoltaik-Branche Anfang der 2010er Jahre in Deutschland auch Politiker gegeben hätte, die den Menschen Unterstützung versprochen hätten. Unser Industriezweig hat innerhalb von wenigen Jahren über 100.000 Jobs verloren. 2016 wurde die Zahl noch auf 45.000 Beschäftigte geschätzt, 2011 waren es noch dreimal so viele. Das war nicht weniger als ein Kahlschlag. In Sachsen hat sich die Beschäftigtenzahl von über 5000 im Jahr 2013 auf 3000 fast halbiert. Zum Vergleich: Kohlearbeitsplätze gab es damals schon nur noch 1500.

Wäre es nicht eine Chance für Sachsen, dass vorhandene Potenzial in der Erneuerbaren-Branche weiter auszubauen, um dem anstehenden Strukturwandel zu begegnen?

Ich bin im Ruhrgebiet aufgewachsen und habe hautnah miterlebt, was Strukturwandel für eine Region bedeutet. Wenn die Kohlemeiler in Sachsen vom Netz gehen, wird das natürlich Folgen für die Region haben. Deswegen finde ich, dass in Sachsen, aber auch in ganz Deutschland junge Zukunftstechnologien unterstützt werden sollten. Dadurch entstehen neue Arbeitsplätze, die freigewordene Arbeitskräfte auffangen könnten. Dass die Energieerzeugung aus fossilen Rohstoffen ausgedient hat, ist nicht erst seit gestern absehbar. Es gibt schon lange Alternativen, die Sinn machen und Jobs bringen könnten.  Allein Solarwatt hat in den letzten Jahren über 130 neue Jobs geschaffen.

Wie sieht es denn mit der Investitionsbereitschaft der Photovoltaik- und Speicherunternehmen aus?

Man muss sich nicht wundern, wenn die Unternehmen in der Erneuerbaren-Branche angesichts der mangelnden Planungssicherheit nicht gerade investitionsfreudig sind. Die volkswirtschaftliche Chance, weltweit Technologieführer zu werden, wurde schon bei der Photovoltaik vertan. Die Technologie wurde zwar in Deutschland erfunden, die großen Gewinne streichen nun aber andere ein. Das gleiche kann uns im Bereich Energiespeicher noch einmal passieren, wenn die Politik nicht hinter dieser Industrie steht. Und ich spreche hier nicht von finanzieller Förderung.

Welche Unterstützung würden Sie sich von der Landesregierung wünschen?

Sachsen könnte den eigenen Strukturwandel in puncto Energieerzeugung selbst in die Hand nehmen und nicht nur krampfhaft an alten Technologien festhalten. Dafür müsste man sich zunächst einmal endlich dazu bekennen, dass die Energieversorgung der Zukunft zum Großteil aus erneuerbaren Quellen stammen wird. Und wir müssen hierzulande noch offener sein für Innovationen. Ich denke dabei an Förderprogramme für junge Unternehmen oder Neugründungen beispielsweise in Kooperation mit Universitäten. Und was mir besonders am Herzen liegt: Sachsen muss weiterhin weltoffen bleiben, damit die positive Entwicklung der sächsischen Wirtschaft nicht durch Fachkräftemangel ausgebremst wird.

Welchen Einfluss wird der Wahlausgang auf die weitere Entwicklung der Photovoltaik- und Speicherbranche in Sachsen haben?

Das hängt natürlich von den Ergebnissen ab. Sachsen hat die Chance, ein Zeichen zu setzen, dass es offen und nach vorne gewandt ist. Der Wahlausgang wird Einfluss darauf haben, wie das Bundesland in Deutschland und in der Welt gesehen wird. Würden Ewiggestrige und Klimawandel-Leugner tatsächlich Regierungsverantwortung bekommen, wären die Folgen für Sachsen fatal. Dann würde die nächsten Jahre nicht nur bei der Energiepolitik erst mal Stilstand herrschen. Für Sachsen, das in den letzten Jahrzehnten so einen beachtlichen Aufstieg hingelegt hat, wäre das eine Rückwärtsentwicklung.

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