Bundesnetzagentur stutzt Ausbauvorschläge der Netzbetreiber

Historische Aufnahme vom Bau einer neuen Stromleitung in Norwegen

Teilen

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat jetzt ihre Prüfung des Netzentwicklungsplan (NEP) Strom 2019-2030 abgeschlossen, den die vier Übertragungsnetzbetreiber im April vorgelegt haben. Sie ist dabei zu einem Ergebnis gekommen, das den Unternehmen nicht gefallen dürfte: Ihrer Meinung nach sind Stand heute nur 96 der 164 vorgeschlagenen Maßnahmen erforderlich, um eine sichere Stromversorgung bis 2030 zu gewährleisten. Dabei bestätigt die Bonner Behörde die im Bundesbedarfsplan gesetzlich festgeschriebenen Projekte, weitere 56 kommen nun hinzu. Die Bundesnetzagentur betont, dass diese ihren Berechnungen zufolge auch bei einem vollständigen Kohleausstieg bis 2038 notwendig seien. Ihrer Kalkulation liegt das Ziel der Bundesregierung zu Grunde, den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2030 auf 65 Prozent zu erhöhen.

Zu den notwendigen Maßnahmen zählt auch eine vierte Stromautobahn von Schleswig-Holstein in den Süden. Anders als von den Netzbetreibern vorgeschlagen soll die Gleichstrom-Leitung jedoch nicht bis Baden-Württemberg führen, sondern bereits in Nordrhein-Westfalen enden. Der genaue Verlauf der Trasse liegt noch nicht fest. Darüber hinaus müssen zusätzlich Wechselstrom-Verbindungen verstärkt oder neu errichtet werden, so die Bundesnetzagentur.

Mit dem Stutzen der Vorschläge der Netzbetreiber werden die Kosten für den Netzausbau nun wohl niedriger ausfallen – wovon die Stromkunden unmittelbar profitieren werden. Die Netzbetreiber hatten in ihrem Entwurf noch Ausbaukosten in Höhe von insgesamt 61 Milliarden Euro genannt.

Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) ist unzufrieden mit dem Prüfungsergebnis – es sei kontraproduktiv für die Energiewende und für den Klimaschutz, sagt BEE-Präsidentin Simone Peter. Das Streichen von Netzprojekten sei ein schlechtes Signal – „zumal die BNetzA nur einen Tag davor angekündigt hat, in einigen Bundesländern den Ausbaudeckel für die Windenergie mit der Begründung zu verschärfen, es stünden nicht genug Netze zur Verfügung“, so Peter. Beide Entscheidungen zusammen zeigten, wie unstrukturiert die Bundesregierung die Energiewende fortsetze und damit künstlich verlangsame. Eigentlich hätte die Bundesnetzagentur den NEP dahingehend überprüfen sollen, inwiefern der künftige zusätzliche Strombedarf durch Elektromobilität, Wärmepumpen und Power-to-X abgebildet wird und inwiefern Effizienzannahmen realistisch getroffen werden. Diese Herausforderungen müssten zudem im Szenariorahmen noch berücksichtigt werden, denn die Szenarien gehen von einer Stagnation des Stromverbrauchs bis 2030 aus, so als ob es keine Sektorenkopplung und keinen Klimaschutzplan für alle Sektoren gäbe.

Zu niedrige Stromverbrauchsannahmen, so der BEE, führen zu Netzfehlplanungen und werden damit dem erforderlichen Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht gerecht. So sträube sich die Bundesnetzagentur weiterhin dagegen, dass Erzeugungsspitzen möglichst regional verbraucht werden, was weitere Flexibilitäten schaffen würde. Besonders unverständlich sei, dass die Bundesnetzagentur die dringend benötigten Netzbooster nicht bewilligen will. Diese würden es ermöglichen, deutlich mehr Kapazitäten im Bestandsnetz und den geplanten Gleichstromnetzen zu schaffen. „Einerseits die Kapazität der künftigen Netze zu reduzieren und andererseits den Erneuerbaren-Ausbau mit Verweis auf zu geringe Netzkapazitäten zu deckeln, passt hinten und vorne nicht zusammen“, erklärt Peter.

„Wir brauchen große Übertragungskapazitäten von Nord nach Süd, das ist unbestritten“, erklärt der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller. „Aber unnötige Trassen zu planen, ist weder energiepolitisch noch ökonomisch und ökologisch sinnvoll. Wir können und wir sollten vielmehr die bestehenden Planungen optimieren. Dazu fordere ich die Übertragungsnetzbetreiber ausdrücklich auf.“ Vorstellbar und zielführend sei beispielsweise, SuedLink mit der neuen 525 kV-Technologie zu planen. Deren  Trasse wird von Schleswig-Holstein nach Baden-Württemberg führen. „Alleine das würde die benötigte zusätzliche Kapazität für den Stromtransport aus dem Norden bringen“, so Untersteller.

Mit der Veröffentlichung des neuen NEP haben Bürger die Gelegenheit, noch bis zum 16. Oktober 2019 Stellung zu den Plänen zu nehmen. Zudem organisiert die Bundesnetzagentur fünf Informationsveranstaltungen, um die Vorhaben mit Anwohnern, Verbänden und Lokalpolitiker zu diskutieren.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde nachträglich um die Statements von Simone Peter und Franz Untersteller ergänzt.

Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.