Fragen und Antworten zum Webinar: Speicher, Smart Home und Photovoltaik kombinieren

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Wer bei der Gebäudeautomatisierung und Einbindung von erneuerbaren Energien über das Einfamilienhaus hinaus geht, kommt sehr schnell zu einem Grad an Komplexität, dem herkömmliche Smart-Home-Systeme, Energiemanager und Monitoringsysteme nicht mehr gewachsen sind. Wie wird der direkte Sonnenstrom an die Haushaltsgeräte, Elektroautos oder eine Wärmepumpe verteilt? Wer steuert die Verbraucher? Und wie viel Solarstrom, Cloudstrom und Netzstrom hat der einzelne Mieter denn nun verbraucht? Ecocoach hat sich nach einer intensiven Beschäftigung mit dem Markt dafür entschieden, ein eigenes System zu entwerfen, dass all diese Funktionalitäten zulässt und das der Installateur auch ohne Informatikstudium programmieren kann. Im pv magazine-Webinar am 27. März stellte sich Florian Oechslin vom Initiativpartner Ecocoach den Fragen unserer Teilnehmer. Er ist der Projektleiter, beim Bau der Siedlung Mättivor in der Schweiz und beantwortet nun einige der wichtigsten Fragen noch einmal schriftlich.

Sie können sich auch eine Aufzeichnung des Webinars ansehen und die Folien aus dem Vortrag herunterladen.

Eignet sich das System auch für die Anwendung in Gewerbegebieten und welche Anpassungen müsste man dafür vornehmen?

Florian Oechslin: Ja, das System ist in Gewerbegebieten einsetzbar, da es skalierbar konzipiert ist. Es ist auch bereits im Gewerbe, wie zum Beispiel bei Schreinereien, im Einsatz. Am Grundsystem sind keine Anpassungen notwendig, lediglich die Komponenten müssen entsprechend dem Einsatzgebiet ausgelegt werden, beispielsweise kaskadierte Speicher zu je 65 Kilowattstunden und passende Steuerungskarten sowie Software.

Machen die Batteriespeicher das gesamte System nicht weniger wirtschaftlich?

Ein Ziel des Systems ist, dem Kunden maximale Autarkie zu ermöglichen, und um diese zu erreichen, ist ein Batteriespeicher die zielführende Lösung. Die Form der gespeicherten Energie als flexibel einsetzbarer elektrischer Strom ist ein zusätzliches Plus. Eine Wirtschaftlichkeit der Unabhängigkeit errechnet sich individuell aus den vorliegenden Alternativen für die gleiche Autarkiehöhe. Im Rahmen eines Peakshavings ist eine höhere Wirtschaftlichkeit während der Einsatzdauer durch passende Auslegung unabhängig von der Autarkiebetrachtung bereits möglich.

Hat der Netzbetreiber die Möglichkeit schaltbare Lasten in der Wohnsiedlung zu nutzen?

Sofern der Netzbetreiber vertraglich geregelten Zugriff auf das Lastmanagement hat, ist dies mit der Ecocoach-Lösung technisch möglich. Im besprochenen Fall der Siedlung „Mättivor“ ist dies nicht geplant.

Hat man für das Projekt „Mättivor“ auch den Einsatz von Wärmepumpen anstatt von Nahwärme untersucht?

Nein, da der Bauherr das Nahwärmenetz mit Biogas und Holz aus der Region betreibt. Die geforderte regionale Autarkie bleibt damit sichergestellt.

Wie würden Sie die eine Kombination aus Photovoltaik-Anlage und Wärmepumpe dimensionieren? Wie viel solare Deckung wäre für die Wärmepumpe erreichbar?

Wir haben diesbezüglich Erfahrungen aus anderen Projekten. In einem Mehrfamilienhaus-Projekt mit einem Autarkiegrad von 74 Prozent und Batteriespeicher liefert die Photovoltaik-Anlage mit 45 Kilowattpeak und 40.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr die Energie für die Wärmepumpe, die Wohnungen sowie ein Elektroauto. Der jährliche Verbrauch der Wärmepumpe beträgt 10.000 Kilowattstunden, was 40 Prozent vom Gesamtverbrauch inklusive der Elektromobilität entspricht. Auch hier wurde das Ziel von maximaler Autarkie gewählt. Der gesamte elektrische Energieverbrauch des Hauses inklusive Elektromobilität ist 25.000 Kilowattstunden im Jahr. Der zusätzlich, produzierte Strom wird ins Netz eingespeist.

Warum binden Sie Heizstäbe ein, wenn es Fernwärme gibt?

Die Heizstäbe erlauben es, die Überschussenergie, welche nicht anderweitig im Gebäude, in der Batterie oder in die E-Fahrzeuge gespeichert werden kann, thermisch zu speichern und damit den Eigenverbrauch zu maximieren. Dadurch wird weniger Energie vom Fernwärmenetz bezogen.

Wir setzen aktuell ein System um, das verschiedene Wärmequellen steuern können muss. Warmwasser vom Dach, Strom vom Dach, BHKW, Lüftung gekoppelt mit Wärmepumpe, Batteriespeicher und Grauwasser. Könnte das Ecocoach-System dabei Wetterdaten berücksichtigen?

Das Ecocoach-System kann die genannten Wärmequellen koppeln und abgestimmt steuern. Die aktuellen Wetterdaten kann das Ecocoach System berücksichtigen. Aber die Nutzung von Wettervorhersagen als Steuerungsimpuls ist geprüft und verworfen worden, da die entscheidenden Treiber wie die Heizungen zu träge reagieren, um die Wetterdatenkosten über den Zusatznutzen auszugleichen.

Wie viele der Kaufinteressenten für die Wohnungen haben bereits ein Elektrofahrzeug? Gab es einen Anreiz für die Kaufinteressenten, sich ein E-Mobil anzuschaffen? Könnten Sie auch bidirektionale Elektroautos in das Speicherkonzept einbinden?

Von den bereits bekannten Kaufinteressenten haben etwa 20 Prozent ein E-Mobil oder planen eine Anschaffung. Es gab aus dem Projekt keine äußeren Anreize, ein Elektrofahrzeug anzuschaffen. Bidirektionale Ladesäulen sind in der Markteintrittsphase. Wenn im konkreten Fall eine spezifische Ladesäule gewünscht wird, kann diese auf Wunsch nach einer Implementationsphase im System inkludiert werden.

Zu welchem Preis wird der Strom an die Verbraucher abgegeben?

Der Preis liegt circa 20 Prozent unter dem durchschnittlichen Strompreis.

Welche Unterstützung bietet Ecocoach bei der Dimensionierung und dem Layout von Anlagen?

Ecocoach unterstützt bei Projektzusage umfassend bei der Dimensionierung und beim Layout der gesamten Anlage.

Messstellenkonzept und Abrechnung

Ist die Eigentümer- oder Mietergemeinschaft Betreiber der Photovoltaik-Anlage und des Speichers?

Im konkreten Fall in Mättivor wird der Zusammenschluss über eine Contracting-Lösung organisiert, in welcher Ecocoach als Contractor auftreten wird.

Muss der Vertragspartner für die Stromversorgung kein Energieversorger (EVU) werden, wie es in Deutschland beim Mieterstrom ist?

Ja, in der Schweiz kann der Vertragspartner ohne EVU zu werden, den Strom an die Nutzer verkaufen. Entscheidend für die Abrechnung des Stroms aus dem öffentlichen Netz ist der Zähler, welchen der zuständige Netzbetreiber und Stromlieferant betreibt. (In der Schweiz sind Stromlieferant und Netzbetreiber noch immer identisch.) An die Nutzer innerhalb des Zusammenschlusses wird der selbst produzierte Strom und der zugekaufte Strom mit den Nebenkosten verrechnet. Für Deutschland bietet Ecocoach die Zusammenarbeit mit professionellen Mieterstromanbietern an und erfüllt somit die spezifischen gesetzlichen Vorgaben.

Könnten wir mit dem Ecocoach System die in Deutschland erforderliche RLM-Zähleranforderung für Mieterstrom überspringen und direkt zu Smart-Metern wechseln und so Kosten sparen?

Die gesetzlichen Anforderungen zu Smart-Metern in Deutschland sind derzeit in der Entstehung und deshalb kann ich derzeit keine Aussage darüber treffen, ob der direkte Einsatz von zugelassenen Smart-Metern die Zähleranforderungen obsolet macht. Aus technischer Sicht eignen sich die Smart-Meter auch für die RLM-Anforderungen.

Gibt es in der Schweiz schon zugelassene Smart-Meter?

Ja, in der Schweiz muss für Abrechnungszwecke ein MID-zertifizierter Zähler verwendet werden.

Wie wäre das System auf das deutsche Messstellensystem übertragbar?

Für Deutschland bietet Ecocoach die Zusammenarbeit mit professionellen Mieterstromanbietern an und erfüllt somit die spezifischen gesetzlichen Vorgaben.

Wie lässt sich bei der Abrechnung der Netzstrom vom kostenlosen Cloud-Strom unterscheiden?

Der Strom, welcher in den Wohnungen verbraucht wird, wird durch die Smart Meter in den Wohnungen gemessen. Die Verbindung der Echtzeitmessung der eigenen Stromproduktion mit der Ecocoach-Softwarelösung erlaubt es, den aktuellen Strommix im Arealnetz zu bestimmen und gemäß den hinterlegten Tarifen zu verrechnen.

Wie entscheidet Ihr System, welche Verbraucher den Sonnenstrom nutzen, die Haushalte, eine Wärmepumpe, das Elektroauto, der Speicher?

Anhand der im Energiemanagement hinterlegten Prioritäten wird der Sonnenstrom genutzt beziehungsweise zwischengespeichert.

Gebäudeautomatisierung

Haben Sie sich für ein proprietäres System oder einen offenen Standard entschieden. Warum?

Das Ecocoach-System nutzt offene Schnittstellen, welche durch Ecocoach ins System integriert werden. Diese Funktionsblöcke können dann vom Installateur genutzt werden, um das System ohne externen Integrator zu installieren.

Können über das System auch Programme erstellt werden, beispielsweise schließen der Jalousien bei Sonnenuntergang?

Die Szenenfunktion ist mit Ecocoach vollumfänglich möglich, sodass der Nutzer mit einem Click die gewünschte Szene erhält. Eine automatische Regelung auf Basis externer Faktoren ist auf Wunsch nach einer Implementationsphase möglich.

Sind auch die Aktoren beziehungsweise Empfänger bei der Gebäudeautomatisierung selbst entwickelt und was ist da alles verfügbar?

Im Bereich der Aktoren/Empfänger haben wir ein I/O-Modul, das „eco-IOModul“ entwickelt, welches die Grundfunktion der Steuerung in die einzelne Wohnung bringt. Ecocoach erweitert die eingebundenen Komponenten stetig. Der aktuelle Stand der derzeitig eingebundenen Komponenten ist hier ersichtlich. Die technologieoffene Architektur der Ecocoach Lösung erlaubt die Integration von beliebigen Komponenten. Wenn im konkreten Fall spezifische Komponenten eingesetzt werden sollen, können diese auf Wunsch nach einer Implementationsphase im System inkludiert werden. Voraussetzung ist, das die Komponenten die Vorgaben an Qualität und Funktionalität erfüllen.

Wie gewährleisten Sie die Datensicherheit?

Ecocoach legt höchsten Wert auf die Sicherheit und den Schutz der Daten. Jegliche individuelle Daten sind verschlüsselt gespeichert. Die Datenkommunikation mit der Microsoft Azure Cloud erfolgt mittels modernster TLS 1.2/1.3 (Transport Layer Security Protocol) Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und die Daten werden durch den Einsatz des Advanced Encryption Standard (AES) Algorithmus verschlüsselt gespeichert. Ausschliesslich die Steuerung kann den Kommunikationskanal mit der Microsoft Azure Cloud aufbauen. Äußere Eingriffe sind somit unmöglich. Die Hardware-Firewall garantiert, dass nur authentifizierte Kommunikation zugelassen wird.

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